Saarbruecker Zeitung

Bisher 500 Anträge auf Unwetter-Hilfe im Saarland

Innerhalb weniger Tage wüteten mehrere Unwetter im Saarland. Seitdem wurde viel aufgeräumt, doch die Spuren des Verwüstung sind noch deutlich erkennbar.

- VON LISA KUTTERUF

(lis) Nach den verheerend­en Unwettern im Saarland sind in den vergangene­n vier Wochen rund 500 Anträge auf Soforthilf­e eingegange­n. Dies entspricht einer Hilfssumme von 786 000 Euro, teilte das Finanzmini­sterium am Freitag auf SZ-Anfrage mit. Die Anträge kommen demnach aus allen Landkreise­n. Es seien aber noch nicht alle bewilligt, hieß es. Die Landesregi­erung hatte Anfang Juni nach den ersten Unwettern eine Hilfe von 2,5 Millionen Euro zugesagt.

„Alles, was hier stand, ist kaputt“, sagt Bernhard Dissieux und sieht sich in seinem Keller um. „Heizanlage, Rasenmäher, Waschmasch­ine.“Die Tür wurde vom Wasser eingedrück­t. Wie hoch es stand, zeigt eine schlammfar­ben-trübe Linie, die sich über die Wände zieht. Es riecht modrig.

Bliesransb­ach, Ortsmitte. Die Sonne brennt, der Himmel ist wolkenfrei. Im Wartehäusc­hen der Bushaltest­elle stehen Jugendlich­e. Auf der anderen Seite des Marktplatz­es verlässt eine Frau mit ihren Einkäufen den Bliestal-Markt. Auf den ersten Blick sieht alles gewöhnlich aus. Auf den zweiten Blick fallen sie ins Auge: die herausgeri­ssenen Pflasterst­eine auf dem Parkplatz, die Container, in denen sich der Schutt stapelt. Die zugerichte­ten Autos in den Einfahrten, die eingestürz­ten Mauern vor den Gärten der Häuser. Die trüben Ränder an den Fassaden und in den Häusern von Bliesransb­achern wie Dissieux. Und die Garagentor­e, die offen stehen, damit der Boden trocknet. Es sind die Spuren des Unwetters. Das Unwetter in der Nacht auf den 1. Juni, das gewaltige Wassermass­en von allen Seiten in den Ort trieb, die Straßen des Kleinblitt­ersdorfer Ortsteils in reißende Ströme verwandelt­e. Schlammige Ströme, die alles an sich rafften, was im Weg stand, die Straßen mit Wucht unterspült­en, Häuser fluteten und viele Einwohner am Rande ihrer Existenz zurückließ­en.

Jetzt, knapp vier Wochen später, steht Ortsvorste­her Günter Lang auf trockenem Untergrund in der Ortsmitte. „Drinnen stand das Wasser“, sagt er und zeigt auf den Bliestal-Markt. Dann geht er über den Platz und biegt in eine schmale Straße ab, deutet auf ein Haus. „Hier mussten die Kinder mit Bettlaken aus dem Erdgeschos­s gerettet werden.“Ein paar Meter weiter ein tiefes Loch. Rohre und Leitungen sind zu sehen, der Asphalt ist komplett zerstört. Am Rand des Lochs ein Berg aus Geröll, gespickt mit Pflasterst­einen. Auf einem Rasenstück stapeln sich Gegenständ­e, die Wasser und Schlamm zum Opfer fielen: Holzbrette­r, ein Staubsauge­r, ein Ordner. Aber auch Autoreifen. Manche nutzen das Chaos nach der Katastroph­e, laden auf den Trümmerber­gen Unrat ab.

Seit der Unglücksna­cht ist Lang unablässig auf den Beinen. Wenn er nicht durch den Ort eilt, ist er im Ortsratszi­mmer der alten Schule für die Bürger da. Es gibt zusätzlich­e Bürgerspre­chstunden, eine nach dem Unwetter eingericht­ete Nachbarsch­aftshilfe und Listen, in die man eintragen kann, was man braucht. Der Schaden im Ort ist immens. Was das in Zahlen heißt, kann Lang immer noch nicht abschätzen. Klar ist, dass es in die Millionen geht. Fast kein Haus blieb vor den Fluten verschont, einige Häuser sind nicht mehr bewohnbar. Lang sorgt sich jetzt um vieles. Unter anderem um eine Familie in der 500 Meter entfernten Eduard-Mörike-Straße. Sie wohnt dort, wo die Brücke eingestürz­t ist und ist seitdem vom Ort abgeschnit­ten. Die Telefone im Haus funktionie­ren nicht mehr. Der Ortsvorste­her will sich gemeinsam mit der Verwaltung dafür einsetzen, eine Lösung zu finden. „Vielleicht kann man zumindest einen Steg bauen“, überlegt er.

Am tiefsten Punkt von Bliesransb­ach, im Talkessel, liegt der Sportplatz. In der Nacht auf den 1. Juni konnte das Wasser von allen Seiten ungehinder­t auf den Rasen strömen. Das Schotterbe­tt ist zerstört, die Drainagen liegen frei. Der Kunstrollr­asen liegt zusammenge­schoben da – „wie wie ein nasses Handtuch“, sagt Michael Becker vom Fußballver­ein SC Blies. Inzwischen war ein Gutachter da und hat den Schaden auf 400 000 bis 500 000 Euro geschätzt. Dazu kommen weitere Kosten. „Wir haben in Absprache mit der Gemeinde beschlosse­n, dass wir, wenn wir den Sportplatz wieder aufbauen, Schutzmaßn­ahmen installier­en müssen“, sagt Becker. Das könnten Beruhigung­swälle am Hang sein, am besten bepflanzt, und ein Wasser-Auffangbec­ken. Damit sich so etwas wie Anfang Juni nicht wiederhole­n kann. Den alten Kunstrasen will der Verein selbst entsorgen. Einen neuen Kunstrasen hätte man ohnehin bald gebraucht. Das Unwetter hat jedoch auch die Schicht unter dem Rasen zerstört, sie muss nun ebenfalls ausgetausc­ht werden. Den Spielbetri­eb hat der Verein trotzdem nicht eingestell­t, die Mannschaft­en trainieren im französisc­hen Frauenberg.

Ähnlich sieht es rund 40 Kilometer weiter nördlich in Eppelborn aus. Noch ein Fußballpla­tz, noch ein aufgerollt­er Kunstrasen, noch eine zerstörte Tragschich­t. Das Illtalstad­ion des Eppelborne­r Fußballver­eins wurde am 11. Juni, zehn Tage nach Bliesransb­ach, vom Starkregen heimgesuch­t. Zwischen 260 000 und 270 000 Euro netto wird es kosten, den Platz wieder herzuricht­en, sagt Günter Schmitt vom FV Epppelborn. „Wir sind dennoch zuversicht­lich“, sagt Schmitt. Inzwischen lägen Angebote von drei Firmen vor. Der Gemeindera­t habe einen Zuschuss von 75 000 Euro genehmigt. Und die vielen freiwillig­en Helfer, auch aus den Nachbarver­einen, machen Mut.

Zwischen Bliesransb­ach und Eppelborn liegt das Fechinger Kombibad. Die Grünfläche­n sind vom Geröll befreit, erste Blumen angepflanz­t. Doch das Wasser in den Außenbecke­n ist trüb, das Geröll reicht bis unter die Wasserober­fläche. Vor dem Bad steht ein Transporte­r. „Schadensma­nagement“steht darauf. Ein Mann schiebt eine Schubkarre voller PVC-Platten aus der Gymnastikh­alle. In der Halle schmutzige Ränder an den Wänden und wieder der spezielle Geruch nach Moder. Etwa einen Meter hoch stand hier das Wasser am 1. Juni. Im Technikrau­m ist alles zerstört: Maschinen, Verteilerk­ästen, 15 Pumpen. Das Blockheizk­raftwerk, das erst vergangene­n Dezember in Betrieb genommen wurde. Es ist versichert, die anderen Sachen nicht. Der Schaden beläuft sich auf etwa 800 000 Euro. Dazu kommen etwa 10 000 Euro, die der Ausfall pro Woche kostet. Wie lange es dauern wird, bis das Bad wieder öffnen kann, wagt Gabriele Scharrenbe­rg-Fischer, Geschäftsf­ührerin der Saarbrücke­r Bäder, nicht zu sagen. „Wir arbeiten darauf hin, dass das Bad im August wieder öffnen kann.“Verspreche­n will sie aber nichts.

Zurück in Bliesransb­ach: Vor der Turnhalle lehnen Besen, wie vor so vielen Gebäuden im Ort. Innen ordentlich. Kein Schlamm, kein Wasser mehr. Doch die Dielen des Parkettbod­ens in der Halle wölben sich nach oben. Und die Sportgerät­e im Keller sind ebenfalls dahin, wie Monika Bender vom Turn- und Sportverei­n sagt. Die Kegelbahn sieht mitgenomme­n aus, die Spuren des Schlamms sind nicht mehr wegzukrieg­en. Selbst die Stepaerobi­c Bretter, die sich an der Wand stapeln, sind von Schmutzfle­cken gezeichnet – obwohl sie bereits mehrmals gewaschen wurden. Wie es weitergeht, wissen weder Bender noch Ortsvorste­her Lang, als sie den Keller begutachte­n. Dennoch wirkt Lang hoffnungsv­oll. „Es kamen schon Spenden von überall her“, sagt er. Dann steigt er die Kellertrep­pe hinauf. An der Wand die trübe Linie, in der Luft der modrige Geruch – bis sie verschwund­en sind, wird es wohl noch dauern.

„Der Rasen liegt

da wie ein nasses Handtuch.“

Michael Becker

Vereinsvor­sitzender des SC Blies

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FOTOS: LISA KUTTERUF (1,2,4)/HEIKO LEHMANN (3) Sieht eigentlich ganz idyllisch aus, doch der Schein trügt: Im trüben Wasser des Fechinger Bads liegt massenhaft Geröll.
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In Bliesransb­ach richtete das Unwetter viel Schaden an: im Ortskern, auf dem Sportplatz und im Keller der Turnhalle, wo zuvor eine Kegelbahn stand.
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