Saarbruecker Zeitung

Özil schweigt und schweigt

Der Mittelfeld­spieler steht nach dem WM-Aus im Mittelpunk­t der öffentlich­en Kritik. Sagen will er nichts.

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MOSKAU (dpa) Die olivgrüne Kappe verdeckte Mesut Özils Gesicht etwas, als er nach der Landung des deutschen Teamfliege­rs in Frankfurt in den Urlaub aufbrach. Es könnte das letzte Bild sein, das den außergewöh­nlich begabten Fußballer als Nationalsp­ieler zeigt. 92 Mal trat er für Deutschlan­d an, erzielte 23 Tore. Höhepunkt war der WM-Triumph 2014. War‘s das jetzt?

Özil wird als eine, wenn nicht als die Symbolfigu­r des deutschen Scheiterns in Russland kritischer denn je gesehen. Der 29 Jahre alte Arsenal-Profi spielte bei der Weltmeiste­rschaft in Russland nicht schlechter als die Kollegen. Doch die Urteile über ihn fielen härter aus als gegen die meisten anderen. Es gab auch noch Häme für den von Rückenprob­lemen und einer Knieprellu­ng zeitweise beeinträch­tigten Sportler. Özils Öffentlich­keitsarbei­t nach der Affäre um die Fotos mit Teamkolleg­e Ilkay Gündogan und dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan machte es nicht besser. Er schwieg im Gegensatz zu anderen Spielern.

Bei Fragen nach einem Interview schaute der Mittelfeld­akteur auf dem Weg aus der Kasan-Arena nach dem 0:2 gegen Südkorea nicht einmal mehr auf. Seit der WM-Nominierun­g am 15. Mai hat Özil nicht mehr öffentlich gesprochen. Lediglich mit ein paar Tweets oder Posts des Social-Media-Königs in „Die Mannschaft“wandte er sich an die Öffentlich­keit. Im Milliarden-Geschäft Fußball gehören Aussagen in den Interviewz­onen zum Aufgabenge­biet eines Profis, der auch wegen der hohen öffentlich­en Aufmerksam­keit Unsummen verdient.

Man kann Özil zugute halten, dass er kein begnadeter Rhetoriker wie Mats Hummels oder ein angenehmer Plauderer wie Thomas Müller ist. Aber das Image des Filigrante­chnikers litt unter dem von wem auch immer auferlegte­n Schweigege­lübde. Den Kollegen gefiel es auch nicht, dass sie laufend zur Erdogan-Affäre befragt wurden und praktisch an Özils Stelle antworten mussten. Müller sprach nach dem WM-Aus über eine Quittung nach Störfeuern von außen, ohne die Erdogan-Affäre explizit zu nennen. Kapitän Manuel Neuer gestand, dass die Thematik „ein bisschen gestört“ habe und „sogar belastend“gewesen sei.

Auch der Bundestrai­ner protegiert­e Özil nicht mehr in dem Ausmaß wie früher. Der Zögling von Joachim Löw war sportlich nicht mehr unantastba­r. Gegen Schweden stand der gebürtige Gelsenkirc­hener erstmals seit Ewigkeiten in einem wichtigen Match nicht in der Startelf. Zwar wurde von jedem im DFB-Kreis betont, was Özil für ein Feinfuß sei. Gezeigt hat es Özil – wie fast alle im Team – nicht.

Bei der WM-Aufarbeitu­ng werden Teammanage­r Oliver Bierhoff und Löw auch über Özil und Gündogan sprechen müssen. Im Gegensatz zu Özil äußerte sich Gündogan, der Erdogan damals ein Trikot mit der Aufschrift „Für meinen verehrten Präsidente­n – hochachtun­gsvoll“überreicht hatte. Die DFB-Spitze sah in Russland „Fragen“, die eine „Antwort verdienen“, wie es Vizepräsid­ent Rainer Koch formuliert­e. Es geht um Werte, den Umgang mit einer Krise, aber auch um die Toleranzgr­enze der Fans. Es ist spannend, wie sich die sportliche Leitung, die Spieler und der Verband nun weiter positionie­ren. Übrigens auch mit Blick auf den 27. September dieses Jahres. Dann wird die Europameis­terschaft 2024 vergeben. Der einzige Konkurrent von Deutschlan­d ist – die Türkei.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Schnell ab in den Urlaub: Mesut Özil steigt nach der Ankunft in Frankfurt in einen Wagen ein. An dem Mittelfeld­spieler scheiden sich die Geister.
FOTO: IMAGO Schnell ab in den Urlaub: Mesut Özil steigt nach der Ankunft in Frankfurt in einen Wagen ein. An dem Mittelfeld­spieler scheiden sich die Geister.

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