Was der Asyl-Kompromiss konkret bedeutet – und was nicht
Die Kanzlerin kommt im Asylstreit nicht mit leeren Händen aus Brüssel zurück. Gesucht war eine europäische Lösung, die gelang. Aber reicht das, damit Angela Merkel die deutsche Regierungskrise vermeiden kann? Einige Fakten zum Gipfel-Kompromiss: Schutzsuchende sollen künftig zuerst in sogenannte Anlandezentren gebracht werden. Diese könnten in Nordafrika, eventuell auch in Balkanstaaten entstehen. Geschlossene Camps wären zusätzlich in der EU möglich. Dort sollen die Flüchtlinge registriert werden. Asylberechtigte können in die EU-Staaten reisen, alle anderen müssen in ihr Herkunftsland zurückkehren. Alle 28, allerdings nur auf freiwilliger Basis. Dieser Kompromiss war nötig, um die Gegner einer EU-Regelung im Osten zur Zustimmung zu bewegen. Wichtig ist: Flüchtlinge können sich ihr Ziel nicht aussuchen. Sie werden zugewiesen. Die Internationale Organisation für Migration sowie der Hochkommissar für Flüchtlinge der Vereinten Nationen sollen in den Camps die Einhaltung der Menschenrechts-Standards gewährleisten. Empört. Von Pro Asyl hieß es am Freitag, die Ergebnisse seien „der Gipfel der Inhumanität“, weil die EU „Gefolterte und Verfolgte einfach wegsperrt“. Von Seiten der Grünen im EU-Parlament hieß es ebenfalls, „Geflüchtete in Auffanglager wegzusperren widerspricht der EU-Grundrechtscharta“. Die EU hat in ihrem Haushaltsentwurf für die sieben Jahre ab 2021 gut 18 Milliarden Euro für Maßnahmen zur Migration vorgesehen. Die Einrichtung der Zentren kommt noch dazu. Im Raum stehen geschätzte sechs Milliarden Euro. Dies wäre der gleiche Betrag, den die Türkei in zwei Raten für die Betreuung von Syrien-Flüchtlingen erhält. Die Seenot-Rettung im Mittelmeer bleibt Aufgabe der EU-Hilfsmission „Sophia“sowie der Mitgliedstaaten und der neuen EU-Grenzschutzpolizei. Für Schiffe von privaten Organisationen soll es konkrete Einsatzvorschriften geben. So lange das Dublin-Abkommen nicht durch eine neue Vereinbarung ersetzt wird, gilt es. Das heißt: Die Mitgliedstaaten „sollten“– so heißt es in der Schlusserklärung des Gipfels – alle erforderlichen Maßnahmen sicherstellen, um eine Wanderung von Flüchtlingen zu unterbinden. Konkret: Wer bereits in einem Land registriert wurde, aber in ein anderes einzureisen versucht, kann zurückgeschickt werden. Mit viel gutem Willen könnte das reichen, auch wenn die Formulierung wachsweich ist. Denn sie lässt Spielraum für die Nachbarstaaten, sich daran zu halten, oder nicht. Konkrete Zusagen liegen von Frankreich, Spanien, Griechenland und Österreich vor. Rom nimmt Flüchtlinge, die nach Deutschland weitergereist waren, ebenfalls bereits zurück. Alle Staats- und Regierungschefs verwiesen in Brüssel darauf, dass es sich bei diesen sogenannten Dublin-Flüchtlingen nur um eine kleine Anzahl handelt. Notwendig scheint das nicht zu sein, weil solche Kontrollen längst stattfinden und das Dubliner Abkommen eine Zurückweisung von Asyl-Suchenden, die aus einem anderen EU-Land kommen, bereits vorsieht. In Brüssel wurde diese Verpflichtung lediglich erneuert.