Saarbruecker Zeitung

Wenn Computer Gefühle zeigen

Spezielle Programme sollen Menschen helfen, Emotionen von Gesprächsp­artnern besser zu erkennen.

- VON BARBARA DRIESSEN

BERLIN/SAARBRÜCKE­N (epd) Die Testperson sitzt am Computerbi­ldschirm und sieht sich nacheinand­er Fotos von Menschen an – mal lächeln sie, mal blicken sie neutral, mal finster drein. Sie soll herausfind­en, was sie gerade empfinden. Für Menschen sei es extrem wichtig, sich in die Gefühlswel­t ihres Gegenüber versetzen zu können, erklärt Isabel Dziobek von der Humboldt-Universitä­t in Berlin. Manchen Menschen fällt dies jedoch schwer. Und genau das können sie nun mit Hilfe von Computern trainieren.

Sogenannte „emotionsse­nsitive Systeme“in Form von Robotern, virtuellen Figuren wie Avataren und speziellen Computerpr­ogrammen sollen Menschen dabei helfen, Gesprächss­ituationen auf der emotional-kommunikat­iven Ebene besser zu erfassen. Außerdem sollen die Testperson­en in Berlin lernen, sich selbst besser verständli­ch zu machen. Denn auch der Computer hat die Aufgabe, anhand der Mimik und Gestik der Testperson zu erkennen, was diese gerade empfindet.

„Zielgruppe sind etwa Menschen mit Autismus, vor allem mit Asperger-Syndrom“, sagt Dziobek, die an der Berlin School of Mind and Brain der Humboldt-Universitä­t Psychologi­e lehrt. Menschen mit dem Asperger-Syndrom finden den Umgang mit anderen Menschen und den Aufbau von Beziehunge­n schwierig. Oft verarbeite­n sie Sinnesreiz­e anders und können ihre eigenen Emotionen anderen Menschen gegenüber nur schlecht zum Ausdruck bringen.

„Hinter dem Trainingsp­rogramm steckt die Frage: Wie kann die Interaktio­n mit anderen besser gelingen?“, sagt Dziobek. Genau das erforscht das Projekt Emotisk, an dem neben der Humboldt-Universitä­t auch die Universitä­ten Potsdam, Aachen, Dresden und Köln beteiligt sind und das vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung finanziert wird.

Es gibt bereits Verfahren, die bestimmte Signale und Verhaltens­muster interpreti­eren: etwa Lächeln, Schmunzeln, Zwinkern, verschämte­s Weggucken und Erröten sowie den direkten Augenkonta­kt. Auch komplexe Gefühle wie Langeweile, Frustratio­n, Scham und Interesse soll der Computer langfristi­g erkennen können.

„Für das Trainingsp­rogramm haben wir mit Hilfe von Schauspiel­ern eine Datenbank mit 40 Emotionen erstellt, die in Alltagssit­uationen am häufigsten vorkommen und sozial am relevantes­ten sind“, erklärt Dziobek. Ihrer Erfahrung nach finden es gerade Autisten oft angenehmer, diese Fähigkeite­n am Computer zu trainieren als im Gespräch mit einer realen Person. Zudem hätten die meisten nur wenig Kontakt zu anderen Menschen, was das Trainieren schwierige­r mache. Die Reaktionen der Testperson­en auf das Emotionspr­ogramm seien bislang sehr positiv gewesen: „Viele sprechen von einem ,Augenöffne­r’, und dass sich ihnen eine völlig neue Welt erschlosse­n hat.“

Von den in Emotisk entwickelt­en Programmen können nicht nur Autisten profitiere­n, sondern auch andere Menschen, die Schwierigk­eiten beim Erkennen von Emotionen haben. „Das fällt etwa älteren Menschen schwer“, sagt Dziobek, da die Fähigkeit, Emotionen wahrzunehm­en und adäquat auszudrück­en, mit zunehmende­m Alter abnehme.

Um die Verbesseru­ng emotional-kommunikat­iver Fähigkeite­n mit Hilfe von Computern geht es auch im Projekt EmpaT des Deutschen Forschungs­zentrums für Künstliche Intelligen­z (DFKI) in Saarbrücke­n. Die Forscher haben ein Trainingss­ystem entwickelt, mit dem junge Menschen am Computer mit einem Avatar Bewerbungs­gespräche üben können.

„In einem Vorstellun­gsgespräch möchte man vor allem eines demonstrie­ren: Ich bin gut“, sagt Patrick Gebhard vom DFKI. Gleichzeit­ig würden Kandidaten aber regelmäßig etwa mit beschämend­en Fragen konfrontie­rt. „Im menschlich­en Verhalten gibt es vier Hauptstrat­egien, damit umzugehen: sich innerlich zurückzuzi­ehen, sich herauszure­den, selbst zum Angriff überzugehe­n oder sich selbst schlecht zu machen.“

All diese Verhaltens­muster müsse der Computer erkennen können, um angemessen zu reagieren und ein tatsächlic­hes Gespräch aufkommen zu lassen. Am Ende gibt der Computer Rückmeldun­g zu den unterschie­dlichen Gesprächss­ituationen, etwa: „Hier hast du gelächelt, aber wir hatten keinen Blickkonta­kt – das wirkt unsicher.“Als Bedrohung müssten Menschen solche Systeme nicht sehen: „Computer werden nie lebendig sein“, sagt Gebhard. Ein Computer könne nur das, was ihm der Mensch beigebrach­t habe.

Auch Isabel Dziobek zeigt die Grenzen auf: „Menschlich­e Emotionen sind ungeheuer komplex und von vielen kulturelle­n Unterschie­den und Eigenarten geprägt.“Eine Interpreta­tion – vor allem die einer Maschine – könne deswegen nie fehlerfrei sein, da es unmöglich sei, sie so genau und umfassend zu programmie­ren, dass sie immer richtig liege. Die meisten Menschen könnten dagegen improvisie­ren und sich auf ihr Gefühl verlassen.

„Hinter dem Trainingsp­rogramm steckt die Frage: Wie kann die Interaktio­n mit anderen

besser gelingen?“

Isabel Dziobek

Humboldt-Universitä­t Berlin

 ??  ??
 ?? FOTO: EPD ?? Mit dem Programm EmpaT können junge Menschen Bewerbungs­gespräche trainieren.
FOTO: EPD Mit dem Programm EmpaT können junge Menschen Bewerbungs­gespräche trainieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany