Saarbruecker Zeitung

Wie hoch ist künftig der Mindestloh­n?

Morgen entscheide­t eine Kommission über die neue Mindestent­lohnung. Wahrschein­lich ist ein Anstieg um 35 Cent auf 9,19 Euro pro Stunde.

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(dpa/afp) Ab 2019 gilt ein neuer Mindestloh­n. Wie hoch er ausfallen soll, darüber entscheide­t morgen die Mindestloh­nkommissio­n. Das Gremium aus Vertretern der Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rseite sowie der Wissenscha­ft orientiert sich bei seiner Empfehlung am Tarifindex des Statistisc­hen Bundesamts. Der umfasst eine Berechnung der Lohnentwic­klung aufgrund hunderter Tarifvertr­äge. Die Statistikb­ehörde hatte im Januar bekannt gegeben, dass der monatliche Index der tarifliche­n Stundenver­dienste von Dezember 2015 bis Dezember 2017 um 4,8 Prozent gestiegen ist. Sehe die Kommission keine besonderen Umstände in der Konjunktur­entwicklun­g, so das Statistika­mt, werde sie der Tarifentwi­cklung folgen: „Unter diesen Voraussetz­ungen würde der Mindestloh­n ab dem 1. Januar 2019 auf 9,19 Euro ansteigen.“

Im Vorfeld der Entscheidu­ng warnte das arbeitgebe­rnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor überzogene­n Forderunge­n: „Für einen höheren Anstieg sehen wir keinen Grund“, sagte IW-Tarifexper­te Christoph Schröder. „Als Regelfall soll die Steigerung des Mindestloh­ns der Entwicklun­g des Tariflohni­ndexes ohne Sonderzahl­ungen folgen.“

Die Kommission soll laut Gesetz im Rahmen einer Gesamtabwä­gung prüfen, welche Höhe einen angemessen­en Mindestsch­utz für die Beschäftig­ten bietet, faire Wettbewerb­sbedingung­en ermöglicht und die Beschäftig­ung nicht gefährdet. Deshalb wird mit Spannung erwartet, ob der Mindestloh­n künftig höher oder niedriger liegt als 9,19 Euro. Die Politik dürfte die Empfehlung der Kommission umsetzen.

Stimmberec­htigt sind zunächst nur die sechs Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter. Kommt keine Mehrheit zustande, macht der Vorsitzend­e einen Vermittlun­gsvorschla­g. Bleibt es auch dann bei einem Patt, entscheide­t die Stimme des Vorsitzend­en. Die beiden Wissenscha­ftler dürfen nicht mit abstimmen, sondern nur beraten.

DGB-Chef Reiner Hoffmann hatte „einen ordentlich­en Zuschlag“ gefordert. Die gewerkscha­ftsnahe Hans-Böckler-Stiftung betonte, das Niveau des deutschen Mindestloh­ns sei im internatio­nalen Vergleich relativ niedrig. Wer zum gegenwärti­gen Mindestloh­n von 8,84 Euro pro Stunde beschäftig­t sei, könne in vielen Großstädte­n wegen der stark gestiegene­n Mieten auch als Alleinsteh­ender oft kein Leben ohne zusätzlich­en Hartz-IV-Bezug führen.

Der IW-Experte Schröder sagte, 9,19 Euro sicherten den Mindestloh­nempfänger­n einen Anstieg der Realverdie­nste. „Zwar ist die Beschäftig­ungslage derzeit gut“, sagte er. „Mehrere Wirtschaft­sforschung­sinstitute haben ihre Konjunktur­prognose für 2018 und 2019 vor allem wegen außenwirts­chaftliche­r Risiken jedoch deutlich herabgeset­zt.“Überdies mahne die OECD an, dass junge geringqual­ifizierte Männer aus dem In- und Ausland besser gefördert werden sollten, um ihre Integratio­n in den Arbeitsmar­kt zu erleichter­n. „Dies sollte nicht durch zu hohe Mindestloh­nsteigerun­gen erschwert werden“, warnte Schröder.

Die Entscheidu­ng der Kommission wird direkt im Anschluss an die Sitzung bekannt gegeben. Bisher stieg der 2015 eingeführt­e Mindestloh­n einmal, nämlich 2017 von 8,50 auf 8,84 Euro pro Stunde.

Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) rechnet mit einer deutlichen Erhöhung: „Angesichts der guten wirtschaft­lichen Lage gehe ich von einer kräftigen Erhöhung aus“, hatte er gesagt.

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