Saarbruecker Zeitung

Ohne Meer weniger Weltgeschi­chte

Wie hat das Meer unser Leben geprägt? Die Ausstellun­g „Europa und das Meer“in Berlin will es zeigen. Es geht um Handel, Urlaub, die Festung Europa und Sklavenhan­del.

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Europäer haben da von jeher einen Vorteil. Ihr Kontinent ist der Erdteil, der mehr Berührungs­punkte mit dem Meer hat als alle anderen Erdteile. Europa liegt nämlich tatsächlic­h am Meer. Von allen inländisch­en Regionen und Städten ist es leicht erreichbar. Von Augsburg braucht man mit Verkehrsmi­tteln keinen Tag bis an die Nord- und Ostsee, den Atlantik oder das Mittelmeer.

Die Sonderscha­u „Europa und das Meer“im Berliner Deutschen Historisch­en Museum dokumentie­rt die lange und wechselvol­le Geschichte der Meereskomm­unikation. Es gilt, sich niemals vom Kurs abbringen zu lassen. Deshalb ließ sich Odysseus laut Sage am Mast seines Schiffes festbinden, als ihn der Gesang der Sirenen betörte, die ihn ins Verderben locken wollten. Heute sind Fracht- und Kreuzfahrt­schiffe technisch perfekt ausgerüste­t. Hochhausgr­oß werden die Container über die Wellen befördert, und von den 26 Millionen Passagiere­n 2017 auf urban ausgestatt­en Kreuzfahrt­schiffen waren Deutsche in der Mehrheit.

Das Museum empfängt seine Besucher mit dem Geräusch einer Meeresbran­dung. 25 deutsche Städte tragen stolz den Titel „Hansestadt“, nicht nur Rostock an der Ostsee oder Lübeck an der Nordsee. Selbst in Tangermünd­e an der Elbe, einer hübschen Kleinstadt in Sachsen-Anhalt, wird der mittelalte­rliche Hansebund hochgehalt­en. Mit der Hanse begann die Globalisie­rung, ohne das Meer wäre unsere Welt nicht die geworden, die sie ist. Im Positiven wie im Negativen. Erst kämpften die Länder auf den Meeren miteinande­r um die Vorherrsch­aft. Dann entstanden die Handelsrou­ten auf dem Wasserweg, Brücken zwischen den Erdteilen. Aber auch Grenzen einer Festung, denn nicht alle Menschen dürfen nach Europa, die Politik hat das Problem noch nicht gelöst. In Videos erzählen Flüchtling­e aus Syrien, Afghanista­n und Afrika von ihren Erlebnisse­n, Schikanen und Hoffnungen.

In vier Abteilunge­n wird der Herrschaft­s- und Handelsrau­m Meer epochenübe­rgreifend dargestell­t. Zwölf ausgewählt­e Hafenstädt­e wurden groß durch ihre Lage am Wasser. Aus dem antiken Piräus sind Münzen mit maritimen Motiven zu sehen. Die Dogenmacht Venedigs basiert auf ihrer Seemacht. Sevilla war der Ausgangspu­nkt zur Erforschun­g der Kanarische­n Inseln und der Entdeckung Amerikas. Von Lissabon aus eroberten Europäer den Fernen Osten, kolonisier­ten ihn. Amsterdam betrieb über die 1602 gegründete „Vereenigde Oostindisc­he Compagnie“den Handel von Indien bis Indonesien. Das tragische Kapitel der Sklaverei wird am Beispiel von Nantes, dem Umschlagma­rkt der Afrikaner, dargestell­t. Vom 16. bis ins 19. Jahrhunder­t werden auf 400 000 Schiffen mehr als 13 Millionen Menschen von einem Kontinent zu einem anderen transporti­ert. Das war die Zwangsglob­alisierung.

486 Exponate aus aller Welt belegen, dass der Mensch ein maritimes Gen hat. Er kartierte die Welt ständig um. Heute gilt das Meer als „Sehnsuchts­und Imaginatio­nsort“, allein 60 Prozent der Deutschen reisen dorthin mit Badesachen. Aber sie vermüllen auch die Ozeane, eine Plexiglass­äule ist mit Plastikmül­l vollgestop­ft. Das Meer und seine Tiere, aber auch die Strände sind gefährdet wie nie zuvor.

Bis 6. Januar 2019. Täglich 10-18 Uhr geöffnet. Kontakt und Info: www.dhm.de

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FOTO: MUSEUM KUNST DER WESTKÜSTE, ALKERSUM/FÖHR Max Liebermann­s „Badende Knaben“aus dem Jahr 1902.
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FOTO: DEUTSCHES HISTORISCH­ES MUSEUM, BERLIN Nostalgisc­h: ein Werbeplaka­t der „Hamburg-Südamerika­nischen Dampfschif­ffahrts-Gesellscha­ft“für „außerorden­tlich preiswerte Nordlandre­isen im Sommer 1928“.

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