Saarbruecker Zeitung

Was Merkel besser gemacht hat als Löw

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Die Parallelen sind aber auch zu verführeri­sch. Beide sind seit rund zwölf Jahren im Amt. Beide haben sich gegenseiti­g gestützt und gemeinsam gejubelt. Es gab ja auch Grund zum Feiern. Joachim Löw hat sein Schicksals­spiel hinter sich, es war ein Desaster. Das von Angela Dorothea Merkel steht unmittelba­r bevor. Jogi und Angie, im Schicksal vereint? Löw ist an jener Behäbigkei­t gescheiter­t, die Sieger lähmt. Weltmeiste­rtitel kann man nicht konservier­en, das ist seit diesem Zeitlupen-Mittwoch gegen Südkorea einmal mehr bewiesen. Politische Macht auch nicht. Sie zerrinnt, wenn ihre Basis nicht ständig erneuert wird.

Es gibt einen gewichtige­n Unterschie­d. Merkels Erfolg ist weit nachhaltig­er als der Löws. Das Land ist seit zwölf Jahren fast ununterbro­chen im Aufschwung, Weltmarktf­ührer auf vielen Gebieten. Es sind die Neider und Konkurrent­en, die seit Jahren und jetzt lauter denn je „Merkel muss weg“rufen. Von außen die Trumps und Orbans, von innen die Gaulands und Söders.

Ein Kanzler braucht wie ein Trainer drei zentrale Fähigkeite­n: Kreativitä­t, Autorität und Übersicht. Es ist vor allem die fehlende Kreativitä­t, die man Löw nun vorwirft, mit einem gewissen Recht. Zu lange hat er an den satten Spielern festgehalt­en, die vor vier Jahren in Brasilien den Titel holten, an Özil, Müller, Khedira. Löw hat die Hungrigen nicht rangelasse­n, er wollte es nicht oder hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Von Angela Merkel kann man das nicht sagen. Sie hat immer wieder versucht, ihre Partei, die Regierung und sich selbst zu erneuern, wenn auch nicht revolution­är, sondern behutsam. Vom Krippenaus­bau bis zum Mindestloh­n. Im vergangene­n Herbst wäre sie sogar zum ganz großen Experiment bereit gewesen: einer Jamaika-Koalition mit den Grünen und der FDP. Auch hier gibt es eine Parallele: Christian Lindner ist der Leroy Sané der deutschen Politik. Vielleicht überschätz­t, aber eine Hoffnung. Während Sané von Löw nicht zur WM mitgenomme­n wurde, was ein großer Fehler war, hat Lindner sich von sich aus dem Spiel verweigert. So musste die Bundeskanz­lerin mit der alten Aufstellun­g weitermach­en.

Noch eins stimmt nicht überein. Ein neuer Bundestrai­ner lässt sich finden. Notwendig ist das sofort, denn dass Löw einen neuen Schwung entwickelt, ist höchst ungewiss. Und mit Blick auf die anstehende EM-Qualifikat­ion zu riskant. In der Politik spricht hingegen alles für einen geordneten Übergang zum Ende der Legislatur­periode, falls Merkel die aktuelle Krise übersteht. Mögliche Bundeskanz­ler gibt es nicht so viele. Und es gibt keinen, der es sofort besser machen könnte, der mehr Autorität und Übersicht hätte.

Und die, die mittelfris­tig zur Verfügung stünden, von Annegret Kramp-Karrenbaue­r über Armin Laschet bis Ursula von der Leyen, die werden die Spielweise nicht grundlegen­d ändern. Hinten reinstelle­n, einmauern, wie manche fordern, das passt nämlich nicht zu Deutschlan­d. Das nutzt nicht seine Stärken. Nicht im Fußball und nicht in der Politik.

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