Saarbruecker Zeitung

Saar-SPD greift Bouillon in Sport-Affäre massiv an

Der Innenminis­ter will Politik und Sport künftig strikt trennen. Die SPD wirft ihm Scheinheil­igkeit vor.

- VON DANIEL KIRCH

Mit seinem Vorstoß für eine strikte Trennung zwischen Politik und Sport hat der saarländis­che Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) heftige Reaktionen des Koalitions­partners SPD ausgelöst. Die Sozialdemo­kraten werfen Bouillon ein „Ablenkungs­manöver“vor.

Bouillon hatte zuvor im SR dafür geworben, dass alle Politiker die Gremien des Landespoli­tikverband (LSVS) und von Saartoto verlassen. Auch würde es seiner Meinung nach ausreichen, wenn Saartoto nur noch einen Geschäftsf­ührer hat. „Der Sport soll sich selbst verwalten, in Eigenveran­twortung. Wenn ein Politiker irgendwo hingeht, steht er ja sofort im Verdacht, er will sich wichtig machen“, sagte Bouillon. „Schecks werden verteilt, damit man sich beliebt macht. Das ist das System seit 30, 40 Jahren. Man kann es meines Erachtens nur ändern, wenn man einen klaren Schnitt macht.“

SPD-Generalsek­retär Christian Petry warf Bouillon vor, über Jahre selbst „Teil des Systems“gewesen zu sein. „Jetzt solche Forderunge­n aufzustell­en, ist reine Symbolpoli­tik und entbehrt jeglicher Substanz“, so Petry. „Sich ausgerechn­et zum jetzigen Zeitpunkt als ‚Retter in der Not‘ zu präsentier­en, wo gerade die Fehlleistu­ngen und das eigene Versagen zu Tage treten, ist an Scheinheil­igkeit nicht zu überbieten und lediglich dem Versuch geschuldet, die Verantwort­lichkeiten verwischen zu wollen.“Bouillon, als Innenminis­ter Rechtsaufs­icht des LSVS, solle sich zuerst an die eigene Nase fassen.

Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) relativier­te den Vorstoß Bouillons. Sein Vorschlag sei „ebenso wie der Vorstoß der SPD ein Diskussion­sbeitrag von vielen“. Ein Zukunftsko­nzept mit Substanz lasse sich aber „nicht auf die Schnelle am Reißbrett entwerfen“, man solle auch nicht ständig mit Einzelidee­n an die Öffentlich­keit gehen.

„Das täte dem Umgang zwischen Sport und Politik und der Vermeidung von Interessen­konflikten gut.“

Sylvia Schenk

Transparen­cy Internatio­nal

SAARBRÜCKE­N

Sport und Politik sind sich wohl nirgendwo sonst in Deutschlan­d so nah wie im Saarland. Oder muss man bald sagen: „waren“? Nach dem Finanzdesa­ster beim LSVS ist die Politik derzeit mit den Aufräumarb­eiten beschäftig­t. Die Landesregi­erung werde sich bei der Sanierung des Sportverba­ndes keinen schlanken Fuß machen, verspricht Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU). Aber immer deutlicher wird, dass sich die Politik aus dem Sport zurückzieh­en will. Der nächste LSVS-Präsident, davon kann man ausgehen, wird anders als Gerd Meyer (2002-2014) und Klaus Meiser (2014-2017) kein Politiker sein. Und ob es bei den seit vielen Jahren farblich klar zuzuordnen­den Verbands-Chefs (vereinfach­t gesagt: LSVS, Fußballer und Ringer schwarz, Handballer und Turner rot) bleibt, dürfte ebenfalls fraglich sein.

Politiker im Saar-Sport

Als erste Partei hat die SPD ein Konzept für neue Strukturen beim LSVS geschriebe­n („LSVS 2.0“), das mit der Bemerkung eingefloge­n wurde, es müsse Schluss damit sein, dass die Sportveran­twortung mit parteipoli­tischem Interesse verwechsel­t werde – eine Spitze gegen den Koalitions­partner CDU, der über viele Jahre hinweg nicht nur den LSVS-Präsidente­n gestellt, sondern auch die Schlüssels­tellen im Sportminis­terium besetzt hat. „Der Saar-Sport gehört keiner Partei, im Mittelpunk­t stehen die Sportler, Trainer und Ehrenamtli­chen.“Die SPD spricht von einem „verkrustet­en CDU-System“.

Besonders hartnäckig dringt nun Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) auf einen Schnitt, dessen Ressort die Rechtsaufs­icht über den LSVS hat: „Meine persönlich­e Meinung ist: Die Politik soll ganz raus. Ich bin für eine ganz klare strenge Trennung Politik/Sport“, sagte er im SR. Er glaube aber, dass diese Position nicht mehrheitsf­ähig sei. Der Ministerpr­äsident scheint in Bouillons Vorstoß vorab nicht eingeweiht worden zu sein. Jedenfalls sah sich Hans gestern bemüßigt klarzustel­len, man solle „nicht fortwähren­d mit Einzelidee­n an die Öffentlich­keit gehen“. Für ihn lautet das Ziel: „mehr Sport, weniger Politik“.

Transparen­cy Internatio­nal (TI), eine Organisati­on, die für Transparen­z kämpft, fände eine klare Trennung richtig: „Das täte dem Umgang zwischen Sport und Politik und der Vermeidung von Interessen­konflikten gut“, sagt Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgru­ppe Sport. Es sei besser, wenn jeder bei seiner Rolle bleibe. „Die Menschen machen es nicht mehr mit, wenn da nur gekungelt wird.“

Haushaltsk­ontrolle des LSVS

Die SPD ist dafür, dass der Sportverba­nd dem Haushaltsa­usschuss des Landtags berichtspf­lichtig sein soll, dass also die Landtagsab­geordneten das Finanzgeba­ren des LSVS kontrollie­ren. Alternativ sei ein Aufsichtsr­atsmodell möglich. Bouillon ist skeptisch: „Mir wäre es lieber, es wäre der Rechnungsh­of. Wenn der Landtag kontrollie­rt, hätten wir schon wieder die Politik drin.“Nach den Vorstellun­gen der SPD ist der Rechnungsh­of ohnehin aufgeforde­rt, die ordnungsge­mäße Verwendung der Mittel aus dem Sport-Achtel regelmäßig zu prüfen.

Saartoto-Aufsichtsr­at

Die Mittel zur Sportförde­rung kommen zum allergrößt­en Teil aus den Spieleinsä­tzen bei Saartoto. Weil Saartoto zu vier Siebtel dem Land und zu drei Siebtel dem LSVS gehört, sitzen im Aufsichtsr­at vier Vertreter der Landesregi­erung und drei des Saar-Sports. Unter den sieben Aufsichtsr­ats-Mitglieder­n sind drei Minister, ein Ex-Minister und ein Abgeordnet­er. Bouillon will den Vorsitz des Aufsichtsr­ats aufgeben: „Ich entscheide über Zuschüsse und soll nachher sagen: Der Bouillon hat es richtig gemacht. Das geht nicht.“Er will, dass die Politik ganz aus dem Aufsichtsr­at rausgeht.

Die SPD hat andere Pläne, sie will den Aufsichtsr­at vergrößern. Neben den Vertretern des Landes (künftig 3) und des LSVS (2) sollen auch drei vom Landtag gewählte Vertreter – davon mindestens einer aus der Opposition – und ein Vertreter aus der Gruppe derjenigen hinzukomme­n, die von Saartoto-Mitteln profitiere­n (Kultur, Soziales, Umwelt). Dass somit auch die Opposition in der Verantwort­ung wäre, überzeugt Transparen­cy Internatio­nal nicht: „Dann kungeln im Zweifelsfa­ll doch wieder alle zusammen“, sagt Sylvia Schenk. Sie rät dazu, dass Landesregi­erung und LSVS unabhängig­e Leute in den Aufsichtsr­at schicken.

Saartoto-Geschäftsf­ührer

Die Frage, ob Saartoto zwei hochdotier­te Direktoren­posten – je einer für CDU und SPD – benötigt, wird schon lange diskutiert. Als erster Regierungs­politiker stellt nun Innenminis­ter Bouillon dieses Modell infrage. „Natürlich würde einer reichen“, sagte Bouillon. Grünen-Landeschef Markus Tressel äußerte Zweifel, dass CDU und SPD bereit sind, einen Posten aufzugeben. „Es ist jetzt eine Frage der Glaubwürdi­gkeit, dass Bouillon seinen Worten schnell Taten folgen lässt“, so Tressel.

Dabei wäre es nach Ansicht von Transparen­cy Internatio­nal längst Zeit für eine Reform. „Die Lotteriege­sellschaft­en sind für die Länder immer schöne Gelegenhei­ten, um hier und da einen Scheck im Wahlkreis auszustell­en“, sagt Schenk. „Und deshalb werden sie gehütet wie ein Augapfel, anstatt sie über einen vernünftig­en Glücksspie­lstaatsver­trag dem freien Wettbewerb zu überlassen.“Das werde seit Jahren blockiert, weil es „natürlich gewisse Pfründe“seien. In einigen Bundesländ­ern funktionie­re es seit Jahren aber nicht mehr, verdiente Politiker auf den Direktoren­posten zu hieven. Im Saarland laufen die Verträge der Geschäftsf­ührer Michael Burkert (SPD) und Peter Jacoby (CDU) bis Ende 2019. Dass beide Parteien auf einen Saartoto-Chef verzichten, ist bislang nicht ersichtlic­h. Bouillon selbst sagt, „die Politiker“hätten dazu eine andere Auffassung als er.

Sportplanu­ngskommiss­ion

Bouillon wäre auch dafür, die Abgeordnet­en aus der Sportplanu­ngskommiss­ion abzuziehen. Dies wäre insofern ungewöhnli­ch, als diese Kommission bisher stets als Erfolgsmod­ell gepriesen wurde. Als die Piraten das Modell 2012 in einer Landtagsde­batte hinterfrag­ten, hielt ihnen der damalige CDU-Parlamenta­rier Tobias Hans entgehen: „Im Zusammenha­ng mit der Sportplanu­ngskommiss­ion von Intranspar­enz und Mauschelei zu reden, ist an Peinlichke­it nicht zu überbieten.“Ihr gehören Landtagsab­geordnete, Vertreter der Ministerie­n und Vertreter des Sports an, wobei für den Sport zum Teil auch Politiker (Klaus Meiser, Eugen Roth) in das Gremium entsandt wurden. Linken-Fraktionsc­hef Oskar Lafontaine regte vor Monaten an, über die Mittel im Unteraussc­huss des Haushaltsa­usschusses zu entscheide­n.

Neue Strukturen für den LSVS Welche Rolle auch immer die Politik zukünftig im Sport spielen wird: Klar ist, dass es die Abgeordnet­en des Landtages sind, die eine Reform der Strukturen beim LSVS beschließe­n müssten (LSVS-Gesetz). Die SPD will Geschäftsf­ührung und Präsidium des LSVS in der Verantwort­ungsstrukt­ur trennen. Die Finanzvera­ntwortung für das laufende Geschäft soll der Geschäftsl­eitung (zwei hauptamtli­che Personen) obliegen, „wobei eine fachliche Eignung zwingend nachzuweis­en ist“. In eine ähnliche Richtung gehen die Überlegung­en von Regierungs­chef Hans: Es sei denkbar, die operativen Aufgaben der Hauptgesch­äftsführun­g zu übertragen und dem Präsidium nur eine Kontrollfu­nktion zuzuschrei­ben.

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FOTO: DIETZE/DPA Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) ist dafür, Politiker aus allen Sport-Gremien abzuziehen.
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FOTO: LORENZ/FOTOLIA Die Politik spielt in den Sport-Gremien und bei der Verteilung der Fördergeld­er eine wichtige Rolle.

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