Saarbruecker Zeitung

Italiens Total-Blockade stört die Harmonie beim EU-Gipfel

- VON DETLEF DREWES

So viel Harmonie hatte man beim EU-Gipfel gar nicht erwartet. Gleich reihenweis­e sprangen Europas Staats- und Regierungs­chefs der deutschen Kanzlerin beiseite und versprache­n, praktikabl­e Regelungen für die Rücknahme von Flüchtling­en zu finden, die in einem anderen Land zuerst registrier­t wurden. Das würde Angela Merkel (CDU) helfen, die Koalitions­krise mit der CSU beizulegen. So steuerte das Spitzentre­ffen am gestrigen Abend fast schon gut gelaunt auf den Höhepunkt der Beratungen zu: die Asylpoliti­k.

Doch der Frieden war trügerisch. Italiens Ministerpr­äsident Giuseppe Conte sorgte für einen handfesten Eklat. Bei der Abstimmung über die ersten Themen Handel, Zusammenar­beit mit der Nato und Wettbewerb verweigert­e er seine Zustimmung. „Es ist erst alles beschlosse­n, wenn alles beschlosse­n ist“, sagte sein Sprecher. Soll heißen: Conte, der Chef einer Koalition von rechter Lega Nord und linker Fünf-Sterne-Bewegung in Rom, wollte die Partner zwingen, seinem Land in Sachen Flüchtling­en zu helfen. Ansonsten werde er bei seinem Veto gegen alle Beschlüsse bleiben, hieß es. Der Gipfel wäre gescheiter­t.

Spätestens da war klar, dass das Konzept von Ratspräsid­ent Donald Tusk für mehr Schutz der Außengrenz­en und Auffangzen­tren in Nachbarlän­dern außerhalb der EU keineswegs glatt durchmarsc­hieren würde. Conte hatte bereits am Sonntag beim Mini-Gipfel seinen ZehnPunkte-Plan eingebrach­t und auf Annahme gepocht. Wichtigste Forderung: Solidaritä­t unter den Mitgliedst­aaten – konkret: Bereitscha­ft zur Entlastung Italiens durch Übernahme von Flüchtling­en, die über das Mittelmeer angekommen waren. Dabei hatten sich die übrigen Staats- und Regierungs­chefs von Anfang an um eine gemeinsame Linie bemüht. „Wenn wir die primäre Migration durch bessere Kontrolle unserer Außengrenz­en in den Griff bekommen“, sagte der niederländ­ische Regierungs­chef Mark Rutte, „wird ein Kompromiss zur sekundären Migration (Verteilung von Asylbewerb­ern innerhalb der EU, Anm. d. Red.) einfacher.“Der österreich­ische Kanzler Sebastian Kurz meinte sogar, der „entschloss­ene Schutz“der Außengrenz­en und die geplanten „Anlandezen­tren“, wie die Auffangein­richtungen außerhalb der EU nun offiziell genannt werden, „ändern alles“. Das sei eine „grundlegen­de Wende in der Asylpoliti­k“.

Davon war am Abend aber nicht mehr viel zu erkennen. Dabei sollte das Migrations­thema doch erst später aufgerufen werden.

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FOTO: ROGE/DPA Italiens Ministerpr­äsident Giuseppe Conte sorgte gestern Abend in Brüssel für einen Eklat.

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