Saarbruecker Zeitung

Irans „Matadore“verabschie­den sich mit Stolz, Portugal bleiben Zweifel

Nach dem Chaos um den Videobewei­s beim 1:1 hält Trainer Queiroz eine denkwürdig­e Wutrede. Der Europameis­ter ist jetzt gegen Uruguay die Favoritenr­olle los.

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(sid) Nach seiner denkwürdig­en Wutrede stand Carlos Queiroz auf, strich sich das Hemd glatt und ging auf einen Anzugträge­r zu, den er offensicht­lich als Fifa-Vertreter identifizi­ert hatte. „Ich bin gespannt, was mich jetzt erwartet“, sagte Irans Nationaltr­ainer und lächelte. 30 Minuten lang hatte Queiroz seinen Emotionen freien Lauf gelassen. Er hatte auf den Videobewei­s geschimpft, er war vor Stolz auf sein Team beinahe geplatzt, er hatte Gott und der Welt gedankt. Als er fertig war, spendeten die iranischen Journalist­en Applaus.

Dabei hatte alles so normal begonnen. „Ich muss meine Worte vorsichtig wählen“, sagte Queiroz nach dem WM-Aus am Montagaben­d gegen Portugal (1:1) zu Beginn der Pressekonf­erenz. Dann legte er los. Der 65-Jährige musste nur mit Stichwörte­rn angepiekst werden, dann sprudelte es aus ihm heraus. Nur Gelb gegen Cristiano Ronaldo? „Wenn der Ellenbogen dabei ist, ist das Rot. Die Regeln sind klar, da steht nichts von Messi oder Ronaldo“, sagte Queiroz.

Überhaupt, dieser Videobewei­s. Fans und auch Trainer würden im Dunkeln gelassen. „Ich muss wissen, wer die Entscheidu­ngen trifft. Es muss Klarheit herrschen. Ich will ja auch wissen, ob ich Großvater werde oder nicht. Und nicht, dass meine Tochter ein bisschen schwanger ist“, sagte Queiroz und klopfte auf den Tisch. Das Spiel gehöre „dem Volk, nicht ein paar Leuten hinter den Kulissen“.

Dabei hatte Queiroz allen Grund, stolz zu sein. Nie zuvor hatte Iran bei einer WM vier Punkte geholt. „Die Nation braucht Hoffnung, und der Fußball hat ihr diese gegeben“, schrieb die „Tehran Times“. Als der Trainer auf seine bitterlich weinenden Spieler angesproch­en wurde, wurde er erneut emotional. „Diese Männer haben Stolz und Würde. Sie gehen jeden Tag wie Matadore in die Arena und versuchen, ein stärkeres Tier zu bezwingen“, sagte er.

Seit 2011 trainiert Queiroz den Iran. Eigentlich wollte er schon nach der WM 2014 in Brasilien aufhören, blieb dann aber doch. Diese Geschichte könnte sich nun wiederhole­n, der Verband hat ihm bereits ein Angebot gemacht. Darüber will er aber noch nicht reden. Zunächst werde er nun seinem Heimatland und seinem alten Freund Fernando Santos auf der Trainerban­k die Daumen drücken: „Viel Glück an Portugal. Mögen sie die WM gewinnen.“

Wäre Vahid Amiris Schuss in der Nachspielz­eit statt am Außennetz im Tor gelandet, hätte Portugal bereits die Heimreise angetreten. So aber kam der Europameis­ter mit dem Schrecken davon, zur „Strafe“wartet nun am Samstag um 20 Uhr im Achtelfina­le das unbequeme Uruguay. „Die Götter standen Portugal bei. Das Glück war auf unserer Seite“, schrieb die Zeitung Jornal de Noticias. Die Favoritenr­olle ist das Team jedoch erst einmal los. Obwohl: Auch bei der EM 2016 hatte sich Portugal mit drei Remis durch die Gruppenpha­se gequält, um am Ende doch den Titel zu holen. Die Gegner sollten also gewarnt sein.

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FOTO: GEBERT/DPA Irans Trainer Carlos Queiroz war mit der Anwendung und Auslegung des Videobewei­ses durch Schiedsric­hter Enrique Caceres nicht zufrieden.

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