Russland war nicht der erste Tiefpunkt
Die Schmach von Cordoba, die Schande von Gijon – die deutsche FußballNationalmannschaft war nicht immer erfolgreich, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt.
WM 1962 in Chile:
Erstmals bestreitet Deutschland ein großes Turnier außerhalb Europas. Nach vier Spielen geht es schon wieder zurück. Die Gruppe gewinnt das DFB-Team zwar, im Viertelfinale gegen Jugoslawien (0:1) wird Sepp Herberger dann für seine defensive Taktik bestraft. In Deutschland wird der Bundestrainer stark kritisiert, hält aber an seinem Posten fest. Erst zwei Jahre später übergibt er an Helmut Schön.
EM 1968: Zum bis heute einzigen Mal verpasst ein DFB-Team ein Turnier aus sportlichen Gründen. Am 17. Dezember 1967 kommt der Vize-Weltmeister mit Günter Netzer und Wolfgang Overath in der „Schmach von Tirana“gegen Albanien nicht über ein 0:0 hinaus. „Damals gab es im Fußball ja noch richtige Zwerge“, sagt Netzer später. Trainer Helmut Schön darf bleiben – und holt 1974 den WM-Titel.
WM 1978 in Argentinien:
Das 2:3 gegen Österreich ist in die Geschichte eingegangen – in Deutschland als „Schmach von Cordoba“, in Österreich als „Wunder“. Gleiches gilt für die Radioreportage von Edi Finger. „I wer‘ narrisch“, schrie der Österreicher, als Hans Krankl in der 88. Minute das Siegtor erzielte. Für Krankl ist es bis heute eine „Sternstunde des österreichischen Fußballs“. Für Helmut Schön war das denkwürdige Spiel sein letztes als Bundestrainer. Dass er aufhören würde, stand schon vor dem WM-Turnier fest.
WM 1982 in Spanien:
Nach der aus dem Ruder gelaufenen Vorbereitung am Schluchsee, später in „Schlucksee“umgetauft, wird die WM trotz des Finaleinzugs zum Desaster. Bei der „Schande von Gijon“schieben sich Deutschland und Österreich zunächst den Ball zu, weil beiden der 1:0-Spielstand zum Weiterkommen reicht. 13 Tage später springt Torhüter Toni Schumacher im Halbfinale dem Franzosen Patrick Battiston ins Gesicht. Dem Mittelfeldspieler fehlen zwei Schneidezähne, Schumacher erklärt, „die Jacketkronen“zu zahlen. Frankreichs Präsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Schmidt sehen sich genötigt, eine gemeinsame Presseerklärung herauszugeben.
EM 1984 in Frankreich:
Im letzten Gruppenspiel köpft der blonde Libero Antonio Maceda in der 90. Minute das 1:0 für Spanien – und Titelverteidiger Deutschland aus dem Turnier. Trainer Jupp Derwall wird „Steinzeitfußball“vorgeworfen, sechs Tage später erklärt er seinen Rücktritt. Franz Beckenbauer übernimmt und wird 1990 Weltmeister – mit fünf Spielern, die in Frankreich dabei waren: Lothar Matthäus, Andreas Brehme, Pierre Littbarski, Rudi Völler und Guido Buchwald.
WM 1994 in den USA:
Deutschland sei „über Jahre nicht mehr zu besiegen“, sagte Beckenbauer nach dem WM-Titel 1990. Eine Hypothek, die Nachfolger Berti Vogts zu spüren bekommt. Der Titelverteidiger liegt im Viertelfinale gegen Bulgarien zwar in Führung, doch dann geht es schnell: Erst verwandelt Christo Stoitschkow einen Freistoß, dann gewinnt HSV-Profi Jordan Letschkow ein Kopfballduell gegen Thomas Häßler, den kleinsten Deutschen. 1:2, der Titelverteidiger verpasst erstmals seit 1978 den Sprung unter die besten Vier.
WM 1998 in Frankreich:
Eine WM zum Vergessen: Schon die Vorrunde wird vom feigen Attentat deutscher Hooligans auf den Polizisten Daniel Nivel überschattet, sogar ein Rückzug des DFB-Teams steht im Raum. Sportlich kommt das Aus des Europameisters im Viertelfinale gegen Kroatien. Christian Wörns sieht nach einer Notbremse an Real Madrids Star Davor Suker Rot, anschließend fällt das DFB-Team auseinander und verliert 0:3. Für Berti Vogts ist es in seinem 100. Länderspiel die höchste Niederlage als Bundestrainer. Im Amt bleibt er dennoch – aber nur bis September.
EM 2000 in Belgien/Niederlande:
Der Tiefpunkt in der Zeit des deutschen Rumpelfußballs. Zwei Niederlagen, ein Remis, nur ein Tor – Trainer Erich Ribbeck muss nach dem Turnier gehen. Bezeichnend ist das peinliche 0:3 zum Abschluss gegen eine portugiesische B-Elf. Die Bild titelt: „Ihr seid eine Schande und die Fußball-Deppen der Nation.“Rudi Völler übernimmt.
EM 2004 in Portugal:
Auch in Portugal ist für den Vizeweltmeister schon nach der Vorrunde Schluss – wieder ohne Sieg, sogar gegen Lettland gelingt nur ein 0:0. Teamchef Völler tritt zurück. „Ich hätte gern weitergemacht. Aber Egoismus wäre ein falscher Freund. Mein Nachfolger soll unbefleckt an die Aufgabe herangehen“, sagt er und übergibt an Weltmeister Jürgen Klinsmann. Der Aufschwung beginnt – und hält bis zur WM 2018 an.