Plötzlich blieb sein Herz einfach stehen
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie L ebenswege Verstorbener vor. Heute: Otto Dorscheid.
VÖLKLINGEN Die Krankheit, erzählt Ilse Dorscheid, war viele Jahre ein ständiger Begleiter im Alltag. „Wenn jemand so viele Jahre krank ist, dann betrifft es nicht nur ihn selbst, sondern auch die ganze Familie“. Ihr Mann Otto Dorscheid wurde schon sehr früh krank, zunächst die Bandscheibe, dann das Herz. „Mein Mann hat sich dann immer mehr verkrochen, war antriebslos“, erzählt sie. Dabei, das wünschte sich die ganze Familie, hätte er noch viele Jahre vor sich haben dürfen – als jüngstes von sechs Kindern.
Geboren wurde Otto Dorscheid am 11. Dezember 1949 in Friedrichsthal. Da hatte seine Mutter, von Beruf Hausfrau, mit seinen Geschwistern, darunter auch Zwillinge, alle Hände voll zu tun. „Für meinen Mann war seine Kindheit das Paradies. Die Kinder haben immer alle draußen gespielt, da war ganz schön was los in der Straße“, sagt die Witwe. Ottos Vater war Bergmann und spielte in der Bergkapelle. „Das hat mein Mann immer wieder erwähnt, er war sehr stolz auf seinen Papa“. Dass es ihrem Mann einmal so wie seinem Vater ergehen würde, der bereits im Alter von 65 Jahren an einem Herzinfarkt starb, konnte niemand ahnen. „Alle seine Geschwister leben bis heute und sind gesund, warum ausgerechnet Otto die Herzprobleme bekam, kann keiner erklären“, sagt Ilse Dorscheid.
Nach der Volksschule absolvierte Otto Dorscheid eine Lehre als Bürokaufmann bei Peugeot in Saarbrücken, ging danach zwei Jahre zur Bundeswehr. Nach einigen weiteren Jahren bei der Autofirma entschied er sich, dem Staat zu dienen, wurde mit 26 Jahren Justizvollzugsbeamter in Ottweiler. „Ich glaube, das war ein Fehler, denn ihm ist von Anfang an der Schichtdienst nicht bekommen. Nach der Nachtschicht hat er es gerade mal geschafft, zwei Stunden zu schlafen. Das war einfach
Ilse Dorscheid, Witwe von Otto Dorscheid nicht gut“, sagt Ilse Dorscheid. Die beiden lernten sich im Jahr 1977 kennen. „Wir sind mit der Clique immer nach Bildstock in die Disco zum Tanzen, da sind wir uns dann über den Weg gelaufen“, erzählt sie. Da beide schon Beziehungen hinter sich hatten, wurden recht schnell Nägel mit Köpfen gemacht, die Hochzeit fand am 3. März 1978 in Quierschied statt. „Das war eine sehr große Feier, allein schon, weil man Mann ja so viele Geschwister hatte“, erinnert sich Ilse Dorscheid. Bis heute kommen bei Familienfeiern schnell mal über 20 Leute zusammen.
Eine große Leidenschaft hatte Otto Dorscheid im Schützenverein in Spiesen entwickelt. Bereits mit 15 Jahren war er aktiv, nahm an vielen Meisterschaften teil. Doch mit der Geburt der Tochter und dem Schichtdienst konnte er nicht mehr an den Wochenenden bei Wettkämpfen teilnehmen und gab das Hobby schweren Herzens auf, erzählt die Witwe. Die einzige Tochter Sabine wurde im August 1981 geboren, ein absolutes Wunschkind. Mit dem Haus in Ottweiler und dem Familienhund Urmel, einem Airedale Terrier-Mädchen, schien das Glück perfekt. Vor allem in der Kirchengemeinde in Ottweiler setzte sich Otto Dorscheid ein, begleitete zahlreiche Fahrten, ganze Bilderalben erzählen davon.
Doch schnell, erzählt Ilse Dorscheid, kamen die ersten Beschwerden bei ihrem Mann, der sich schließlich nach Operation und Reha in den Innendienst nach Saarbrücken versetzen ließ. Es folgte der Umzug nach Püttlingen. „Mein Mann hat schon da viele Medikamente genommen, mit dem Auto bis nach Ottweiler hätte er nach der Arbeit nicht mehr geschafft“, sagt sie. Mit 60 schließlich konnte er in Rente gehen. Das Paar zog in eine Wohnung nach Völklingen. „Ich habe zu der Zeit ja noch gearbeitet, da konnten wir einfach nicht viel zusammen unternehmen“, sagt Ilse Dorscheid. Ihr Mann verbrachte viel Zeit am Computer. „Ich kann mich noch gut erinnern, wir hatten damals schon so einen großen Kasten, einen der ersten Computer. Mein Mann war aber nie in einem Kurs, hat sich alles selbst angeeignet.“Vor allem, wenn es ihm nicht so gut ging, sagt sie, fand er Ruhe in seinem Arbeitszimmer.
Unzählige Aufenthalte im Krankenhaus, dazu viele Reha-Maßnahmen, sie alle konnten am Ende nicht verhindern, dass das Herz eines Tages plötzlich stehen blieb. „Sicher, er war krank und nahm auch viele Medikamente, doch eine Vorahnung konnten wir an diesem Morgen beide nicht haben“, sagt Ilse Dorscheid. Sie ging an jenem Tag früh zur Arbeit, ihr Mann schlief noch. Selbst als sie am Nachmittag zurückkam, wirkte alles wie immer. Da es März war, hatte sie am Morgen die Rollläden unten gelassen. Als sie heimkam, „waren alle hochgezogen, im Wohnzimmer lief der Fernseher, auf dem Tisch stand ein Glas Cola“. Sogar die Spülmaschine war halb ausgeräumt, „das macht man doch nicht, wenn es einem schlecht geht“, sagt sie. Der Blick ins Schlafzimmer lässt sie bis heute erschaudern. „Mein Mann lag auf dem Bett, komplett angezogen, das Handy neben sich“, sagt sie und ist auch heute noch sichtlich mitgenommen. Sie rief sofort den Notarzt, doch jede Hilfe kam zu spät. „Der Herzinfarkt muss wohl plötzlich und wohl auch schmerzlos gewesen sein. Der Notarzt meinte, selbst wenn ich danebengestanden hätte, hätte ich ihm nicht mehr helfen können.“.............................................
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stellt die SZ im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorbener vor. Im Internet zu finden unter saarbruecker-zeitung.de/lebenswege
„Wir sind mit der Clique immer nach Bildstock in die Disco, da sind wir uns über den Weg gelaufen.“
Michaela Heinze, Frauke Scholl Peter Seringhaus