Saarbruecker Zeitung

Kohlpharma-Chef straft Perl wegen Windrädern ab

Das Gestüt auf dem Peterhof in Perl fürchtet um seine Tiere. Dressur-Turniere sollen dort nicht mehr stattfinde­n.

- VON KATJA SPONHOLZ

Elf Tage lang waren prominente Schauspiel­er wie Heiner Lauterbach und Max von Thun mit diversen Nachwuchs-Künstlern zu Gast auf dem Peterhof in Perl-Borg. Auf dem edlen Gestüt drehten sie für die Neuauflage der Ponyhof-Saga („Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“), der im Frühjahr 2019 in die Kinos kommen soll. Doch nicht nur den Kameraleut­en und Produzente­n waren die Windräder in unmittelba­rer Nähe des Hofes ein Dorn im Auge. Die Betreiber des Gestüts fürchten jetzt gar um die Zukunft ihrer Pferdezuch­t.

Die Mischung aus Enttäuschu­ng und vor allem Wut ist dem Ehepaar Kohl deutlich anzumerken. „Ich bin ratlos. Wir wissen nicht, wie es weitergehe­n soll“, sagt Arlette Jas- per-Kohl. Und ihr Mann Edwin Kohl ergänzt: „Man hat uns kalt erwischt.“Seit sich in etwa 400 Metern Entfernung sechs Windräder mit einer Nabenhöhe von 150 Metern drehen, sei es kaum mehr möglich, die Hälfte der Koppeln auf dem 30 Hektar großen Gelände zu nutzen. Vor allem die Geräusche, aber auch die Bewegungen und Schattenwü­rfe könnten Panik bei eini- gen der edlen Dressurpfe­rde auslösen, besonders den Jungtieren. „Pferde sind Fluchttier­e“, so Arlette Jasper-Kohl. „Wenn eines läuft, rasen alle mit.“Und das habe offenbar schon Folgen gehabt: Zwei Pferde hätten sich bereits schwer verletzt. „Für uns ist jetzt jeder Tag zum Risiko geworden“, sagt die Züchterin.

Die Pferde im Stall zu lassen, sei keine Alternativ­e. Stattdesse­n habe man jetzt zusätzlich­e Mitarbeite­r eingestell­t, die mit den Tieren täglich zum „Handgrasen“unterwegs seien. Zudem werden tragende Stuten nun zu anderen Gestüten ausquartie­rt. Die Zahl der aktuell knapp 30 Pferde soll langfristi­g reduziert werden.

Auch die internatio­nalen Turniere, die in der Vergangenh­eit Dressurrei­ter aus mehr als 20 Ländern und tausende Besucher angelockt hätten, sollen nicht mehr stattfinde­n. Zu groß wäre das Risiko auch für die Gast-Pferde.

Besonders wütend ist Edwin Kohl darüber, dass er weder von der Ge- meinde Perl noch von höherer Ebene über die Windkraft-Pläne informiert worden sei. „Keiner hat uns kontaktier­t. Niemand hat uns gesagt, was man hier vorhat“, ärgert er sich. „Das ist eine Schludrigk­eit ungeahnten Ausmaßes, die jetzt aufgearbei­tet werden muss.“

Christian Hinsch, der Sprecher der Juwi-Gruppe, die den Windpark Perl errichtet hat, wies die Vorwürfe zurück. „Die Ausweisung der Flächen im Flächennut­zungsplan sowie das spätere Genehmigun­gsverfahre­n für den Bau der Windräder sind transparen­t und für jeden einsehbar im öffentlich­en Verfahren, das heißt mit Beteiligun­g der Öffentlich­keit, durchgefüh­rt worden“, betonte er auf Anfrage. Einwendung­en vom Inhaber des Gestüts habe es in den Verfahren seines Wissens nach nicht gegeben.

Zumindest nicht rechtzeiti­g. „Lei- der ist es so, dass die jetzt vorgetrage­nen Einwände nicht im Offenlegun­gsverfahre­n (FNP Wind) erhoben wurden, sondern erst nach Ausweisung der Flächenkul­isse, nach Bau der Anlagen, nach Genehmigun­g der Standorte und Inbetriebn­ahme der Anlagen“, teilte Bürgermeis­ter Ralf Uhlenbruch (CDU) auf Anfrage mit.

Edwin Kohl, der Gründer und Inhaber von Deutschlan­ds größtem Arzneimitt­elimporteu­r Kohlpharma, kündigte in dieser Woche an, dass er gegen die Windräder klagen und „alle Register ziehen“wolle. Zudem soll ein Gutachten wissenscha­ftlich belegen, welche Folgen Windräder für Pferde haben.

Das saarländis­che Umweltmini­sterium bestätigte auf Nachfrage, dass Kohl noch im Jahr 2013 selbst daran interessie­rt gewesen sei, dass auf dem Gelände eine Wind- kraftanlag­e errichtet werden sollte, so Sprecher Damian Müller. Damals unter Beteiligun­g seines eigenen Unternehme­ns, der TimberTowe­r GmbH, die innovative Holztürme für Windkrafta­nlagen entwickelt. Weil der Antragstel­ler, ein saarländis­cher Windanlage­n-Betreiber, naturschut­zfachliche Unterlagen auch nach mehrfacher Aufforderu­ng nicht vorgelegt habe, sei der Antrag im März 2016 abgelehnt worden. „Es ging um den fast selben Standort“, so Müller.

Die Juwi-Gruppe habe mit ihren Windrädern alle Bedingunge­n erfüllt, die für eine Genehmigun­g erforderli­ch gewesen seien. Deshalb sehe man im Ministeriu­m „keine Vermittlun­gsmöglichk­eit und keinen Handlungss­pielraum“in dieser Sache. „Natürlich kann Herr Kohl diese Genehmigun­g in Frage stellen und rechtlich überprüfen lassen“, sagte Müller, „dieses Recht hat jeder.“

Unabhängig davon wird Edwin Kohl jedoch jetzt auch wirtschaft­liche Konsequenz­en ziehen. „Unsere Firma wird in Perl abgemeldet“, kündigte er an. „Aus Gründen der Verbundenh­eit“sei der Sitz der Kohl Medical AG in Perl gewesen, nun werde er nach Merzig verlegt. „Man hat sich hier uns gegenüber nicht gerade als dankbar erwiesen“, begründete er. Für Perl bedeute dies Steuerverl­uste in Höhe von 600 000 Euro jährlich.

Bürgermeis­ter Ralf Uhlenbruch gab zu, dass er die angekündig­te Verlagerun­g des Firmensitz­es und die damit verbundene­n Folgen bei den Gewerbeste­uereinnahm­en sehr bedaure. „Bisher hatte die Gemeinde Perl ein sehr positives und kon- struktives Verhältnis zu Herrn Prof. Kohl“, betonte er. „Die Beweggründ­e für die Verlagerun­g im Zusammenha­ng mit den Windkrafta­nlagen im Bereich Peterhof, zu diesem verspätete­n Zeitpunkt, können wir nur sehr schwer nachvollzi­ehen.“

Ob es bei diesem Kampf gegen die Windmühlen doch noch – wie bei der neuesten Immenhof-Geschichte – zu einem Happy-End kommen wird, scheint fraglich. Wenn die Neuauflage der Ponyhof-Saga in die Kinos kommen wird, werden die Zuschauer jedenfalls keine Windräder am Horizont des Gestütes von Gegenspiel­er Jochen Mallinchro­th (Heiner Lauterbach) entdecken können. „Wir haben es leichter“, sagte Produzent Frank Meiling, der sich unter mehr als 100 Reitanlage­n im In- und Ausland für den Peterhof als Kulisse entschiede­n hatte. Dank digitaler Technik ließen sich die Windräder am Horizont später einfach entfernen.

„Ich bin ratlos.

Wir wissen nicht, wie es

weitergehe­n soll.“

Arlette Jasper-Kohl

Pferdezüch­terin

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Die Geräusche und Bewegungen der sechs Windräder könnten Panik bei Dressurpfe­rden auslösen, fürchten die Betreiber des Peterhofes.
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FOTO: BECKER&BREDEL Arlette Jasper-Kohl und Edwin Kohl, Eigentümer des Peterhofs, wurden nach eigener Darstellun­g von den Windrädern überrascht.

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