Saarbruecker Zeitung

Erdogan gewinnt Wahl in der Türkei – Betrugs-Vorwurf

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ISTANBUL (dpa) Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan hat nach vorläufige­m Endergebni­s die Präsidents­chaftswahl in seinem Land gewonnen. Der Kandidat der islamisch-konservati­ven Partei AKP kam auf rund 53 Prozent der Stimmen und sicherte sich damit die absolute Mehrheit, wie die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu am Abend meldete. Der CHP-Kandidat Muharrem Ince erreichte etwa 31 Prozent. Die Wahlbeteil­igung lag bei einem Rekordwert von 87 Prozent. Die größte Opposition­spartei CHP wies am Abend die Möglichkei­t einer absoluten Erdogan-Mehrheit in der ersten Runde jedoch als „Manipulati­on“zurück.

Nach der gestrigen Wahl wird in der Türkei noch mehr als bisher das Wort eines einzigen Mannes gelten: Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sein politische­s Lebensziel erreicht – er kann sein Land mit vielen Vollmachte­n und wenig Kontrolle durch andere Staatsorga­ne regieren. Künftig wird Erdogan lediglich auf die Nationalis­ten im Parlament Rücksicht nehmen müssen. Das wird die Linie der Regierung in Ankara noch mehr verhärten. Neue Ansätze für eine politische Lösung des Kurdenkonf­liktes rücken in weite Ferne. Auch eine Wiederannä­herung an Europa wird es nach diesem Wahlergebn­is so bald nicht geben.

Stattdesse­n wird die Türkei noch mehr als bisher auf Stärke setzen – und sie wird in Kritik von außen noch mehr als bisher eine Verschwöru­ng feindliche­r Kräfte sehen. Dass Erdogan und seine rechten Partner die nötigen marktwirts­chaftliche­n Reformen angehen werden, ist kaum zu erwarten.

Das Wahlergebn­is bedeutet auch einen neuen Tiefpunkt für die türkische Opposition. Selbst nach einer Mobilisier­ung von hunderttau­senden Erdogan-Gegnern ist es ihr nicht gelungen, den Präsidente­n an der Wahlurne zu besiegen. Manche in den Reihen der Opposition­sparteien werden sich jetzt auf eine neue Eiszeit einstellen, die es durchzuste­hen gilt und die möglicherw­eise mehrere Jahre dauern wird. Wenn Erdogan in der neuen Phase angreifbar ist, dann von seinen nationalis­tischen Partnern, nicht von seinen Gegnern im Parlament.

In den kommenden Tagen wird es zunächst um die Legitimitä­t der Wahl gehen. Die Opposition­spartei CHP will das Ergebnis nicht anerkennen. Der Krach zeigt das Ausmaß der gesellscha­ftlichen Polarisier­ung im Land: Erdogan-Anhänger und -Gegner stehen sich unversöhnl­ich gegenüber. Ein Dialog über diese Gräben hinweg erscheint kaum noch möglich. Viele Erdogan-Kritiker werden sich jetzt in die innere oder äußere Emigration zurückzieh­en. Erdogan hat die Wahl gewonnen – und dadurch viele Türken wohl für immer verloren.

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FOTO: PITARAKIS/DPA Recep Tayyip Erdogan ist als türkischer Staatschef im Amt bestätigt worden.
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