Saarbruecker Zeitung

„Ich habe bis zur letzten Sekunde gehofft“

Die Engländeri­n Denise Hecktor ist enttäuscht, dass Deutschlan­d bei der WM ausgeschie­den ist. Jetzt aber freut sie sich, ihr Heimatland anzufeuern.

- VON JANA BOHLMANN Produktion dieser Seite: Alexander Mandersche­id Marcus Kalmes

Die Küche ist klein, aber praktisch. Das waren die ersten deutschen Worte, die die Engländeri­n Denise Hecktor gelernt hat. „Damit konnte ich im Saarland aber nichts anfangen“, erinnert sich die 66-Jährige – und lacht. Auf Saarländis­ch hört sich genau dieser eine Satz nämlich ganz anders an, sagt sie. „Ich habe auch mal jemanden aus Tholey kennengele­rnt und überhaupt nichts verstanden. Das war wie eine andere Sprache“, sagt Denise Hecktor, die aus Englands zweitgrößt­er Stadt Birmingham stammt.

Dass sie irgendwann mal in einem anderen Land leben würde, hätte die Engländeri­n nie gedacht. Den Drang, ihre Heimat zu verlassen und das Abenteuer im Ausland zu suchen, hatte sie nie. Nur einer Freundin zu liebe hat sie sich mit Anfang 20 bei der Nato beworben. „Mir war das gar nicht so wichtig. Meine Freundin hat mich gefragt, ob wir gemeinsam nach London fahren wollen, um uns zu bewerben“, erzählt Denise Hecktor: „Sie wollte unbedingt diesen einen Job in Belgien bekommen.“Doch die Freundin der Engländeri­n bekam eine Absage und Denise Hecktor eine Zusage. „Das war erst mal ein riesiger Schock für mich, ich wollte schließlic­h nie weg, aber dann dachte ich, dass ich es versuchen sollte.“

Und diese eine Entscheidu­ng war eine gute. Bei der Nato in Belgien war Denise Hecktor als Sekretärin tätig und verliebte sich dort in ihren jetzigen Mann, einen Saarländer. „Es war wirklich purer Zufall, dass wir im Saarland gelandet sind“, sagt die Engländeri­n. „Mein Mann wurde hierher versetzt. Ich wäre zwar auch gerne wieder zurück nach England gegangen, aber mein Mann war schließlic­h hier“, begründet die Rentnerin ihre Entscheidu­ng, Dudweiler zu ihrem Zuhause zu machen. Zufrieden ist sie in dem Saarbrücke­r Stadtteil. Hier hat sie sich viel aufgebaut, Freunde gefunden, eine Familie gegründet und das Saarland, den Fußball und den Karneval lieben gelernt.

„Meine ganze Familie ist fußballver­rückt“, erzählt Denise Hecktor, die mit ihrem Mann fast jeden Sonntag auf dem Fußballpla­tz verbringt. Dort feuerten sie vor vielen Jahren ihre Kinder an und jetzt auch die Enkelkinde­r. Und auch die WM verfolgt die fußballver­narrte Familie eifrig. Und das am liebsten zusammen im eigenen Garten. „Ich war schon sehr enttäuscht, dass Deutschlan­d rausgeflog­en ist. Ich habe bis zur letzten Sekunde gehofft, dass sie es doch noch irgendwie retten können“, sagt die Engländeri­n, die der deutschen Nationalel­f einen Sieg gewünscht hätte. „Natürlich war ich für Deutschlan­d, aber tief im Herzen bin ich auch für England“, erzählt sie weiter. Probleme gäbe es nur, wenn Deutschlan­d gegen England spielen müsse. „Da bin ich im Zwiespalt, welcher Mannschaft ich eher beihalten soll.“

Nach dem WM-Aus von Titelverte­idiger Deutschlan­d nach der 0:2-Niederlage am Mittwoch gegen Südkorea sieht Denise Hecktor nun das Positive: Jetzt kann sie endlich Vollgas für England geben und nur noch ihre Heimat anfeuern. Sie hofft, dass sie so weit wie möglich kommen, glaubt aber nicht an einen WM-Titel für die Engländer.

Nach mehr als 40 Jahren in Deutschlan­d denkt Denise Hecktor nicht an eine Rückkehr nach England. „Meine Familie in England sagt immer, dass ich schon deutscher bin als mein Mann. Für mich muss immer alles gut organisier­t und geregelt sein. Mein Mann ist da viel entspannte­r“, erzählt sie. Doch dann fällt ihr doch noch etwas ein, was sie vermisst: Fish & Chips, Cheddar-Käse und Bacon. Aber dafür hat die 66-Jährige eine Lösung gefunden: „Wenn wir nach England fahren, fahren wir immer mit dem Auto und packen es auf der Rückfahrt richtig voll. Da kommt dann alles mit, was ich hier nicht habe.“Und mit den englischen Köstlichke­iten ist das Heimweh gar nicht mehr so groß.

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FOTO: JANA BOHLMANN Denise Hecktor verfolgt die WM-Spiele im eigenen Garten mit ihrer Familie. Dass Deutschlan­d ausgeschie­den ist, bedauert sie sehr.

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