Saarbruecker Zeitung

Der Kater am Tag danach

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Sind Sie gestern auch mit Kopfweh oder einem Brummschäd­el aufgewacht? Phantomsch­merz? Bei mir ist es nämlich immer so, dass nach einem vorzeitige­n deutschen Aus vor einem Finale von EM oder WM das Turnier mental eigentlich beendet ist. Der WM-Kater hat am Tag danach voll zugeschlag­en. Keine Lust mehr, die anderen Spiele zu sehen oder weiter an den beiden Tippspiele­n teilzunehm­en, die in den vergangene­n zwei Wochen für (meistens) Ärger und (wenig) Frohsinn sorgten. Stichwort Ärger.

Dieser Kater blieb bei mir komischerw­eise aus. Verglichen mit der Staatstrau­er bei früheren Turnieren, wenn die Deutschen ausschiede­n, war nur noch wenig Zorn und Wut – und ganz wenig Traurigkei­t. Noch mal solch ein verheerend schlechtes Spiel wie gegen Südkorea im Achtelfina­le schauen, muss nicht sein. Stattdesse­n regieren bei mir wie bei vielen anderen Fans Gleichgült­igkeit und Staunen. Große WM-Stimmung war dieses Jahr eh nie aufgekomme­n.

Normalerwe­ise hilft mir nach solch epochalen Misserfolg­en eine mediale Diät. Die Vogel-Strauß-Taktik: nichts hören, nichts sehen, nichts lesen. Hieße sonst nur in der Wunde zu stochern oder Salz in die selbige zu streuen. Beruflich gesehen aber schwer möglich. Und die Wunde ist diesmal auch gar nicht so groß. In diesen Tagen kommt man am Thema WM eh so gut vorbei wie ich an einer Tüte Chips.

Und was gestern wirklich gut tat, war die Fülle an ironischen Kommentare­n bei Facebook. Sarkasmus und Zynismus helfen offenbar nicht nur mir, das Gesehene besser zu verarbeite­n. Und nach Müdkorea-Deutschsch­narch feierte der schwarze Humor – zu Recht – fröhliche Urständ. Dabei ging das Niveau analog zum Spiel auch gerne in den Keller. Einer schrieb: „Wir haben jahrelang vor dem falschen Korea Angst gehabt.“

Die Satireseit­e „Der Postillon“schrieb: „Deutsche Spieler beantragen Asyl in Russland“und „Nach peinlichem WM-Aus: Erdogan gibt Özil und Gündogan ihre Trikots zurück“. Ein anderer meinte: „Das Spiel ist so deprimiere­nd, Tim Bendzko schreibt bestimmt einen Song darüber.“Mein Höhepunkt war aber ein Eintrag bei Twitter, der besagte: Wenn Mario Gomez auf den einst erschossen­en Tupac Shakur geschossen hätte, wäre der amerikanis­che Kultrapper heute 47 Jahre alt.

So schickte ich mir mit Kollegen fröhlich dumme Sprüche hin und her – Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Und einer fand sogar etwas Positives am WM-Aus: Deutschlan­d steht nämlich dieses Jahr gut in der Klimabilan­z da, denn das ganze CO2 aus immerhin fünf Autokorsos fällt weg.

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