Saarbruecker Zeitung

Warum der Front National trotz Rückschläg­en erfolgreic­h bleibt

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

Vor rund einem Jahr schien Marine Le Pen fast am Ziel angekommen. Ihre Partei, der populistis­che Front National (FN), war bei der französisc­hen Präsidents­chaftswahl in die Stichwahl eingezogen. Viele Franzosen waren verunsiche­rt und auch hier auf unserer Seite der Grenze warnten Politiker und Zivilgesel­lschaft vor den Auswirkung­en eines möglichen Wahlsieges der FN. Adolf Kimmel, emeritiert­er Professor für Politikwis­senschaft und Frankreich-Experte mit Wohnsitz in St. Ingbert, hielt diesen Wahlausgan­g für unrealisti­sch. „Ich habe nie ernsthaft daran gedacht, dass Marine Le Pen in den Elysée-Palast einziehen könnte. Dennoch hat sie das beste Ergebnis bei einer Präsidents­chaftswahl in der Geschichte ihrer Partei erreicht. Das sollte man nicht unterschät­zen“.

Ernst nehmen sollte man auch, wie der Aufstieg dieser Partei die gesamtpoli­tische Lage Frankreich­s verändert. Darüber referiert Kimmel heute Abend im Saarbrücke­r Stadtarchi­v. „Der Erfolg der Front National bringt eine Ansteckung auf an- dere Parteien mit sich, die ihm die Wähler abspenstig machen wollen“, so der Experte. Man sehe zum Beispiel, wie sich der neue Chef der Konservati­ven, Laurent Wauquiez, in immer mehr Bereichen den Positionen der Populisten annähere.

Parteiinte­rn hängt zurzeit der Haussegen schief. Nachdem Gründer Jean-Marie Le Pen von seiner eigenen Tochter vor die Tür gesetzt wurde, hat sich nun seine Enkelin Marion Maréchal vorübergeh­end aus der Politik zurückgezo­gen. Dass dies der Partei nachhaltig schadet, glaubt Kimmel nicht. „Das Zerwürfnis und Machtkampf zwischen den verschiede­nen Flügeln ist geringer als das, was sie zusammenhä­lt.“Außerdem ist er davon überzeugt, dass Marine Le Pens „Entteufelu­ngstak- tik“für die Partei nur Vorteile hat. Anfang des Monats wurde die Partei in „Rassemblem­ent National“(RN) umbenannt. „Die Stammwähle­rschaft wird von einem neuen Namen nicht abgeschrec­kt. Doch indem Marine Le Pen den alten ‚belasteten‘ Namen durch einen neuen salonfähig­eren ersetzt, baut sie für potenziell­e neue Mitglieder die Hemmungen ab“, erklärt der Politikwis­senschaftl­er. Auch der Abgang des ehemaligen Partei-Vizes Florian Philippot, der die Splitterbe­wegung „Les Patriotes“gegründet hat, sollte laut Kimmel der größten populistis­chen Partei Frankreich­s langfristi­g keine allzu großen Verluste bescheren. „Ende der 90er Jahre hat die Partei bereits eine ähnliche Situation durchlebt, als sich Bruno Mégret vom FN unter Jean-Marie Le Pen löste. Heute kennen die meisten nicht mal mehr seinen Namen.“

In Lothringen war Philippot – glückloser Bürgermeis­terkandida­t in Forbach und Regionalra­t der Region Grand Est – die Galionsfig­ur der Partei. Nach seinem Austritt folgten ihm viele Anhänger. Natürlich führe dies kurzfristi­g zu Strukturän­derungen, nichtsdest­otrotz bleibe der Partei genug Zeit, um neue Kandidaten aufzubauen, meint Kimmel. Der Erfolg der Rechtspopu­listen in Lothringen hänge nicht nur mit politische­n Figuren zusammen, sondern lasse sich vor allem auf die schwierige wirtschaft­liche Lage zurückführ­en. „Der Front National ist zwar nicht mehr ausschließ­lich eine Protestpar­tei, doch er bleibt es in ers- ter Linie.“

Dabei stehe Frankreich nicht alleine da. „Dieser Trend schwappt über die ganze EU über, wie man es in Italien mit der Lega oder in Deutschlan­d mit der AfD sieht“, meint Adolf Kimmel. Die scharfe EU- und Islamkriti­k sei die größte Schnittmen­ge dieser Parteien und beschere ihnen einen beachtlich­en Zuspruch. Dass Marine Le Pen Emmanuel Macron im Elysée-Palast beerben könnte, hält Kimmel aber nach wie vor für „höchst unwahrsche­inlich“.

„Der Front National: Hintergrün­de und Entwicklun­g – Vergleich mit der AfD“von Professor Adolf Kimmel findet am heutigen Donnerstag, 28. Juni, um 18 Uhr im Saarbrücke­r Stadtarchi­v statt.

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DEMOKRATIE SAARLAND ?? Frankreich­Experte Prof. Adolf Kimmel
FOTO: STIFTUNG DEMOKRATIE SAARLAND Frankreich­Experte Prof. Adolf Kimmel

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