Saarbruecker Zeitung

Luchterhan­d, ein NS-Musterbetr­ieb?

Hat sich der Luchterhan­d-Verlag zur Nazi-Zeit unrechtmäß­ig bereichert? Der Verlag selbst hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben. Eine eindeutige Antwort gibt sie nicht.

-

(dpa) Zur Rolle des Luchterhan­d-Verlags während der Nazi-Zeit gibt es nach mehrjährig­er historisch­er Forschung kein einheitlic­hes Bild. Es könne „zwei kontrovers­e Sichtweise­n auf die Verlagsges­chichte in der Zeit zwischen 1924 und 1947 geben“, schreiben die Autoren einer Studie zu „Luchterhan­d im Dritten Reich“, die jetzt in Leipzig vorgestell­t wurde.

Der Luchterhan­d Literaturv­erlag hatte die Untersuchu­ng selbst bei Leipziger Buchwissen­schaftlern in Auftrag gegeben und auch finanziell unterstütz­t. Hintergrun­d waren 2012 aufgekomme­ne Vorwürfe, Luchterhan­d könnte in seinen Gründungsj­ahren von der Unterdrück­ungspoliti­k der Nazis profitiert haben. Damals brachte der Verlag hauptsächl­ich juristisch­e Schriften heraus. Jahrzehnte später erfolgte eine Trennung des Fachverlag­s und des literarisc­hen Teils.

Im Kern ging es um den Kauf einer Berliner Druckerei im Jahr 1938 vom Eigentümer Otto Heinrich Scholz, der mit einer jüdischen Frau verlobt war und aus Deutschlan­d fliehen musste. Zunächst übernahm Luchterhan­d 50 Prozent der Anteile, 1941 brachte der Verlag auch die zweite Hälfte in seinen Besitz. Scholz erhob später Ansprüche auf Rückerstat­tung und einigte sich nach rund 20 Jahren Rechtsstre­it mit Luchterhan­d auf eine Vergleichs­zahlung.

Die Autoren der Studie -– Siegfried Lokatis, Sophie Kräußlich und Freya Leinemann – haben die Geschehnis­se sechs Jahre lang aufgearbei­tet. Es sei teilweise sehr schwierig gewesen, weil viele Dokumente während des Krieges abhanden kamen und später auch systematis­ch Spuren vernichtet worden seien. Gab es ein eindeutige­s Opfer, gab es einen eindeutige­n Täter – um diese Frage kreist die 224-seitige Untersuchu­ng. Die Antworten fallen weniger eindeutig aus. Die Autoren haben vielmehr nach eigener Auskunft die beiden Seiten gegenüberg­estellt, um „eine größtmögli­che Objektivit­ät“zu erreichen. Es gebe zumindest keine Belege dafür, dass Luchterhan­d ein „nationalso­zialistisc­her Musterbetr­ieb“gewesen sei, sagte Kräußlich.

Luchterhan­d-Verleger Georg Reuchlein sagte, er sei froh, dass die Geschichte zumindest teilweise erhellt worden sei. Allerdings müsse man feststelle­n, dass es die eine eindeutige Wahrheit nicht gebe. „Man muss sich damit abfinden, dass man die ganze Wahrheit nicht mehr herausfind­en wird“, sagte Reuchlein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany