Saarbruecker Zeitung

Plötzlich blieb sein Herz einfach stehen

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie L ebenswege Verstorben­er vor. Heute: Otto Dorscheid.

- VON CAROLIN MERKEL

VÖLKLINGEN Die Krankheit, erzählt Ilse Dorscheid, war viele Jahre ein ständiger Begleiter im Alltag. „Wenn jemand so viele Jahre krank ist, dann betrifft es nicht nur ihn selbst, sondern auch die ganze Familie“. Ihr Mann Otto Dorscheid wurde schon sehr früh krank, zunächst die Bandscheib­e, dann das Herz. „Mein Mann hat sich dann immer mehr verkrochen, war antriebslo­s“, erzählt sie. Dabei, das wünschte sich die ganze Familie, hätte er noch viele Jahre vor sich haben dürfen – als jüngstes von sechs Kindern.

Geboren wurde Otto Dorscheid am 11. Dezember 1949 in Friedrichs­thal. Da hatte seine Mutter, von Beruf Hausfrau, mit seinen Geschwiste­rn, darunter auch Zwillinge, alle Hände voll zu tun. „Für meinen Mann war seine Kindheit das Paradies. Die Kinder haben immer alle draußen gespielt, da war ganz schön was los in der Straße“, sagt die Witwe. Ottos Vater war Bergmann und spielte in der Bergkapell­e. „Das hat mein Mann immer wieder erwähnt, er war sehr stolz auf seinen Papa“. Dass es ihrem Mann einmal so wie seinem Vater ergehen würde, der bereits im Alter von 65 Jahren an einem Herzinfark­t starb, konnte niemand ahnen. „Alle seine Geschwiste­r leben bis heute und sind gesund, warum ausgerechn­et Otto die Herzproble­me bekam, kann keiner erklären“, sagt Ilse Dorscheid.

Nach der Volksschul­e absolviert­e Otto Dorscheid eine Lehre als Bürokaufma­nn bei Peugeot in Saarbrücke­n, ging danach zwei Jahre zur Bundeswehr. Nach einigen weiteren Jahren bei der Autofirma entschied er sich, dem Staat zu dienen, wurde mit 26 Jahren Justizvoll­zugsbeamte­r in Ottweiler. „Ich glaube, das war ein Fehler, denn ihm ist von Anfang an der Schichtdie­nst nicht bekommen. Nach der Nachtschic­ht hat er es gerade mal geschafft, zwei Stunden zu schlafen. Das war einfach

Ilse Dorscheid, Witwe von Otto Dorscheid nicht gut“, sagt Ilse Dorscheid. Die beiden lernten sich im Jahr 1977 kennen. „Wir sind mit der Clique immer nach Bildstock in die Disco zum Tanzen, da sind wir uns dann über den Weg gelaufen“, erzählt sie. Da beide schon Beziehunge­n hinter sich hatten, wurden recht schnell Nägel mit Köpfen gemacht, die Hochzeit fand am 3. März 1978 in Quierschie­d statt. „Das war eine sehr große Feier, allein schon, weil man Mann ja so viele Geschwiste­r hatte“, erinnert sich Ilse Dorscheid. Bis heute kommen bei Familienfe­iern schnell mal über 20 Leute zusammen.

Eine große Leidenscha­ft hatte Otto Dorscheid im Schützenve­rein in Spiesen entwickelt. Bereits mit 15 Jahren war er aktiv, nahm an vielen Meistersch­aften teil. Doch mit der Geburt der Tochter und dem Schichtdie­nst konnte er nicht mehr an den Wochenende­n bei Wettkämpfe­n teilnehmen und gab das Hobby schweren Herzens auf, erzählt die Witwe. Die einzige Tochter Sabine wurde im August 1981 geboren, ein absolutes Wunschkind. Mit dem Haus in Ottweiler und dem Familienhu­nd Urmel, einem Airedale Terrier-Mädchen, schien das Glück perfekt. Vor allem in der Kirchengem­einde in Ottweiler setzte sich Otto Dorscheid ein, begleitete zahlreiche Fahrten, ganze Bilderalbe­n erzählen davon.

Doch schnell, erzählt Ilse Dorscheid, kamen die ersten Beschwerde­n bei ihrem Mann, der sich schließlic­h nach Operation und Reha in den Innendiens­t nach Saarbrücke­n versetzen ließ. Es folgte der Umzug nach Püttlingen. „Mein Mann hat schon da viele Medikament­e genommen, mit dem Auto bis nach Ottweiler hätte er nach der Arbeit nicht mehr geschafft“, sagt sie. Mit 60 schließlic­h konnte er in Rente gehen. Das Paar zog in eine Wohnung nach Völklingen. „Ich habe zu der Zeit ja noch gearbeitet, da konnten wir einfach nicht viel zusammen unternehme­n“, sagt Ilse Dorscheid. Ihr Mann verbrachte viel Zeit am Computer. „Ich kann mich noch gut erinnern, wir hatten damals schon so einen großen Kasten, einen der ersten Computer. Mein Mann war aber nie in einem Kurs, hat sich alles selbst angeeignet.“Vor allem, wenn es ihm nicht so gut ging, sagt sie, fand er Ruhe in seinem Arbeitszim­mer.

Unzählige Aufenthalt­e im Krankenhau­s, dazu viele Reha-Maßnahmen, sie alle konnten am Ende nicht verhindern, dass das Herz eines Tages plötzlich stehen blieb. „Sicher, er war krank und nahm auch viele Medikament­e, doch eine Vorahnung konnten wir an diesem Morgen beide nicht haben“, sagt Ilse Dorscheid. Sie ging an jenem Tag früh zur Arbeit, ihr Mann schlief noch. Selbst als sie am Nachmittag zurückkam, wirkte alles wie immer. Da es März war, hatte sie am Morgen die Rollläden unten gelassen. Als sie heimkam, „waren alle hochgezoge­n, im Wohnzimmer lief der Fernseher, auf dem Tisch stand ein Glas Cola“. Sogar die Spülmaschi­ne war halb ausgeräumt, „das macht man doch nicht, wenn es einem schlecht geht“, sagt sie. Der Blick ins Schlafzimm­er lässt sie bis heute erschauder­n. „Mein Mann lag auf dem Bett, komplett angezogen, das Handy neben sich“, sagt sie und ist auch heute noch sichtlich mitgenomme­n. Sie rief sofort den Notarzt, doch jede Hilfe kam zu spät. „Der Herzinfark­t muss wohl plötzlich und wohl auch schmerzlos gewesen sein. Der Notarzt meinte, selbst wenn ich danebenges­tanden hätte, hätte ich ihm nicht mehr helfen können.“.............................................

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stellt die SZ im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorben­er vor. Im Internet zu finden unter saarbrueck­er-zeitung.de/lebenswege

„Wir sind mit der Clique immer nach Bildstock in die Disco, da sind wir uns über den Weg gelaufen.“

Michaela Heinze, Frauke Scholl Peter Seringhaus

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FOTO: FAMILIE DORSCHEID Otto Dorscheid stammte aus Friedrichs­thal, zuletzt lebte er mit seiner Familie in Völklingen.

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