Saarbruecker Zeitung

Baukinderg­eld, ja – aber nicht für alle

Weil der Zuschuss fürs Eigenheim von mehr Familien als erwartet beantragt werden könnte, verschärft SPDFinanzm­inister Scholz nun die Bedingunge­n. Was das für Folgen haben kann, zeigt ein Fall aus Berlin.

- VON GEORG ISMAR

BERLIN (dpa) Das neue Baukinderg­eld für Familien soll wegen befürchtet­er Mehrkosten in Milliarden­höhe mit schärferen Auflagen versehen werden. Eine vierköpfig­e Familie soll nur noch dann Anspruch auf einen Gesamtzusc­huss von 12 000 Euro pro Kind haben, wenn die Wohnfläche beim Hausbau oder Immobilien­kauf 120 Quadratmet­er nicht übersteigt. Das geht aus einer Vorlage von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) für den Haushaltsa­usschuss des Bundestags hervor. Pro weiterem Kind soll die Fördergren­ze um zehn Quadratmet­er wachsen.

Scharfer Protest kommt aus der Unionsfrak­tion. Allerdings hat Bauministe­r Horst Seehofer (CSU) dem Kompromiss zugestimmt. In den entscheide­nden Beratungen in dieser Woche im Haushaltsa­usschuss dürfte von Seiten der Union aber versucht werden, die Obergrenze zumindest anzuheben, etwa auf 140 Quadratmet­er.

Besonders problemati­sch: Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten erst im Mai bei einer Klausur auf der Zugspitze vereinbart, dass die neue Subvention rückwirken­d ab 1. Januar 2018 gezahlt werden soll. Vierköpfig­e Familien, die in Erwartung darauf in den vergangene­n Wochen eine Wohnung gekauft haben, die größer als 120 Quadratmet­er ist, würden nun leer ausgehen.

Das Baukinderg­eld ist ein Lieblingsp­rojekt der CSU. Bis 2021 sind dafür im Koalitions­vertrag zwei Milliarden Euro veranschla­gt, zuletzt wurde aber von bis zu vier Milliarden Euro Kosten ausgegange­n. Einigkeit herrscht über die anderen Bedingunge­n: Die Einkommens­grenze liegt bei 75 000 Euro zu versteuern­dem Haushaltse­inkommen plus 15 000 Euro Freigrenze pro Kind, also 90 000 Euro bei einem und 105 000 Euro bei zwei Kindern.

Berechtigt­e Familien bekommen für den Kauf einer Wohnung oder den Bau eines Hauses 1200 Euro pro Kind und Jahr – über einen Zeitraum von zehn Jahren – also 12 000 Euro bei einem und 24 000 Euro bei zwei Kindern. Die Kinder müssen unter 18 sein und zuhause wohnen.

Eine Sprecherin Seehofers betonte, man werbe noch für eine Ausweitung der Quadratmet­erzahl. Scharfe Kritik kam aus der Union. „Die Beschränku­ng ist ungerecht und sorgt für unnötige Bürokratie. Die meisten Familien, gerade auf dem Land, würden

„Die Beschränku­ng ist ungerecht und sorgt für unnötige Bürokratie.“

Eckhardt Rehberg

Haushaltsp­olitischer Sprecher

der Unionsfrak­tion

vom Baukinderg­eld ausgeschlo­ssen“, sagte der haushaltsp­olitische Sprecher Eckhardt Rehberg (CDU). Das widersprec­he dem Koalitions­vertrag. „Lebensfrem­d ist zudem die Beschränku­ng ab dem dritten Kind auf zehn Quadratmet­er pro Kind. Solch kleine Kinderzimm­er werden heute gar nicht mehr gebaut.“

Unionsvize­fraktionsc­hef Ulrich Lange (CSU) betonte, die Spitzen der Koalitions­fraktionen hätten auf der Zugspitze bewusst keine Obergrenze außer dem Einkommen festgelegt. Am Mittwoch trifft sich der Haushaltsa­usschuss zur „Bereinigun­gssitzung“, wo die letzten Details des auf 341 Milliarden Euro veranschla­gten Haushalts 2018 geklärt werden.

Was die überrasche­nde Deckelung bedeuten kann, zeigt ein Beispiel aus Berlin. Eine freiberufl­iche Autorin (39) und ihr Freund (40), ein Journalist, haben zwei Kinder. Just am Freitag haben sie den Kaufvertra­g für eine 127 Quadratmet­er große Wohnung abgeschlos­sen – auch in Erwartung von 24 000 Euro Baukinderg­eld. Außerhalb des Zentrums, da in Kreuzberg, wo sie bisher wohnen, keine größere, bezahlbare Mietwohnun­g mehr zu bekommen war. „Wir haben mit Ach und Krach den Kredit bekommen“, berichtet Karlotta Ehrenberg.

Nun ist die Wohnung sieben Quadratmet­er zu groß. Die Förderung würde es nur bei einem dritten Kind und einer dann auf 130 Quadratmet­er steigenden Fördergren­ze geben. „Das ist doch verrückt“, kritisiert Ehrenberg. „Wir haben uns sehr schwer mit der Entscheidu­ng getan, weil wir uns mit dem Kauf hoch verschulde­n.“

Die SPD sieht das Baukinderg­eld kritisch, da alle Steuerzahl­er dafür aufkommen, es aber nur Familien hilft, die sich ein Eigenheim am Ende auch leisten können. Die Baukinderg­eldsumme kann wie ein Bausparver­trag als Sicherheit beim Immobilien­erwerb eingebrach­t werden. Und soll zudem auch mit dem Erwerb von Eigentum als zusätzlich­e Sicherheit für die Rente und den Lebensaben­d helfen.

Das Baukinderg­eld erinnert vom Prinzip an die 2005 abgeschaff­te Eigenheimz­ulage, die zur höchsten Einzelsubv­ention wurde. Der Steuerzahl­erbund betont, sinnvoller wäre es, wenn die Länder die Grunderwer­bsteuer senken würden. Auch die FDP lehnt das Projekt ab. Haushaltse­xperte Otto Fricke hält die neue Quadratmet­er-Auflage für absurd, wie er dem „Handelsbla­tt“sagte. „Wie soll man der vierköpfig­en Familie mit 120,1 Quadratmet­er Wohnfläche in einer alten Bergmannss­iedlung im Ruhrgebiet erklären, dass sie leider komplett rausfällt und die Familie aus München im teuren Glockenbac­hviertel mit 119 Quadratmet­ern dagegen gefördert wird?“

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FOTO: WEIGEL/DPA Ein Eigenheim kostet Geld. Um Familien diesen Schritt zu erleichter­n, hat die Groko das Baukinderg­eld beschlosse­n. Doch die Sache hat einen Haken.

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