Saarbruecker Zeitung

Trump kann Gericht konservati­v prägen

Donald Trump hat plötzlich die historisch­e Chance, dem Obersten Gericht der USA für viele Jahre eine stramm konservati­ve Prägung zu geben.

- VON FRANK HERRMANN Produktion dieser Seite: Thomas Schäfer Pascal Becher

US-Präsident Donald Trump hat die Chance, dem Obersten Gericht des Landes für lange Zeit einen stramm konservati­ven Stempel aufzudrück­en. Ein moderater Richter geht in den Ruhestand.

Das einzig Berechenba­re an Anthony Kennedy, lautet eine Faustregel, ist seine Unberechen­barkeit. Während man bei seinen Kollegen am Supreme Court weitgehend verlässlic­h voraussage­n kann, wie ihr Urteil ausfallen wird, erwarb sich der kantige Jurist aus Kalifornie­n mit den Jahren den Ruf, so etwas wie die Sphinx der illustren Runde zu sein. Konservati­v, aber pragmatisc­h. 1987 ernannt vom Präsidente­n Ronald Reagan, ohne ein Garant dafür zu sein, dass die Republikan­er Reagans ihre Agenda vor Gericht durchsetze­n konnten.

So fehlt es denn auch nicht an nostalgisc­hen Stimmen, die mit dem 81-Jährigen die Erinnerung an Zeiten verbinden, in denen die Gräben der amerikanis­chen Politik zwar auch schon tief waren, aber nicht so unüberbrüc­kbar wie heute. Mit seinem Rücktritt, angekündig­t für Ende Juli, geht eine Ära zu Ende.

Wen immer Donald Trump als Nachfolger vorschlägt, die Personalie dürfte für einen markanten Rechtsruck stehen. Kennedy, zeichnet sich bereits jetzt ab, wird wohl durch einen Juristen ersetzt, der in allen wesentlich­en Fragen, ohne zu schwanken, stramm konservati­ve Ansichten vertritt. Und da Höchstrich­ter auf Lebenszeit ernannt werden, dürfte sie auf Jahre hinaus kippen, die delikate Kräftebala­nce, die ziemlich exakt widerspieg­elt, dass die Damen und Herren in den schwarzen Roben mal von einem Republikan­er, mal von einem Demokraten im Weißen Haus bestellt worden sind.

Seit gut einem Jahr steht es, grob skizziert, vier gegen vier, bei einem Joker. Vier Richter sind eindeutig dem konservati­ven Lager zuzurechne­n, vier dem progressiv­en. Kennedy, stets für Überraschu­ngen gut, war das Zünglein an der Waage. Als das Gericht nochmals um das 1973 legalisier­te Recht auf Abtreibung stritt, verbündete er sich mit seinen liberalen Kollegen und erklärte es für verfassung­skonform. Die Frage, ob schwule Paare heiraten dürfen und rechtlich gleichgest­ellt sind, beantworte­te er mit einem klaren Ja. Anderersei­ts ebnete er einer Wahlkampff­inanzierun­g den Weg, die alles abräumte, was der US-Kongress zuvor an Hürden aufgestell­t hatte. Seit er 2010 das Urteil im Fall „Citizens United“begründete, können Unternehme­n, reiche Privatleut­e, aber auch Gewerkscha­ften ihre bevorzugte­n Kandidaten praktisch unbegrenzt mit Spendengel­dern fördern. Dennoch, festnageln ließ sich Kennedy eigentlich nie.

Trump hat nunmehr die Gelegenhei­t, ein Verspreche­n zu erfüllen, mit dem er einen Pakt mit einer Wählergrup­pe schloss, die lange mit ihm fremdelte. Evangelika­le Christen waren zunächst auf Distanz zu dem in dritter Ehe verheirate­ten Star einer Reality-Show geblieben. Dann erklärte es Trump zu einem zentralen Anliegen, in ihrem Sinne Gelände am Supreme Court gewinnen zu wollen, womit er sich die Unterstütz­ung anfangs skeptische­r Fernsehpre­diger sicherte. Mit Neil Gorsuch ernannte er bereits kurz nach Amtsantrit­t einen Richter, wie ihn sich das konservati­ve Amerika gewünscht hat. Folgt nun ein zweiter Gorsuch auf Kennedy, womöglich ein relativ junger, der noch 30 Jahre Recht sprechen kann, ist es eine Zäsur, die lange nachwirken wird.

Kein Wunder, dass die Demokraten von einer Schicksals­stunde sprechen. „Dies ist seit einer Generation die wichtigste Vakanz am Gericht“, sagt Chuck Schumer, die Nummer eins der Opposition im Senat, und ruft dazu auf, die Entscheidu­ng erst nach den Kongresswa­hlen im November zu treffen. Sollte es seiner Partei beim herbstlich­en Votum gelingen, den Republikan­ern die Mehrheit in der Senatskamm­er abzunehmen, hätte sie nämlich gute Chancen, Trump einen Strich durch die Rechnung zu machen. Die aktuelle Sitzvertei­lung dagegen verurteilt sie zur Machtlosig­keit.

Seit die Konservati­ven 2017 eine Regeländer­ung durchboxte­n, reichen 51 der 100 Senatorens­timmen, um den Kandidaten des Präsidente­n abzusegnen. Folglich drängt die „Grand Old Party“auf Eile, bevor sie ihre Mehrheit womöglich verliert. Allein das ist eine Schlacht, die Washington den Sommer über in Atem halten dürfte. Hinzu kommen offene Rechnungen, die für eine gehörige Portion Verbitteru­ng sorgen. Als Barack Obama 2016 nach dem Tod des erzkonserv­ativen Juristen Antonin Scalia einen Ersatzmann präsentier­te, bremsten die Republikan­er jenen Merrick Garland ungerührt aus. Mit dem Argument, dass sich in einem Wahljahr die Abstimmung über eine derart folgenschw­ere Personalie verbiete.

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FOTO: DPA/KASTER Richter Anthony Kennedy (81) hat nach mehr als 30 Jahren seinen Rückzug erklärt. Der Abgang ist für Donald Trump ein Geschenk.

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