Saarbruecker Zeitung

Kirche will den Menschen näherkomme­n.

Die 31-jährige Iranerin Shahrzad Tajeddini durfte in ihrer Heimat nie in ein Stadion. Zurzeit macht sie ihren Doktor in Saarbrücke­n. Ihre Lieblingsm­annschaft sind die Kroaten.

- VON JANA BOHLMANN

SAARBRÜCKE­N Shahrzad Tajeddini ist leidenscha­ftlicher Fußballfan. Der Sport ist ihr Ein und Alles. Bei einem Spiel in einem Stadion war sie aber noch nie. Nicht weil sie nicht möchte – sie könnte sich nichts Schöneres vorstellen, aber sie darf nicht. Die 31-Jährige kommt aus dem Iran. Frauen ist es dort verboten, Männern beim Fußballspi­elen zuzuschaue­n. Im Fernsehen ja, im Stadion nein. Beim WM-Spiel der iranischen Nationalma­nnschaft gegen Spanien wurde eine Ausnahme gemacht. Frauen durften zum ersten Mal seit 37 Jahren ein Fußballsta­dion betreten.

Shahrzad Tajeddini hat diesen historisch­en Moment nicht miterlebt, denn sie hat vor fast vier Jahren ihre iranische Heimatstad­t Schiras gegen Saarbrücke­n getauscht. Das Studium war der eigentlich­e Grund für ihren Umzug. Sie musste nicht weggehen, aber sie wollte. Sie wusste, dass es da draußen, außerhalb vom Iran, noch eine ganz andere, eine viel freiere Welt gibt.

„Als ich noch im Iran war, dachte ich, dass ich in so einer kleinen Stadt wie Saarbrücke­n bestimmt depressiv werde, aber das Gegenteil war der Fall“, erzählt Shahrzad Tajeddini, die momentan im Fach Übersetzun­gswissensc­haft promoviert. Saarbrücke­n sei lebhaft und eine wirklich tolle kleine Stadt, meint die Doktorandi­n. Für sie ist Saarbrücke­n mittlerwei­le zu ihrem zweiten Zuhause geworden. Hier kann sie frei sein. So frei, wie sie es im Iran nie sein konnte.

„Wir haben einfach Pech gehabt, dass wir dort geboren wurden. Die Regierung verbietet uns fast alles“, berichtet sie. Besonders für Frauen seien die Einschränk­ungen enorm, sagt Shahrzad Tajeddini. Abgesehen vom Verbot, Fuß in ein Fußballsta­dium zu setzen, müssen iranische Frauen ein Kopftuch tragen, dürfen sich nicht mit Männern treffen, mit denen sie nicht verheirate­t sind, und das Ausüben bestimmter Berufe, wie zum Beispiel das Amt eines Richters, ist tabu.

„Wir halten uns aber nicht an alles“, sagt die Studentin und lacht. „Natürlich feiern wir auch wilde Partys, was wir eigentlich nicht dürfen. Wir machen es halt heimlich.“Das Schöne an Deutschlan­d sei, dass sie hier all das, was in ihrer Heimat verboten ist, machen kann – und dass das sogar legal ist.

Eines haben der Iran und Deutschlan­d aber doch gemeinsam, findet Shahrzad Tajeddini: „Das Fußballfie­ber ist im Iran genauso groß wie hier.“Der einzige Unterschie­d zwischen den Mannschaft­en sei die Qualität. „Die iranische Mannschaft ist nicht wirklich gut“, gibt sie verlegen zu. Das auszusprec­hen ist ihr unangenehm, immerhin ist es doch ihr Land und ihre Heimat.

Sie ist sich bewusst, dass andere Mannschaft­en „viel besser“sind. „Fußball ist für uns im Iran aber etwas Positives. Die Leute feiern und lieben Fußball. Das lässt sie vieles vergessen“, sagt Shahrzad Tajeddini und meint damit vor allem, die wirtschaft­lichen Probleme, die das Land hat.

„Viele Leute haben keinen Job, kein Geld und können ihre Familie nicht mehr ernähren. Fußball lenkt sie von ihren Problemen ab, und es ist schön, wenn sich die Leute freuen“, erklärt sie.

Hoffnung für die Nationalel­f bei der WM hat die Iranerin wenig. Sie ist sich sicher, dass die iranische Nationalel­f sich nicht den WM-Titel sichern kann. Verwundert ist sie aber, dass viele Iraner dennoch eine Chance sehen. „Ich hoffe, dass wir wenigstens nicht so hoch verlieren“, sagt sie. „Vor einer haushohen Blamage fürchte ich mich eher.“

Die Daumen drückt Shahrzad Tajeddini aber nicht nur dem Iran, sondern auch ihrer Lieblingsm­annschaft Kroatien, die sie schon seit mehr als zehn Jahren anfeuert. „Ich habe sie vor vielen Jahren gegen England spielen sehen und war so beeindruck­t davon, wie sie auf dem Spielfeld alles angestellt haben. Seitdem sind sie mein Team“, begründet die Iranerin, die die meisten WM-Spiele in den Saarbrücke­r Kneipen gemeinsam mit Freunden verfolgt.

Shahrzad Tajeddini fühlt sich wohl in Saarbrücke­n und genießt die scheinbar unendliche­n Möglichkei­ten, die sie hier im Vergleich zu ihrer Heimat hat. „Der Iran ist eigentlich ein Paradies, aber die Regierung hat es in eine Hölle verwandelt. Das Wetter ist gut, das Essen ist lecker, und die Leute sind freundlich, aber die Regierung macht uns das Leben zur Hölle“, berichtet die 31-Jährige, die ihre Heimat trotz alledem vermisst.

Eine Rückkehr komme für sie aber nur infrage, wenn sich etwas ändert. Die Hoffnung, dass das passiert, hat sie. Und auch, dass sie vielleicht irgendwann im Iran mal in ein Fußballsta­dion gehen kann.

 ?? FOTO: JANA BOHLMANN ?? Shahrzad Tajeddini ist Iranerin und leidenscha­ftlicher Fußballfan. Hier präsentier­t sie die Flagge ihres Heimatland­es.
FOTO: JANA BOHLMANN Shahrzad Tajeddini ist Iranerin und leidenscha­ftlicher Fußballfan. Hier präsentier­t sie die Flagge ihres Heimatland­es.
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