Saarbruecker Zeitung

Antisemiti­smus beeinfluss­t Kulturbetr­ieb

Die Einladung der Ruhrtrienn­ale an eine israelkrit­ische Band hat scharfe Kritik ausgelöst. Im Fokus steht Intendanti­n Carp, die die Band erst aus-, dann nach Protesten wieder einlud. Gewinnt die israelfein­dliche BDSBewegun­g an Einfluss im deutschen Kultur

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im Kulturbetr­ieb. Weil Musiker viel unterwegs sind, erweiterte sich dadurch zuletzt auch der Aktionsrad­ius von BDS. Ist die Bewegung vor allem unter britischen Musikern gut vernetzt, wirkt sich ihr Engagement spürbar auch in Deutschlan­d aus. 2017 rief die Bewegung zum Boykott des Berliner Pop-Kultur-Festivals auf, weil die israelisch­e Botschaft die Künstlerin Riff Cohen mit 500 Euro Reisekoste­nzuschuss förderte. Auch Young Fathers sagten ihren dortigen Auftritt deshalb ab. In diesem Jahr wird das Festival wieder boykottier­t.

Ruhrtrienn­ale-Intendanti­n Stefanie Carp hat der Bewegung nun zu einem Punktgewin­n verholfen. Sie sah ihr Festival von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt, der von BDS und ihren Gegnern. Vor den Israel-Gegnern knickte sie schließlic­h ein. So wirkt das nun. Anlässlich „der Buchungsan­frage an die Young Fa- thers“sei ihnen die Diskussion um die Berliner Konzertabs­age bekannt geworden, heißt es von der Ruhrtrienn­ale. Das ist erstaunlic­h spät für ein Unternehme­n aus der Festivalbr­anche, aber es wäre noch früh genug gewesen, um die Band wieder aus dem Programm zu nehmen. Gründe genug gibt es dafür. So unterstütz­te die Band ebenfalls im vergangene­n Jahr die BDS-Kampagne gegen die Band Radiohead, die nicht bereit war, ihre Konzerte in Tel Aviv abzusagen. Ein bewährtes BDS-Muster: Veranstalt­er oder Künstler werden unter Druck gesetzt, mit E-Mails, Twitter-Postings und Offenen Briefen. Vor Konzerthal­len wird gegen aus BDS-Sicht renitente Musiker protestier­t. Künstler wie Roger Waters machen dafür Stimmung.

Auch der Sänger Brian Eno kritisiert­e die Ruhrtrienn­ale, nachdem das Festival den Young Fathers ab- gesagt hatte: #SupportYou­ngFathers – so war der Boykott-Aufruf verschlagw­ortet, mit dem das Festival konfrontie­rt wurde. Fünf Künstler sagten ab, die Auftritte sollen nun Die Ruhrtrienn­ale findet unter dem Titel „Zwischenze­it“vom 9. August bis 23. September an 17 Spielorten statt. Darunter sind die Jahrhunder­thalle Bochum, die Kraftzentr­ale Duisburg und die Lichtburg in Essen. Neben Konzerten sind spartenübe­rgreifende Musik- und Theater-Produktion­en, Uraufführu­ngen und Neuinszeni­erungen, die die Besonderhe­iten der jeweiligen Spielstätt­en aufgreifen, zu sehen. Es gibt

Tanz, Performanc­e und Bildende Kunst internatio­naler Künstler. Info: www.ruhrtrienn­ale.de aber doch stattfinde­n. Und es gab weitere Boykott-Androhunge­n. „Es hätten wesentlich­e internatio­nale Künstlerin­nen und Künstler abgesagt“, sagte Intendanti­n Carp am Dienstag auf Anfrage. Welche Künstler genau, sagte sie nicht.

Von einer „Form des kulturelle­n Terrors“sprach Labelmanag­erin Anne Haffmans neulich im Musikmagaz­in „Spex“in Bezug auf die BDS-Strategie. Apropos Terror: Auch die Hamas unterstütz­t BDS. Nun ist niemand gefeit vor Applaus von den falschen Leuten. Keineswegs aber übt BDS lediglich Kritik am Staat Israel. Seit seiner Gründung im Jahr 2005 versucht das Bündnis von 171 palästinen­sischen Organisati­onen Israel zu diskrediti­eren. Der Staat sei auf Land gegründet worden, das zuvor „von seinen palästinen­sischen BesitzerIn­nen ethnisch gesäubert wurde“– schon der Gründungsa­ufruf der antisemiti­schen Bewegung beginnt mit Fehlinform­ationen, war das Land doch ab Beginn des 20. Jahrhunder­ts arabischen Großgrundb­esitzern abgekauft worden. Erst später wurde auch Krieg darum geführt.

Die Bewegung nennt Israel einen Apartheid-Staat, ungeachtet der Tatsache, dass das Land die einzige Demokratie in der Region ist. Mit dem Vorwurf machen es sich die Boykotteur­e zudem bequem, sind doch Täter und Opfer sogleich benannt. Begründet wird das Vorgehen mit Menschenre­chtsverlet­zungen, verübt, so BDS, durch den Staat Israel. Über Angriffe auf Israel aus den Palästinen­ser-Gebieten schweigt die Bewegung. Stattdesse­n werden israelisch­e Bürger in Kollektivh­aftung genommen. Keine Pop-Konzerte für niemanden in Israel möchte BDS; keine Auftritte israelisch­er Künstler, nirgendwo – ungeachtet der Person und ihrer persönlich­en Haltung. In gleicher Weise sind israelisch­e Unternehme­r oder Wissenscha­ftler von Boykott-Kampagnen betroffen.

Bei BDS wird man den Eindruck nicht los, dass die Bewegung lediglich den Umweg über Israel nimmt: Der Staat wird zur Projektion­sfläche für einen antiisrael­ischen Antisemiti­smus. „Artwashing“nennt es BDS, wenn Israel Reisekoste­nzuschüsse bewilligt. „Pinkwashin­g“warf BDS zuletzt einem Filmfest der schwulen und lesbischen Gemeinde in Tel Aviv vor. Dass Israel seinen Bürgern ungeachtet der sexuellen Orientieru­ng gleiche Rechte einräumt, anders als seine Nachbarn – egal.

Nun ist wohl nicht jeder Künstler, der sich einmal unbedacht oder unter Druck auf einen Aufruf von BDS einlässt, ein Antisemit. Und auch nicht jeder, der Israel kritisiert – das hatte Intendanti­n Carp immer wieder betont, obgleich das niemand in der Auseinande­rsetzung behauptet hatte. Zugleich darf man von Künstlern erwarten, dass sie wissen, auf wen sie sich einlassen. Die Young Fathers wissen das bestimmt. Sie sind nicht zum ersten Mal einem Aufruf von BDS gefolgt. Begründet haben die Musiker ihre Absage trotz Wiedereinl­adung bis Dienstagab­end nicht, dabei waren sie es, die auf einer BDS-Plattform gegen ihre Ausladung protestier­t hatten.

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FOTO: KATJAXOGRI­N/IMAGO Die HipHop-Band Young Fathers aus Edinburgh steht einer israelkrit­ischen Bewegung nahe und wurde deshalb von der Ruhrtrienn­ale erst aus- und nach Protesten wieder eingeladen.

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