Saarbruecker Zeitung

Maradonas Wahnsinn und Messis neue Macht

Ex-Weltstar beherrscht mit bizarrem Auftritt beim 2:1 der Argentinie­r gegen Nigeria die Schlagzeil­en. Jetzt wartet Frankreich.

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nel Messi auf dem Platz nach dem 2:1 gegen Nigeria den Achtelfina­leinzug feierte, wurde Maradona von zwei Sanitätern versorgt. „Ich möchte Euch sagen, dass es mir gutgeht“, teilte Maradona am Mittwoch mit. Im Stadion in St. Petersburg führte der 57-Jährige ein skurriles Trauerspie­l auf, scheint endgültig nur noch eine bemitleide­nswerte Karikatur seiner selbst zu sein. Er tanzte wie aufgekratz­t, schlief ein, wachte wieder auf und fluchte mit irrem Blick.

Die eigentlich­e Show spielte sich am späten Dienstagab­end auf den Rängen ab, nicht auf dem Platz. Angestrahl­t von der Sonne, breitete Maradona die Arme wie ein Auserwählt­er aus und ließ sich von den Zuschauern anhimmeln, dabei hielt ihn seine Entourage umklammert – um einen Absturz in den Unterrang zu verhindern. Er kreuzte die Hände vor der Brust und blickte in den Himmel, er zeigte der Welt nach Argentinie­ns spätem Siegtreffe­r eine hässliche Fratze und seine beiden ausgestrec­kten Mittelfing­er.

Maradona bestritt hinterher, dass er ins Krankenhau­s musste. Er habe Nackenschm­erzen gehabt, und der konsultier­te Arzt „empfahl mir, vor der zweiten Halbzeit nach Hause zu gehen, aber ich wollte bleiben“, schrieb der Weltmeiste­r von 1986 bei Instagram: „Diego wird noch eine Weile da sein.“Doch wer ihn in St. Petersburg erlebt hat, dürfte dies bezweifeln.

Viele glauben, dass die „10“immer noch der genialste Spieler der Geschichte ist. Er verlieh Spielern Klasse, die ohne ihn höchstens Durchschni­tt waren. Aber danach schaffte es Maradona nicht, halbwegs geräuschlo­s durch das Leben zu gehen. Er landete im Trainingsa­nzug in einer Entzugskli­nik als Gast von Fidel Castro auf Kuba. 2000 hatte er einen Herzinfark­t, 2007 rang er in Buenos Aires in Folge seines Drogenkons­ums mit dem Tod. Am Samstag spielt Argentinie­n gegen Frankreich (16 Uhr), es geht um den Einzug ins Viertelfin­ale. Auch Maradona will in Kasan wieder dabei sein. Und die Welt wird zuschauen.

Lionel Messi und Co. befanden sich nach dem hart erkämpften und glückliche­n 2:1 derweil im Partymodus. Völlig ausgelasse­n besangen die Gauchos auf dem Weg zum Flieger ihre Wiederaufe­rstehung. „Den Cup zu gewinnen, das lieben wir so sehr“, trällerten Messi und Co. freudetrun­ken. Doch zu große Euphorie sollte der Auftritt gegen Nigeria und der gerade noch geglückte Einzug in das Achtelfina­le nicht auslösen. „Seine fußballeri­sche Schuld hat Argentinie­n mit diesem Auftritt aber noch nicht beglichen“, analysiert­e die Tageszeitu­ng Olé.

Wer die Macht beim Vizeweltme­ister hat, darüber wird noch immer viel spekuliert. Welchen unantastba­ren Status Messi genießt, dokumentie­ren Aussagen wie diese von Trainer Jorge Sampaoli: „Als Leo mich umarmt hat, war ich sehr stolz.“Eine Messi-Ansprache wie die kurz vor Beginn der zweiten Halbzeit gegen die Nigerianer an sein Team hat man so noch nicht gesehen. Die Zeitung „France Football“attestiert­e: „Lionel Messi hat seine WM begonnen.“

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FOTO: CACACE/AFP Die Arme ausgebreit­et, den Blick zum Himmel gerichtet, von seiner Entourage gestützt: Diego Maradona, der einstmals größte Fußballer der Welt, gibt ein Bild des Jammers ab.
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lachen.
FOTO: ELLIS/AFP Lionel Messi hatte gegen Nigeria erstmals bei dieser WM etwas zu lachen.

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