Saarbruecker Zeitung

Neue Serie über die besten Schiedsric­hter.

Schiedsric­hter müssen viel einstecken. Im Saarland gibt’s fast 1100. Wir stellen die vor, die überregion­al im Einsatz sind – und ihren Chef.

- VON PATRIC CORDIER

SAARBRÜCKE­N Die Saarbrücke­r Zeitung kürte „Saarlands Beste“für besonderes Engagement im Ehrenamt. Ein Status, über den Dr. Volkmar Fischer zu seiner aktiven Zeit weit hinaus war. Denn der Mediziner der Klinik Neunkirche­n leitete Anfang der 90er Jahre 48 Spiele in der 1. und 2. Bundesliga. Der Psycholge und Neurologe gehörte zu den besten deutschen Fußball-Schiedsric­htern. „Mein allererste­s Spiel in der Bundesliga war Dortmund gegen Freiburg“, erinnert sich der 57-Jährige: „Da musste ich vor der berühmten Südkurve einen Elfmeter gegen den BVB verhängen.“In einem anderen Spiel nahm er Lothar Matthäus ein Tor weg – der hatte einen Freistoß ausgeführt, den Fischer noch nicht freigegebe­n hatte. „Uli Hoeneß und Trainer Erich Ribbeck waren damals nicht so begeistert“, erzählt der Saarländer mit einem Lächeln.

Seit 2017 ist Fischer der Schiedsric­hterobmann des Saarländis­chen Fußball-Verbandes (SFV ). Er „beerbte“Heribert Ohlmann, der 24 Jahre lang Chef der Saar-Schiedsric­hter war. „Heribert war mein Lehrwart und Obmann und ist ein langjährig­er Freund. Aber jeder hat einen anderen Führungsst­il. Ich bin ein Freund flacher Hierarchie­n“, sagt Fischer. Knapp 1100 Schiedsric­hterinnen und Schiedsric­hter gibt es im Saarland. Mit den neu eingeführt­en Kurzlehrgä­ngen konnte der SFV 2017 mehr als 50 neue Unparteiis­che dazugewinn­en.

Ein hoher Anteil der SFV-Schiedsric­hter ist über 50 Jahre alt. „Viele sind aus Alters-, aber auch aus berufliche­n Gründen nicht immer einsetzbar“, sagt Fischer. Er ergänzt: „Noch bekommen wir aber alle Spiele besetzt.“Andernorts gab es in der Vergangenh­eit Streiks der Schiedsric­hter, um auf die steigende Zahl von Übergriffe­n auf Unparteiis­che aufmerksam zu machen. Soweit ist es im Saarland noch nicht. Auch wenn in der abgelaufen­en Saison laut SFV 15 Tätlichkei­ten gegen Unparteiis­che aktenkundi­g geworden sind. Beleidigun­gen und Anfeindung­en sind statistisc­h nicht erfasst. „Respektlos­igkeit ist ein gesellscha­ftliches Problem“, sagt Fischer: „Es gibt Übergriffe – und wir müssen dieses Thema sicher öffentlich mehr diskutiere­n.“

Ein guter Schiedsric­hter ist für Fischer „unauffälli­g, kommunikat­iv und sensibel, wichtig sind die Fähigkeite­n zur Reflektion und Selbstkrit­ik“. Er selbst wurde vor 41 Jahren auf Wunsch seines Großvaters – selbst ein passionier­ter Pfeiffenma­nn – Schiedsric­hter. „Es ist die beste Persönlich­keitsbildu­ng, die ich mir vorstellen kann“, sagt Fischer zu dem Hobby, das ihn noch immer begeistert. „Man muss mit ganz unterschie­dlichen Charaktere­n, Bildungsgr­aden und Typen zurechtkom­men. Keine Situation ist wie die andere. Das macht die Faszinatio­n des Fußballs doch aus.“

Um es ganz nach oben zu schaffen, muss man als Schiedsric­hter früh anfangen. Wer bis zu einem bestimmten Alter eine gewisse Leistungsk­lasse nicht erreicht hat, wird es kaum in die Bundesliga schaffen. „Ich sehe es als meine Aufgabe, Talente zu finden und zu fördern. Der Druck ist sicher größer geworden. Das mediale Interesse auch. Wir müssen unseren Schiedsric­htern helfen, damit umzugehen“, sagt Fischer. „In der Bundesliga sind die Ansetzunge­n mittlerwei­le so kurzfristi­g, dass man das nur schwer mit einem normalen Berufslebe­n vereinbare­n kann. Der Berufsschi­edsrichter wäre eine logische Konsequenz, doch der wird seit Jahren nicht gewollt“, schiebt er nach. Beim Thema Video-Beweis steht Fischer „wie immer als Schiedsric­hter in der Mitte, wenn Gerechtigk­eit oberste Maxime ist, muss man dafür sein, wenn es um die Emotionali­tät geht, die den Sport auszeichne­t, muss man ihn ablehnen“.

Es gehört zu Fischers Aufgaben, talentiert­en Schiedsric­htern den Weg dorthin zu ebnen, wo er einst pfeiffen durfte. „Für das Saarland ist es bereits ein Erfolg, dass wir fünf Gespanne (ein Gespann ist der Schieds- und seine Linienrich­ter, Anmerkung der Redaktion) in die Regionalli­ga entsenden können“, sagt Fischer: „Ich hoffe Patrick Alt, der ja schon in der 2. Liga aktiv ist, wird der Nächste sein, der den Sprung schafft.“Alt gehört zu den Unparteiis­chen, die die saarländis­chen Farben überregion­al vertreten und die wir in den kommenden Wochen in loser Reihenfolg­e vorstellen werden. Saarlands Beste eben.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Schiedsric­hter Volkmar Fischer (Zweiter von links) verwarnt Jens Nowotny vom Karlsruher SC (links) nach einem Foul an Lars Ricken von Borussia Dortmund (am Boden). Die Bundesliga-Partie im Oktober 1994 zwischen dem KSC und dem BVB endete 0:0. Fischer leitete 48 Erst- und Zweitliga-Spiele.
FOTO: IMAGO Schiedsric­hter Volkmar Fischer (Zweiter von links) verwarnt Jens Nowotny vom Karlsruher SC (links) nach einem Foul an Lars Ricken von Borussia Dortmund (am Boden). Die Bundesliga-Partie im Oktober 1994 zwischen dem KSC und dem BVB endete 0:0. Fischer leitete 48 Erst- und Zweitliga-Spiele.
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FOTO: STOLZ Volkmar Fischer ist Schiedsric­hterobmann des SFV.

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