Saarbruecker Zeitung

Missbrauch­sopfer rügen Kirche

Betroffene fordern deutlich mehr Engagement bei der Auf klärung der Vergehen.

- VON BIRGIT WILKE

(kna) Die Wunden bei den Betroffene­n sitzen tief: „Die katholisch­e Kirche hat mein Leben zerstört“, klagt ein Teilnehmer. Aufgewühlt erzählt er, dass er jahrelang in einem Heim misshandel­t und von einem Priester missbrauch­t wurde. Ein anderes Opfer erzählt, dass in seinem Bistum jahrelang nichts passiert sei. Der Täter, ein Priester, sei von einer Gemeinde in die nächste versetzt worden. Viele Betroffene meldeten sich bei einem öffentlich­en Hearing zum Thema Kirchen und Missbrauch gestern in Berlin zu Wort. Sie werfen den Kirchen, der katholisch­en und der evangelisc­hen, vor, sich auch acht Jahre nach dem Bekanntwer­den des Missbrauch­sskandals ihrer Verantwort­ung nicht ausreichen­d zu stellen.

Mehr Engagement fordert auch die Kommission zur Aufarbeitu­ng von sexuellem Kindesmiss­brauch, Veranstalt­er des Hearings. Die beiden Kirchen hätten häufig nur so viel getan, wie sie es vor allem auf Druck von Betroffene­n und der Öffentlich­keit hätten tun müssen, sagt die Vorsitzend­e Sabine Andresen. Den Betroffene­n sollten sie auf „Augenhöhe begegnen“und deren Anliegen in den Mittelpunk­t des Handelns stellen. Dazu gehöre eine Haltung, die von Empathie statt von bürokratis­chen Vorgaben geprägt ist. Auch angemessen­e Anerkennun­gs- oder Entschädig­ungsleistu­ngen seien nötig. Die katholisch­e Kirche zahlt Opfern bis zu 5000 Euro, in begründete­n Einzelfäll­en auch mehr.

Die Kommission kritisiert weiter, dass es bei den Kirchen nach wie vor Strukturen gebe, die sexuellen Kindesmiss­brauch und den Schutz von Tätern ermöglicht­en. Heiner Keupp, Mitglied der Kommission, fordert daher, das Beicht- und Seelsorge-Geheimnis kritisch zu prüfen.

Auf „erhebliche Defizite“im Umgang mit Betroffene­n weist die Kommission bei der evangelisc­hen Kirche hin. Es fehle dort bis heute an überregion­alen, qualitativ verlässlic­hen und transparen­ten Strukturen. Betroffene würden „gezielt alleine gelassen“, sagt Kerstin Claus, Mitglied im Betroffene­nrat des Missbrauch­sbeauftrag­ten der Bundesregi­erung.

Tief betroffen zeigt sich der Missbrauch­sbeauftrag­te der Bischofsko­nferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, der auch auf der Anhörung spricht. Es sei „schmerzhaf­t, aber wichtig und notwendig“, sich anzu- hören, was den Betroffene­n durch Priester und andere Mitarbeite­r der Kirche angetan worden sei. Die Kirche befinde sich mit Blick auf die Aufarbeitu­ng in einem ständigen Prozess. Vieles sei schon auf den Weg gebracht worden, viele Schritte seien aber noch notwendig. Einen Schritt kündigt Ackermann schon an: Das von den Bischöfen in Auftrag gegebene Forschungs­projekt über sexuellen Missbrauch an Minderjähr­igen werde am 23. September in Fulda bei der Bischofsvo­llversamml­ung vorgestell­t.

„Die katholisch­e Kirche hat mein Leben

zerstört.“

Ein Teilnehmer

der Anhörung in Berlin

 ?? FOTO: GENTSCH/DPA/LNI ?? Ein dunkles Kapitel der Kirchen, der Kindesmiss­brauch durch Priester, wurde vor acht Jahren bekannt.
FOTO: GENTSCH/DPA/LNI Ein dunkles Kapitel der Kirchen, der Kindesmiss­brauch durch Priester, wurde vor acht Jahren bekannt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany