Saarbruecker Zeitung

„Wir müssen weiter kämpfen“

Die Ministerpr­äsidentinn­en Rehlinger und Dreyer warnen bei Bundeskonf­erenz sozialdemo­kratischer Frauen vor Rückschrit­ten in der Gleichbere­chtigung.

- VON PASCAL BECHER

Eine Genossin aus Nordrhein-Westfalen stellt in der Saarbrücke­r Congressha­lle eine eigentlich belanglose Frage, die in diesen Tagen aber leider allzu schnell hochpoliti­sch klingen kann: „Wer sitzt direkt neben den Bayern?“In ihrer Gruppe gibt es erstmal kurzes Schweigen. Aber keine Sorge, bei der dreitägige­n Bundeskonf­erenz der Arbeitsgem­einschaft Sozialdemo­kratischer Frauen (ASF) hat niemand was gegen Bayern – sofern sie in der SPD sind. Bei diesen „wildgeword­enen CSUlern“sähe das wohl schon anders aus, wie die oberste Saar-Genossin, Anke Rehlinger, die Christsozi­alen später nennen wird. Die ASF-Frau aus NRW wollte lediglich wissen, wer aus ihrer gerade eingetroff­enen Gruppe zu den bereits sitzenden bayrischen SPD-Frauen aufschließ­en wolle.

Das derzeitige groß-koalitionä­rer Einer-gegen-den-anderen hätte auch nicht zur ASF gepasst. Sie will Geschlosse­nheit vermitteln. Die brauchen diese Frauen auch für ihr Ziel: die völlige Gleichbere­chtigung in der Gesellscha­ft. „Freiwillig machen die das nicht“, wird später eine Rednerin durchs Mikro rufen. Mit „die“sind dabei Männer gemeint.

Und das nicht zu Unrecht, schaut man darauf, was sich bei der Gleichbere­chtigung in 100 Jahren nach der Einführung des Frauenwahl­rechts in Deutschlan­d getan hat – und was nicht. Allein im aktuellen Bundestag gibt es nur einen Frauenante­il von gut 31 Prozent. Zudem ist das der niedrigste Stand seit 1998.

Es gibt also noch viel zu tun, lautet auch der Tenor aller Redner am ersten Tag des Kongresses. Beispielsw­eise bei der Arbeitsmar­ktpolitik. „Wir können immernoch keinen Haken hinter ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit’ machen. Das kann doch nicht sein“, sagt Rehlinger. Der Satz „Frauen verdienen 20 Prozent weniger als Männer“würde lediglich nur noch „abgestumpf­t“wirken. „Wir müssen trotzdem weiter kämpfen“, fordert die Saarländer­in – und redet sich in Rage. Oder wie eine Kongress-Teilnehmer­in kurz darauf twittert: Anke Rehlinger „delivered gerade richtig“.

Die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer tut es ihr gleich und zeichnet ein noch düsteres Bild unserer Gesellscha­ft. „Wir erleben gerade einen echten Rollback, was Frauenrech­te angeht.“Wegen rechter Populisten. Diese würden massiv ein traditione­lles Frauenbild bewerben, Mädchenför­derung als Diskrimini­erung von Männern darstellen und (sexuelle) Gewalt gegen Frauen für Ausländerh­ass instrument­alisieren. „Das war schon mal alles so in der Geschichte Deutschlan­ds und da wollen wir nicht mehr hin“, so Dreyer. Autoritäre Politik habe weltweit ein Gesicht – „und das ist männlich“, sagt später auch Juso-Chef Kevin Kühnert, einer der zahlreiche­n bundespoli­tischen Gastredner.

Eine, die dagegen über Jahrzehnte gekämpft habe, meint nicht nur Kühnert, sei Elke Ferner. Die Saarländer­in war 14 Jahre lang Vorsitzend­e der ASF. Sie gibt das Amt aber jetzt ab – an eine Bayerin.

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FOTO: BECKER&BREDEL „Sie ist eine besondere Frau“: Malu Dreyer, rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin (v. r.), über Elke Ferner, die 14 Jahre lang ASF-Chefin war.

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