Deutschland scheitert erstmals in WM-Vorrunde
Schock für FußballDeutschland. Für den Titelverteidiger ist die WM nach einem 0:2 gegen Südkorea vorbei.
(SZ) Nach dem schlechtesten Abschneiden einer deutschen Nationalmannschaft bei einer Fußball-Weltmeisterschaft überhaupt schließt Bundestrainer Jogi Löw einen Rücktritt offenbar nicht aus. „Ich muss die Verantwortung übernehmen“, sagte er gestern nach der bitteren 0:2-Niederlage gegen Südkorea in Kasan. Die Enttäuschung sitze „tief in mir drin. Das hätte ich mir auch so nicht vorstellen können“, sagte Löw.
Nach einer desaströsen Leistung gegen Südkorea beendete die erneut umformierte Auswahl die Gruppe F sogar als Tabellenletzter. Deutsch- land hätte wegen des 3:0-Erfolgs der Schweden gegen Mexiko im parallelen Spiel einen Sieg gegen die Asiaten gebraucht, um den Einzug ins Achtelfinale zu schaffen.
Wie ein Weltmeister spielte Deutschland in Russland nie, erst recht nicht im entscheidenden Spiel. „Der Mannschaft hat die Leichtig-
Jogi Löw
keit gefehlt. Die Sicherheit war nicht vorhanden“, sagte Löw. Die deutsche Mannschaft hatte Probleme im Spielaufbau und kam erst nach der Pause zu guten Möglichkeiten, die teilweise auch mit Pech vergeben wurden. Beide Treffer der Südkoreaner fielen in der Nachspielzeit. Kim Yong Gwon (90.+4) traf zum 1:0. Heung Min Son (90.+6) erzielte den zweiten Treffer ins von Manuel Neu- er verlassene leere Tor. Es ist das niederschmetternde Ende des Titelverteidigers, das sich in den holprigen Spielen gegen Mexiko (0:1) und Schweden (2:1) angedeutet hatte. Der behäbigen Auswahl um Kapitän Manuel Neuer fehlten vor 41 835 Zuschauern in Kasan Spielwitz, Tempo und Ideen.
Die Elf der Bundesrepublik Deutschland hatte es bei allen Weltmeisterschaften seit 1954 mindestens unter die letzten Acht geschafft. Mit dem Ausscheiden in Russland endete auch eine Erfolgswelle, die 2002 mit der Vizeweltmeisterschaft begonnen hatte. Sie hatte sich mit den dritten Plätzen bei der HeimWM 2006 und in Südafrika 2010 fortgesetzt und mit dem Titelgewinn in Brasilien 2014 – als erstes europäisches Team in Südamerika – ihren Höhepunkt erlebt. Der Sieg beim Confed-Cup 2017 war der letzte Erfolg in dieser Reihe.
„Ich muss die Verantwortung übernehmen.“
Bundestrainer
(dpa) Nach dem historischen WM-K.o. entschuldigte sich der „brutal frustrierte“Joachim Löw bei den deutschen Fußball-Fans und schloss einen Rücktritt als Bundestrainer nicht aus. „Es ist zu früh für mich, die Frage zu beantworten, jetzt brauchen wir ein paar Stunden“, bat der entthronte Weltmeister-Trainer um Bedenkzeit. „Es ist für uns eine riesige Enttäuschung“, sagte Löw nach dem beschämenden 0:2 (0:0) gegen Südkorea.
Orientierungslos irrte Löw nach dem Abpfiff über den Rasen der Arena in Kasan, offensichtlich konnte er den K.o. nicht fassen. Der Schlafwagen-Fußball gegen limitierte Südkoreaner wurde mit dem historischen Vorrunden-Aus bei einem WM-Turnier bestraft. Young-Gwon Kim (90.+2) und Heung-Min Son (90.+6) besiegelten die peinliche Niederlage mit ihren Treffern in der Nachspielzeit. Weil Schweden parallel gegen Mexiko mit 3:0 gewann, hätte nicht einmal eine Nullnummer gereicht. Das behäbig agierende Löw-Team fiel mit drei Punkten sogar noch hinter die Südkoreaner auf den letzten Platz der Gruppe F zurück.
„Wir haben bis zum Schluss dran geglaubt. Wir haben den Ball nicht ins Tor gebracht. Wir hatten genug Gelegenheiten. Das hat uns heute das Genick gebrochen“, klagte Mats Hummels und zog ein knallhartes WM-Fazit: „Das letzte überzeugende Spiel war im Herbst 2017. Das ist ein ganz, ganz bitterer Abend.“
Vier Jahre nach dem Triumph von Rio ist nach nur zehn Tur- nier-Tagen das Unternehmen Titelverteidigung mit dem Tiefpunkt deutscher WM-Geschichte beendet. Schon am heutigen Donnerstag um 11 Uhr geht es von Moskau im Sonderflieger nach Frankfurt. In der Heimat wartet die Debatte um die Zukunft von Löw. „Wir sitzen alle in dem Verlierer-Boot. Grundsätzlich sind wir alle vom Weg von Joachim Löw überzeugt“, sagte Thomas Müller. „Wir müssen das erstmal verarbeiten.“
Team-Manager Oliver Bierhoff rechnet nicht mit einem Rücktritt von Löw. „Ich gehe fest davon aus, dass Jogi weitermacht“, sagte er. Auch DFB-Präsident Reinhard Grindel wollte nicht über Personal-Konsequenzen sprechen. „Wir haben vor der WM gesagt, wir trauen ihm das zu bis 2022. Das ist nach wie vor meine Meinung“, sagte der DFBChef. Allerdings erwarte er eine intensive Aufarbeitung des unerwarteten Scheiterns. Löw ist seit 2006 Bundestrainer und hatte seinen Vertrag vor der WM bis 2022 verlängert.
Nach dem Last-Minute-Coup gegen Schweden setzte Löw seine WM-Rotation konsequent fort. Fünf Wechsel nahm er vor. Diesmal traf es zunächst auch Müller. Sein künftiger Münchner Kollege Leon Goretzka kam für den je fünfmaligen WM-Torschützen der Jahre 2010 und 2014 zu seiner Turnier-Premiere, hatte aber große Probleme, seine Rolle auf rechts zu finden. Auch Niklas Süle, der in der Innenverteidigung neben Rückkehrer Mats Hummels den gesperrten Jérôme Boateng vertrat, kam zu seinem ersten WM-Spiel. Die gegen Schweden aussortierten Mesut Özil und Sami Khedira durften im Mittelfeld wieder mitwirken. Löws Signal: Der Konkurrenzkampf wird hochgehalten. Aber: Der Effekt blieb aus.
Frische, Dynamik und Schnelligkeit fehlten im deutschen Spiel – auch bei Khedira und Özil, die eher im phlegmatischen Mexiko-Modus agierten. Schwerfällig und behäbig war der Aufbau. Ungenaue Pässe und Flanken, zu wenig Bewegung: So kam das Offensivspiel nicht in Schwung. Zum Abschluss kamen aber die Südkoreaner. Torwart Manuel Neuer hatte bei einem Freistoß von Woo-Young Jung (19.) große Fangprobleme, rettete dann aber selbst mit wuchtigem Einsatz vor Heung-Min Son.
Das deutsche Spiel plätscherte langsamer dahin, als die Wolga am Stadion vorbeifloss. Als Timo Werner (43.) dann endlich einmal zum Abschluss kam und den Pfos- ten traf, hätte ein Tor wegen eines Foulspiels von Jonas Hector ohnehin nicht gezählt. Löw reagierte und brachte Gomez für den so enttäuschenden Khedira, auch Müller (63.) wurde noch gebracht. Doch es fehlte die Körpersprache, das Aufbäumen. Nur Mats Hummels rüttelte immer wieder auf und hatte per Kopfball die größte Chance (87.) – ohne Erfolg. Kim und Son besiegelten die Pleite.