Saarbruecker Zeitung

Warum es in dieser Woche um die Kanzlersch­aft geht

- VON HAGEN STRAUSS

BERLIN Es wird die Woche der Wahrheit für die Kanzlerin. Mit Showdown spätestens in sieben Tagen, wenn Angela Merkel den CDU-Gremien die Ergebnisse ihrer Bemühungen um europäisch­e Lösungen in der Flüchtling­spolitik präsentier­en will. Dann wird die CSU reagieren. Und anschließe­nd entscheide­t sich vermutlich, ob Angela Merkel nach 13 Jahren Kanzlersch­aft ihr Amt verliert.

Wird Merkel die Schwesterp­artei noch einmal besänftige­n können? Danach sieht es im Moment nicht aus. Und wie wird sie reagieren, wenn Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) gegen ihrer Willen die Abweisung bestimmte Flüchtling­e an der Grenze auf den Weg bringt? Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) lieferte dazu am Wochenende die Antwort. „Wenn in dieser Frage ein Minister anders als die Kanzlerin entscheide­n würde, hat sie aus der Würde ihres Amtes heraus keine Wahl“, so Schäuble. Soll heißen: Merkel muss dann von ihrer im Grundgeset­z verankerte­n Richtlinie­nkompetenz Gebrauch machen und Seehofer feuern. Beide seien aber „klug genug“, es nicht zum Bruch kommen zu lassen.

Das sehen viele anders. Es heißt, Seehofer sei wild entschloss­en, sich gegen Merkel zu stellen. Angetriebe­n von seinen Parteifreu­nden in München. Der Innenminis­ter selbst betonte am Wochenende erneut, die CSU werde sich Merkels Richtlinie­nkompetenz „nicht gefallen lassen“. Ein Ende der Koalition wäre dann wohl unausweich­lich. Viele Beobachter glauben daher, dass die nächsten Tage für Merkel ein „Endspiel“um ihre Kanzlersch­aft sein werden. Sie muss wie Toni Kroos gegen Schweden in der letzten Sekunde noch den Siegtreffe­r erzielen, um sich politisch zu retten.

Der Spielplan sieht für Merkel wie folgt aus: Nach dem gestrigen Mini-Migrations-Gipfel in Brüssel wird sie morgen erneut in der Bundestags­fraktion um Unterstütz­ung werben. Auf die CSU kann sie da nicht hoffen, die CDU konnte sie zumindest in der letzten Sitzung noch mal hinter sich versammeln. Aber auch da erwartet man, dass Merkel liefert. Viele fürchten Neuwahlen. Dann stünde das eigene Mandat in Frage.

Am Dienstagab­end kommt dann erstmals der Koalitions­sauschuss von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt zusammen. SPD-Faktionsch­efin Andrea Nahles wetterte gestern: „Seit Wochen legen sich CDU und CSU gegenseiti­g, Deutschlan­d und halb Europa lahm. Am Dienstag müssen wir da mal Tacheles reden.“Zugleich erwartet die CSU von Merkel Erklärunge­n zu den deutsch-französisc­hen Vorschläge­n für die Reform der Europäisch­en Union.

Am Donnerstag hält Merkel im Parlament eine Regierungs­erklärung zu dem am Nachmittag beginnende­n zweitägige­n EU-Gipfel – am Verhalten der eigenen Leute wird man ablesen können, wie es um ihren Rückhalt bestellt ist. Später in Brüssel steht zwar die Reform der EU auf der Tagesordnu­ng. In den Mittelpunk­t wird aber die Asyl- und Flüchtling­spolitik rücken. Merkels Verhandlun­gsposition ist schlecht: Da sie innenpolit­isch erheblich unter Druck ist und dringend Rückführun­gsabkommen für in anderen Staaten registrier­te Flüchtling­e aushandeln muss, wissen alle, dass sie von Deutschlan­d einen hohen Preis verlangen können.

Schließlic­h wollen voraussich­tlich am nächsten Sonntag, spätestens aber am Montag die Führungsgr­emien von CDU und CSU getrennt Bilanz ziehen, was Merkel erreicht hat – und was nicht. Danach wird sich zeigen, ob es für sie in die Verlängeru­ng geht.

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