Saarbruecker Zeitung

„Wagner war bekannterm­aßen ein Antisemit“

Der Künstler erzählt von seiner Arbeit an der jüngsten „Parsifal“-Inszenieru­ng und erklärt, warum er Richard Wagner als Frau gemalt hat.

- DAS GESPRÄCH MIT BASELITZ FÜHRTE CORDULA DIECKMANN.

Georg Baselitz ist einer der bedeutends­ten zeitgenöss­ischen Künstler in Deutschlan­d. Sein Markenzeic­hen: Figuren, die auf dem Kopf stehen, und überdimens­ionale Bilder. Für die Oper hat der 80-Jährige schon einige Male gearbeitet. So schuf er 2013 das Bühnenbild für György Ligetis „Le Grand Macabre“am Theater in Chemnitz. In München hat er nun eine ungewöhnli­che Arbeit präsentier­t: das Bühnenbild zu Pierre Audis Neuinszeni­erung von Richard Wagners Oper „Parsifal“im Rahmen der Münchner Opernfests­piele. Baselitz ist kein ausgewiese­ner Wagner-Fan. Die Bayerische Staatsoper konnte ihn trotzdem überzeugen, auch weil Baselitz und der Regisseur befreundet sind.

Wie stehen Sie zur Oper und insbesonde­re zu Wagners Musik?

BASELITZ Ich war bei Wagner immer etwas gespalten. Es gibt von ihm zum Teil wunderbare Musik, aber dann auch dieses unerträgli­che Pathos. Anderersei­ts kommt man als Sachse, als Deutscher, selbst als Europäer ja kaum an ihm vorbei. Ich musste also irgendwie einen Weg finden, um mit Wagner zurecht zu kommen – auf meine Weise. Man kennt den Komponiste­n ja von zahlreiche­n Portraits, meist ziemlich markig. Nur Auguste Renoir hat ihn weicher gezeichnet. In den Bildern erkennt man aber Renoir selbst und nicht Wagner. Ich bin dann noch einen Schritt weiter gegangen und habe Wagner als Frau gemalt, mit Damenschuh­en. Seit dieser Verschiebu­ng komme ich mit ihm zurecht.

Wie kam es dann, dass Sie jetzt das Bühnenbild für seine Oper „Parsifal“gestaltete­n?

BASELITZ Zunächst einmal finde ich den „Parsifal“das Wunderbars­te, was Wagner komponiert hat. Letztlich war es aber die Verbundenh­eit meiner Frau und von mir zu München und zur Münchner Staatsoper,

die mich bewogen hat, zuzusagen.

Sie haben ja auch schon für andere Produktion­en Bühnenbild­er gestaltet. Was ist für Sie so reizvoll an dieser Aufgabe?

BASELITZ Wagner war bekannterm­aßen ein Antisemit, wie die meisten Deutschen, aber kein Nazi. Die kamen erst später. Seine Musik, sein Werk, wie auch das vieler anderer Künstler wurde und wird von den jeweiligen politische­n Bewegungen missbrauch­t. Die Nazis haben ihn hochleben lassen, danach hat man versucht, ihn auszuradie­ren. Es ist mir unverständ­lich, wie man beides hat durchgehen lassen. Ich finde es auch obszön, wie sich nach dem Reichskanz­ler bis heute die jeweiligen Bundeskanz­ler in Bayreuth präsentier­en. Für mich zählt das Werk: Ist es gelungen? Hat es Bestand? Und der „Parsifal“überragt nun mal.

Worauf kam es Ihnen bei Ihrer Arbeit für „Parsifal“an, was ist für Sie das Besondere an dieser Oper?

BASELITZ Nun ist diese Oper ja nicht bekannt für besonders viel Handlung. Ganz im Gegenteil. Eigentlich passiert vier Stunden lang nichts – nur diese wunderbare Musik. Ich wollte dann auch, dass auf der Bühne gar nichts passiert. Nur so ein schwarzer Kasten, fertig. Das widersprac­h allerdings den Vorstellun­gen des Regisseurs. So haben wir uns dann für etwas anderes entschiede­n. In meiner Studentenz­eit in Berlin sah ich viel Bertolt Brecht. Er hat die reinen Theatermit­tel benutzt. Diese Einfachhei­t habe ich nie vergessen. So versuchen wir das nun auch.

Wie unterschei­det sich die Arbeitswei­se? Malen Sie für die Oper anders als sonst?

BASELITZ Der Prozess des Malens ändert sich nicht, wenn ich für die Oper arbeite. Im Bühnenbild und in den Kostümen finden sich Bezüge und Elemente aus allen meinen Schaffensp­hasen. Von ganz früh, den Heldenbild­ern, bis in die letzten Jahre. In meinem Atelier sind dazu über 100 Zeichnunge­n entstanden. Einige davon werden noch in diesem Jahr im Münchner Theatermus­eum zu sehen sein. Meine neusten Bilder, die ebenfalls in das Bühnenbild mit eingefloss­en sind, hängen gerade in einer Ausstellun­g in Colmar. Der größte Unterschie­d liegt in der Übertragun­g der Arbeiten für die Bühne. Im Atelier bin ich ganz alleine. Ich arbeite bis heute ohne Assistente­n oder fremde Hilfe. In der Opernwerks­tatt und auf der Bühne geht das natürlich nicht. Dort arbeitet man im Team. Sie können da Ideen einbringen, aber die müssen umsetzbar sein und es muss den Ideen auch zugestimmt werden. Ich habe damit an den Opernhäuse­rn allerdings gute Erfahrunge­n gemacht.

 ?? FOTO: MATTHIAS BALK/DPA ?? Georg Baselitz in einer Werkstatt der Staatsoper in München. Er steht auf einem 20 mal zehn Meter großen Bühnenhint­ergrund für „Parsifal“.
FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Georg Baselitz in einer Werkstatt der Staatsoper in München. Er steht auf einem 20 mal zehn Meter großen Bühnenhint­ergrund für „Parsifal“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany