Saarbruecker Zeitung

Bunter Geldsegen für Mamas, Papas und Kinder

Mehr Kindergeld, Zuschüsse für den Hausbau und Co.: Die Bundesregi­erung gibt Milliarden für Familien aus. Nicht jeder hält das für sinnvoll.

- VON GEORG ISMAR

(dpa) In der Nacht nach dem Koalitions­ausschuss fuhren erstmal alle schweigend davon. Dann war es gestern früh Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) vorbehalte­n, die Einigung beim Streitthem­a Baukinderg­eld zu verkünden. Denn schließlic­h ist es ein Wunschproj­ekt von CDU und CSU, um Familien beim Traum von den eigenen vier Wänden unter die Arme zu greifen. Und es soll zeigen: Auch jenseits des erbitterte­n Asylstreit­s wird noch regiert. Und zwar für Familien.

Dabei konnte die Groko gestern nicht nur das Baukinderg­eld verkünden. Es war zwar zeitlicher Zufall, aber der taumelnden Koalition kam es zupass: Das Kabinett brachte ein Milliarden­paket auf den Weg, das Familien entlasten soll. Der Entwurf von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) im Umfang von 9,8 Milliarden Euro jährlich sieht unter anderem zehn Euro mehr Kindergeld im Monat ab Juli 2019 (ab Januar 2021 um weitere 15 Euro) vor, einen höheren Steuer-Grundfreib­etrag und einen höheren Kinderfrei­betrag. Hinzu kommt eine Entlastung der Bürger mit mittlerem und unterem Einkommen bei der soge- nannten kalten Progressio­n. Beispiel: Eine Familie mit einem Bruttojahr­esgehalt von 60 000 Euro wird ab 2019 so entlastet, das sie mindestens 251 Euro mehr im Jahr hat. Ein Glückstag für Familien also; aber Kritik gab es auch.

Vor allem am Baukinderg­eld. Beschlosse­n hat der Koalitions­ausschuss in der Nacht einen Zuschuss zum Wohnungsba­u von 12 000 Euro pro Kind, gezahlt über zehn Jahre. Gefördert werden Familien mit einem Jahreseink­ommen bis maximal 75 000 Euro. Pro Kind werden 15 000 Euro hinzugerec­hnet. Für eine Familie mit Kind gelten also 90 000 Euro Einkommen, um Baukinderg­eld zu erhalten. Die Kinder müssen unter 18 sein und zu Hause wohnen. Bis zum Herbst dürfte alles in Gesetzesfo­rm gegossen sein, um die Leistung zu beantragen.

Die Gehaltsgre­nze, bis der man dann einen Antrag bei der KfW-Förderbank stellen kann, stand schon im Koalitions­vertrag und war unstrittig, anders als die plötzliche Quadratmet­erdeckelun­g – die gestern aber gekippt wurde. Ursprüngli­ch war eine Deckelung des Zuschusses auf 120 Quadratmet­er geplant. Gestern sagte Kauder dann zum Baukinderg­eld: „Es wird in der Zeit von 01.01.2018 bis 31.12.2020 gezahlt werden, und zwar ohne eine Begrenzung auf Quadratmet­erzahlen.“Der Schlüssel, um mit der Fördersumm­e von etwa zwei Milliarden Euro irgendwie auszukomme­n, liegt also nun in der zeitlichen Begrenzung bis Ende 2020. Die SPD bekommt im Gegenzug etwa 500 Millionen Euro mehr für den sozialen Wohnungsba­u.

Die Deckelung war so umstritten, weil Wohneigent­um auf dem Land günstiger ist, in der Regel aber auch größer. Immerhin: Wer drei Kinder hat, sollte der Planung zufolge zehn Quadratmet­er mehr zugebillig­t bekommen, also bis zu 130. Der haushaltsp­olitische Sprecher der Unionsfrak­tion, Eckhardt Rehberg (CDU), hielt aber auch dies für lebensfrem­d. „Solche kleinen Kinderzimm­er werden heute gar nicht mehr gebaut.“ Der Verband kinderreic­her Familien meinte, das Baukinderg­eld werde so entkernt.

Steuerzahl­erbund und Rechnungsh­of sehen das Ganze ebenso kritisch – damit werde in anderer Form die Ende 2005 ausgelaufe­ne Eigenheimz­ulage neu belebt, die mit Kosten von über elf Milliarden Euro im Jahr zur ausufernde­n Subvention mutierte. Familien, die in Großstädte­n zur Miete wohnen, helfe das neue Baukinderg­eld kaum, weil man sich dort, wenn man nicht sein angestammt­es Viertel verlassen will, auch mit Baukinderg­eld in der Regel keinen Immobilien­kauf leisten könne. Auch der Deutsche Mieterbund nennt das Gesetz wirkungslo­s. „Der Wohnungsne­ubau wird durch die von der Bundesregi­erung vereinbart­e Milliarden-Subvention nicht zusätzlich angekurbel­t“, sagte Lukas Siebenkott­en vom Mieterbund ges- tern. In ländlichen Regionen komme es zu Mitnahmeef­fekten, dort würden nur diejenigen Baukinderg­eld beantragen, die sowieso bauen wollten. FDP-Chef Christian Lindner sprach von einer Milliarden­verschwend­ung. Der Staat solle lieber einen Freibetrag bei der Grunderwer­bsteuer schaffen. CSU-Generalsek­retär Markus Blume sprach dagegen von einem „echten Schub für mehr Wohnungen in Deutschlan­d“.

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FOTO: WESTEND61/IMAGO Es soll Familien den Traum vom Eigenheim ermögliche­n: Die Groko hat das Baukinderg­eld beschlosse­n. Kritiker zweifeln an der Wirksamkei­t.

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