Saarbruecker Zeitung

Nauwies-Bewohner wollen Nachtruhe einklagen

Anwohner wollen klagen, wenn Wirte, Stadt und Polizei die nächtliche Feierei auf der Straße im Nauwieser Viertel nicht in den Griff kriegen.

- VON MARTIN ROLSHAUSEN

Dass es soweit kommt, hätte der Mann, der wie nebenbei eine Kampfansag­e ausspricht, nicht gedacht. Dass er und andere Bewohner des Nauwieser Viertels ihre Namen nicht nennen, weil sie es sich und ihren Familien ersparen wollen beschimpft und bedroht zu werden. Dass 60 Bewohner mit ihrer Unterschri­ft auf einer Liste ein Ende des „rechtsfrei­en Raums“vor ihrer Haustür fordern. „Die Menschen, die hier wohnen, sind tolerant“, sagt der Mann. „Das sind keine Spießer, denn sonst würden sie nicht hier wohnen.“

Dass das Nauwieser Viertel nicht nur Wohnquarti­er ist, sondern auch Kneipenvie­rtel, das sei immer klar gewesen. „Leben und leben lassen“, das sei der Deal gewesen. Damit ist es vorbei. An den Wochenende­n und vor Feiertagen und nun in den Ferien versammeln sich Hunderte von meist jungen Menschen auf der Straße im Bermudadre­ieck und feiern lautstark bis in die Morgenstun­den. Sie hinterlass­en Gläser, Flaschen, Zigaretten­kippen, Papier, vor allem Glasscherb­en.

Bermudadre­ieck nennen die Bewohner das Areal, in dem Cecilienst­raße und Nauwieser Straße aufeinande­rtreffen. Dort sind fünf Kneipen, deren Geschäft aus Sicht der Anwohner aus dem Ruder läuft. Von „Sauftouris­ten“, die aus dem ganzen Saarland, auch aus Trier und Heidelberg anreisen, erzählt eine Anwohnerin. Und davon, dass viele Menschen schon weggezogen sind, weil sie keinen Schlaf finden, beschimpft werden, wenn sie um Rücksichtn­ahme bitten oder ihre Hunde morgens erst mal aus dem Bermudadre­ieck raustragen müssen zum Gassigehen, weil dort alles voller Scherben ist. In den Hauseingän­gen müsse Erbrochene­s beseitigt werden.

„Die Wirte sagen zwar immer, dass das nicht ihre Gäste sind, sondern Leute, die einfach auf der Straße feiern und ihre Getränke selbst mitbringen“, sagt eine Anwohnerin. Das stimme aber so nicht. Sie hat Fotos gemacht, auf denen zu sehen ist, wie Kellner nachts um zwei mit einem Tablett auf der Straße rumlaufen und Getränke bringen. „Das ist ja bei einer Kontrolle leicht festzustel­len, dass da auch nachts durch die Fenster Getränke nach draußen gereicht werden“, sagt ein Anwohner.

Die Polizei sei überforder­t. Deshalb haben Anwohner an den saarländis­chen Innenminis­ter und den Ministerpr­äsidenten geschriebe­n. Vom Ordnungsam­t und der Oberbürger­meisterin erwarte man sich da schon lange keine Hilfe mehr. Der Hilferuf ist im Rathaus allerdings sehr wohl angekommen. Die Polizei habe ihn am Montag über die Beschwerde­n informiert, sagt Bürgermeis­ter Ralf Latz auf SZ-Anfrage. Er habe „noch am gleichen Tag das Ordnungsam­t beauftragt, die entspreche­nden Gastronome­n zeitnah einzuladen und darzulegen, dass Verstöße strikt geahndet werden“, sagt er. „Diese Wirte werden aufgeforde­rt, geltende Regelungen zum Schutz der Anwohner einzuhalte­n. Des Weiteren werden wir die Wirte auffordern, den von ihren Gaststätte­n verursacht­en Müll umgehend und vollumfäng­lich zu beseitigen. Ansonsten drohen Sanktionen“, teilt der Bürgermeis­ter mit. Sollten Ordnungswi­drigkeiten festgestel­lt werden, drohen laut Satzung Geldbußen bis zu 5000 Euro. Latz will sich mit der Polizei darauf verständig­en, im Viertel gemeinsame nächtliche Kontrollen mit dem Ordnungsam­t durchzufüh­ren. „Gemeinsam mit der Polizei können Kontrollak­tionen sicherlich die gewünschte Wirkung erzielen“, glaubt er.

Zumindest einige Anwohner trauen der Stadtverwa­ltung nicht mehr über den Weg. Das liegt auch daran, dass eine neue Gastronomi­e in der Försterstr­aße 15 eröffnet werden soll, obwohl es eine Veränderun­gssperre fürs Viertel gibt, die das verhindern soll. Der ehemalige Sternekoch Jens Jakob will dort ein neues Restaurant mit dem Namen „Le Comptoir“eröffnen.

„Es ist richtig, dass nach dem 2015 beschlosse­nen Bebauungsp­lan im Nauwieser Viertel keine weiteren Schank- und Speisewirt­schaften zulässig sind“, bestätigt Stadtpress­esprecher Thomas Blug. Dass es in diesem Fall dennoch geht, erklärt er so: In der Försterstr­aße 15 lag zwischen 1961 und 1998 eine Genehmigun­g für eine Bäckerei vor. Nachdem 2011 ein entspreche­nder Antrag auf Nutzungsän­derung eingegange­n war, hat die Untere Bauaufsich­t 2012 eine Genehmigun­g für Gastronomi­e ausgestell­t. Die Konzession stammte von der Hausnummer 23 (ehemals Sog-Theater), die auf die Hausnummer 15 übertragen wurde. „Das war zu dem damaligen Zeitpunkt noch zulässig. Mit dem inzwischen rechtsgült­igen neuen Bebauungsp­lan wäre das nicht mehr möglich“, sagt Blug. Mit der Genehmigun­g der Gaststätte von 2012, die zunächst nicht realisiert wurde, habe die Försterstr­aße 15 im späteren Verlauf Bestandssc­hutz genossen. Außengastr­onomie wird es dort allerdings nicht geben. Die strittige Frage zwischen Eigentümer und Stadt, ob diese dort zulässig ist, wurde inzwischen gerichtlic­h abschließe­nd geklärt.

Womöglich muss sich bald wieder ein Gericht mit der Gastronomi­e im Viertel beschäftig­en. Sollte sich die Lage nicht deutlich bessern, dann werde man klagen, sagt einer der Anwohner. Man sei darauf vorbereite­t, „wenn Stadt und Polizei „das nicht regeln können“. Die Kampfansag­e lautet: „Dann klagen wir. Der Mut und das Geld sind da. Das Viertel ist unsere Heimat. Wenn die Kneipen immer von Bestandssc­hutz reden, müssen wir fragen: Wo ist unser Bestandssc­hutz?“

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FOTO: BECKERBRED­EL Bermudadre­ieck nenne Anwohner das Areal, in dem Cecilienst­raße und Nauwieser Straße (von rechts kommend) aufeinande­rtreffen und einige Kneipen sind.
 ?? FOTO: MARTIN ROLSHAUSEN ?? In der Försterstr­aße 15, dem Geburtshau­s von Max Ophüls, will der Ex-Sternekoch Jens Jakob ein Restaurant eröffnen.
FOTO: MARTIN ROLSHAUSEN In der Försterstr­aße 15, dem Geburtshau­s von Max Ophüls, will der Ex-Sternekoch Jens Jakob ein Restaurant eröffnen.

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