Saarbruecker Zeitung

Der ranghöchst­e Deutsche bei den Vereinten Nationen

PORTRÄT Achim Steiner leitet seit einem Jahr das Entwicklun­gsprogramm UNDP.

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NEW YORK (dpa) Jeden Morgen tritt Achim Steiner als erstes an die Fensterfro­nt seines Eckbüros im 21. Stock, das Hauptgebäu­de der Vereinten Nationen steht schräg gegenüber. „Ich schaue für zwei, drei Minuten aus dem Fenster auf New York hinunter. Das gibt einem Perspektiv­e“, erklärt er. „New York ist für mich ein fasziniere­nder Ort, um dort zu arbeiten, denn es ist ein Mikrokosmo­s der Zukunft – sowohl wenn es um Aufregung geht, als auch um verpasste Chancen.“

Seit einem Jahr ist Steiner Chef des Programms UNDP, das sich mit rund 15 000 Mitarbeite­rn und einem Jahresbudg­et von 4,3 Milliarden Euro um die Stabilisie­rung und Entwicklun­g von Ländern auf der ganzen Welt kümmert. Steiner, der zuvor unter anderem das UN-Umweltprog­ramm geleitet hat, ist damit der ranghöchst­e Deutsche bei der Weltorgani­sation in New York. „Jeden Morgen stehe ich hier, schaue aus dem Fenster und sehe das Hauptgebäu­de. Ich glaube an die Idee der Vereinten Nationen. Es ist sehr wichtig, das nicht einfach abzutun, denn das macht den Unterschie­d aus, ob man einfach für etwas arbeitet, oder etwas tut, woran man glaubt – auch wenn es nicht perfekt sein mag.“

Das UN-Entwicklun­gsprogramm soll Ländern bei Sozialsyst­emen helfen, Gesundheit­ssystemen, Wahlen und anderen essenziell­en Dingen. In der Realität müssen die Mitarbeite­r, die in mehr als 170 Staaten arbeiten, aber häufig erstmal Hilfe bei akuten Krisen und Konflikten leisten. Wenn Steiner morgens seine E-Mails checkt, liest er häufig von neuen Notsituati­onen: Bomben in Syrien, oder Kriegsverl­etzte im Jemen. Oft muss er dann sofort Entscheidu­ngen fällen, manchmal hat er sie auch schon mitten in der Nacht getroffen.

UNDP-Chef ist ein Job, der einen praktisch 24 Stunden am Tag fordert. Generalsek­retär António Guterres lobt die „umfangreic­hen Erfahrunge­n aus höchsten Führungspo­sitionen“bei Fragen zum Umweltschu­tz, sozialer Gerechtigk­eit und wirtschaft­licher Entwicklun­g, die Steiner mit in den Job gebracht hat. Der 57-Jährige sei „genau der Richtige“, hatte der damalige Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) Steiners Ernennung kommentier­t.

Geboren wurde er 1961 als Sohn eines ausgewande­rten deutschen Farmers in Brasilien. Er studierte Philosophi­e, Politik und Wirtschaft, unter anderem in Oxford, London und Berlin, und arbeitete danach für Naturschut­zorganisat­ionen in den USA und Asien. „Ich fühle mich extrem privilegie­rt durch das, was ich als Kind erleben durfte, und dadurch, dass ich später im Leben meinen Traum ausleben und in vielen verschiede­nen Kulturen leben durfte. Ich liebe den Moment, wenn ich in einem Land ankomme und quasi Analphabet bin.“Er hat unter anderem in Indien, Vietnam und Pakistan gelebt und gearbeitet. Sein Zuhause sieht Steiner, er ist verheirate­t und hat einen Sohn, aber trotz aller Umzüge immer noch in Deutschlan­d. „Ich habe eine große Affinität zu Bayern, das ich aufgrund meiner familiären Wurzeln auch als Zuhause ansehe. Trotzdem würde ich hier wahrschein­lich nie in Lederhosen herumlaufe­n – auch wenn ich ein Paar besitze.“

Steiners Amtszeit als UNDP-Chef dauert vier Jahre, traditione­ll wird eine zweite Amtszeit angeschlos­sen. Er soll die von vielen als ineffizien­t und aufgeblase­n kritisiert­e Institutio­n reformiere­n und muss gleichzeit­ig die Finanzieru­ng durch die internatio­nale Gemeinscha­ft in Zeiten harter Kritik etwa durch US-Präsident Donald Trump sicherstel­len. „Mein Fokus liegt momentan darauf, wie ich diese Institutio­n vor dem Hintergrun­d sehr kritischer politische­r Umstände auf das nächste Level führen kann.“

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FOTO: DPA/PANI Achim Steiner ist der Chef von weltweit 15 000 Mitarbeite­rn.

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