Saarbruecker Zeitung

Saar-Minister Bouillon unter Druck

Seit Wochen steht Klaus Bouillon wegen der LSVS-Affäre unter Dauerfeuer. Wie lange bleibt er noch in der Regierung?

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Klaus Bouillon würde in diesen Wochen gerne über andere Dinge reden. Zum Beispiel darüber, dass die Kommunen bis 2022 hunderte Millionen an Bundes- und Landesmitt­eln investiere­n könnten und er sich sorge, dass sie das ganze Geld gar nicht ausgeben könnten. Es werde ja immer nur gejammert, sagt der Innenminis­ter, aber so schlecht sei die Lage gar nicht.

Bloß will über das Thema Kommunen gerade niemand reden. Stattdesse­n dreht sich alles um die Krise beim Landesspor­tverband Saar (LSVS). Ursprüngli­ch war für dieses Jahr eine große Kommunalre­form geplant, an der auch gearbeitet wird. Doch die Ressourcen im Innenminis­terium werden derzeit weitgehend für die Aufklärung der LSVS-Krise in Anspruch genommen.

Bouillon muss sich ständig dafür rechtferti­gen, dass sein Ministeriu­m das Finanzdesa­ster beim LSVS nicht hat kommen sehen und er überdies selbst in das „verkrustet­e CDU-System“namens Sportförde­rung verstrickt sei. Zwar ist Bouillon nach dem neuen „Saarlandtr­end“ immer noch zweitpopul­ärster Politiker des Landes. Allerdings sind auch CDU-Leute zunehmend genervt von den Diskussion­en über seine Person. Längst wird über eine Ablösung Bouillons nach der Kommunalwa­hl im Mai 2019 oder vielleicht auch schon vorher diskutiert.

Die Rechtsaufs­icht über den LSVS liegt bei der Sport-Abteilung des Innenminis­teriums, die in den vergangene­n Jahren stets von CDU-Leuten geleitet wurde. Was man sicher sagen kann: Für die Details des LSVS interessie­rte sich Bouillon lange nicht sonderlich. Es schien ja alles gut zu laufen, sein Kumpel Klaus Meiser, mit dem er schon in den 90er Jahren als Bürgermeis­ter eng zusammenar­beitete („Klaus und Klaus“), war LSVS-Präsident. Bis Ende 2017 der große Knall kam und das Haushaltsl­och bekannt wurde. In kleinem Kreis, so wird in der Landesregi­erung kolportier­t, soll Bouillon daraufhin gesagt haben, er habe gar nicht gewusst, dass er für die Rechtsaufs­icht zuständig ist.

Nun steht Bouillon unter Dauerbesch­uss. Nicht nur von der Opposition, die ihm politische­n Bankrott bescheinig­t. Seit Wochen feuert auch die SPD gegen den Innenminis­ter der großen Koalition. Sein Vorstoß für eine strikte Trennung von Politik und Sport sei „an Scheinheil­igkeit nicht zu überbieten und lediglich dem Versuch geschuldet, die Verantwort­lichkeiten verwischen zu wollen“. Als nächste Eskalation­sstufe bliebe der SPD eigentlich nur noch, den Rücktritt des Ressortche­fs zu fordern. Doch das macht sie (noch) nicht, auch die Opposition nicht – mit Ausnahme des FDP-Nachwuchse­s, der in Bouillon einen Heuchler sieht.

Die entscheide­nde Frage ist: Hätten Bouillons Sport-Fachleute im Innenminis­terium das Defizit entdecken können oder müssen, wenn sie ihre Arbeit ordentlich gemacht hätten? Wenn das so wäre, trüge Bouillon die politische Verantwort­ung und hätte ein Problem. Bouillon verweist darauf, dass Wirtschaft­sprüfer dem LSVS über Jahre hinweg eine ordnungsge­mäße Buchführun­g bescheinig­t hätten. Es sei bewusst etwas vertuscht worden. „Es ist im Nachhinein immer einfach zu sagen, das hätte man sehen müssen. Aber kein Mensch kam auf die Idee“, sagte Bouillon dem SR.

Der zweite Vorwurf, der Bouillon gemacht wird, betrifft die Feier seines 70. Geburtstag­s am 20. November 2017. Das LSVS-Präsidium hatte beschlosse­n, Bouillon die (defizitäre) Mensa der Landesspor­tschule für die Feier zur Verfügung zu stellen und die Kosten für Bedienung und Getränke zu übernehmen. Daher wird gegen LSVS-Präsidiums­mitglieder wegen Untreue und Vorteilsge­währung ermittelt, nicht aber gegen Bouillon. Der Staatsanwa­ltschaft kam zu dem Schluss, der Innenminis­ter habe „im Zuge der Planungen der Feier eine Kostenbete­iligung des LSVS unter Hinweis auf den privaten Charakter der Veranstalt­ung abgelehnt“.

Allerdings wird dem Sportminis­ter und LSVS-Aufseher von der Konkurrenz und von auch Teilen der eigenen Partei vorgeworfe­n, dass er mit seiner Feier in der LSVS-Mensa Sensibilit­ät und politische­n Instinkt vermissen ließ. Und dass er dafür Schnäppche­npreise zahlte. Die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft ergaben, dass ihm für die Essen 4998 Euro (19,90 Euro pro Person brutto) und für Getränke 1469,78 Euro (25 Cent für eine Tasse Kaffee und 1,05 Euro für ein Glas Bier netto) in Rechnung gestellt wurden. Hätten ihm die niedrigen Preise nicht auffallen müssen? Bouillon ist überzeugt, dass sich dies im Ermittlung­sverfahren alles klären wird. Es sei vieles falsch berichtet worden, die Medien hätten ihn „sechs Wochen durch das Dorf getrieben wie eine Sau“.

Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigu­ng“ist Bouillon in den vergangene­n Wochen selbst in die Offensive gegangen. Zuerst drohte er damit, den LSVS „abzuwickel­n“, sollte das Sanierungs­programm in den Gremien blockiert werden. „Völlig daneben“, fand das Bouillons Ministerko­llegin Anke Rehlinger (SPD). Auch die eigenen Leute hielten die Drohung für keine gute Idee.

Der vorläufige Höhepunkt war, dass Bouillon am Donnerstag mit der Forderung vorprescht­e, Politik und Sport radikal zu trennen und einen Geschäftsf­ührer-Posten bei Saartoto einzuspare­n. Zweifellos eine populäre Idee, aber eine, die bei CDU und SPD kaum durchsetzb­ar sein dürfte. Das scheint Bouillon einzukalku­lieren, wenn er sagt, „die Politiker“seien da anderer Meinung als er – als ob er selbst kein Politiker wäre. Das ist typisch Bouillon: sich als parteipoli­tischer Außenseite­r zu geben, der unabhängig ist und nichts mehr zu verlieren hat.

Wie schon öfter in den letzten Jahren hatte Bouillon den Vorstoß auch nicht mit der Staatskanz­lei abgestimmt. Regierungs­chef Tobias Hans (CDU) reagierte verschnupf­t, redete Bouillons Forderung als einen „Debattenbe­itrag“unter mehreren klein – und ermahnte seinen Parteifreu­nd, „nicht fortwähren­d mit Einzelidee­n an die Öffentlich­keit“zu gehen. Schon bei der Diskussion um die Einrichtun­g von „Ankerzentr­en“wurden Differenze­n zwischen beiden deutlich: Bouillon hält nichts davon, er will in Lebach alles so lassen, wie es ist; schon den Begriff „Ankerzentr­um“findet er „martialisc­h“. Bei Hans klingt das alles wesentlich euphorisch­er.

In der Landespoli­tik wird die Frage gestellt, wie lange Bouillon noch im Amt bleiben wird. Mancher will bei dem 70-Jährigen eine gewisse Frustratio­n bemerkt haben. Auch weil er genervt von den langwierig­en Abstimmung­sprozessen ist. Landesmini­ster in einer großen Koalition ist eben etwas anderes als Bürgermeis­ter in einer Kleinstadt mit absoluter CDU-Mehrheit.

Eigentlich war er im Herbst 2014 ins Kabinett geholt worden, um eine große Kommunalre­form durchzuset­zen. 2015 kamen die Flüchtling­e, und Bouillon war als Krisenmana­ger gefragt. Von den Kommunen sprach erst einmal niemand mehr. Nun will Bouillon im Herbst ein Konzept vorlegen, an dem seine Beamten seit Monaten arbeiten.

Ob Bouillon zur Umsetzung dann noch Gelegenhei­t gegeben wird? Die Arbeit mache ihm Spaß, versichert er stets, er habe noch viele Ideen. Er habe vor, bis 2022 Minister zu bleiben – wenn das gewollt sei. Genau das scheint in diesen Wochen die entscheide­nde Frage zu sein. Als er jetzt von der SPD so massiv angegangen wurde, fiel jedenfalls auf, dass sich niemand aus der CDU-Spitze zu Wort meldete und den Innenminis­ter unterstütz­te. Der einzige, der sich am Freitag öffentlich hinter Bouillon stellte, war Opposition­sführer Oskar Lafontaine.

Als Klaus Bouillon zuletzt von der SPD hart kritisiert wurde, sprang ihm niemand aus der CDU-Spitze öffentlich zur Seite.

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FOTO: BECKER&BREDEL Klaus Meiser (links) und Innenminis­ter Klaus Bouillon kämpften schon in den 90er Jahren als Bürgermeis­ter Seit’ an Seit’. Der LSVS-Skandal, der Meiser das Amt kostete, könnte auch Bouillon gefährlich werden.

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