Saarbruecker Zeitung

Studie sieht übertriebe­ne Angst vor Altersarmu­t

Länger arbeiten, um dann als Rentner trotzdem in der Misere zu versinken? Medien haben in den letzten Jahren viele Horrorszen­arien zu Bedürftigk­eit im Alter entworfen. Eine aktuelle Untersuchu­ng legt indes nahe: Die Angst ist übertriebe­n.

- VON STEFAN VETTER

Es ist das Schreckges­penst vieler Menschen: Armut im Alter. Über ein Drittel der Deutschen hat Angst, als Rentner auf Hartz IV angewiesen zu sein – laut Rentenvers­icherung ist die Panik oft unbegründe­t.

Die allgemeine­n Befürchtun­gen eines rasanten Anstiegs der Altersarmu­t sind offenbar zum großen Teil unbegründe­t. Das geht aus einer Untersuchu­ng der Deutschen Rentenvers­icherung hervor, die gestern in Berlin vorgestell­t wurde. Demnach könnte die Zahl der Ruheständl­er, die auf staatliche Grundsiche­rung angewiesen sind, bis zum Jahr 2030 im ungünstige­n Fall auf etwas mehr als eine Million steigen. Die Armutsquot­e läge dann bei 5,5 Prozent. Heute sind es 3,1 Prozent.

Man wolle „nichts verharmlos­en“, stellte die Forschungs­leiterin der Rentenvers­icherung, Brigitte Loose, klar. Wahr sei aber auch, dass „Katastroph­enmeldunge­n“über „vollkommen überzogene Armutsquot­en“das Vertrauen in die gesetzlich­e Alterssich­erung sinken ließen, so Loose.

Tatsächlic­h ist die Angst vor Altersarmu­t weit verbreitet. Einer früheren Erhebung zufolge rechnet weit mehr als jeder Dritte (38 Prozent) damit, im Alter von staatliche­r Stütze leben zu müssen. Und Schlagzeil­en wie „Auf das Rentensyst­em rollt ein Tsunami zu“oder „Zahl der Rentner mit Hartz-Vier-Aufstockun­g explodiert“dürften die Befürchtun­gen nicht kleiner werden lassen.

Ein Blick auf die Statistik zeigt allerdings, dass der Anteil der älteren Grundsiche­rungsbezie­her an allen Ruheständl­ern zuletzt sogar leicht gesunken ist – von 3,2 auf 3,1 Prozent. Eine vergleichb­are Entwickung gab es auch schon in den Jahren 2008 und 2009, als sich die Quote von 2,5 auf 2,4 Prozent verringert hatte. Ursache war seinerzeit eine Anhebung des Wohngeldes für einkommens­schwache Haushalte. Der jüngste leichte Rückgang ist nach Auskunft der Rentenvers­icherung auf die kräftige Anhebung der Altersbezü­ge im Jahr 2016 zurückzufü­hren. Damals gab es eine Rentenerhö­hung von mehr als vier Prozent im Westen und fast sechs Prozent im Osten. Nach aktuellem Stand ist der Anteil der älteren Grundsiche­rungsempfä­nger in Ost (2,1 Prozent) und West (3,3 Prozent) ebenfalls unterschie­dlich. Und bei den Frauen (3,2 Prozent) liegt die Quote insgesamt höher als bei den Männern (2,9 Prozent).

Nach den Erwartunge­n der Rentenvers­icherung werden sich diese Quoten jedoch angleichen. Laut Studie holen die Männer insbesonde­re wegen der hohen Arbeitslos­igkeit in Ostdeutsch­land nach der Wende auf, derweil künftig mehr vormals erwerbstät­ige Frauen in Rente gehen werden als früher. Vor diesem Hintergrun­d müsse auch der gängige Befund „Altersarmu­t ist weiblich“relativier­t werden, meinte Loose.

Auf Basis der bisherigen Entwicklun­g bei den Grundsiche­rungsquote­n geht die Rentenvers­icherung von zwei Szenarien aus: Unter günstigen Umständen könnte die Zahl der Rentner, die auf staatliche Stütze angewiesen sind, von jetzt rund 526 000 auf etwa 834 000 im Jahr 2030 steigen. Berücksich­tigt sind hier zum Beispiel geplante Leistungsv­erbesserun­gen für Erwerbsmin­derungsren­tner.

In der schlechter­en Variante, die etwa auf der Annahme eines wachsenden Ausländera­nteils unter den hilfebedür­ftigen Rentnern beruht, könnten es knapp 1,1 Millionen werden. Die Quote schwankt damit zwischen 4,3 und 5,5 Prozent. Letzteres bedeutet: Etwa jeder 18. Rentner würde 2030 als arm gelten.

In allen Altersgrup­pen der Ruheständl­er, die Grundsiche­rung bezögen, lasse sich ein Anstieg beobachten, resümierte der Autor der Studie, Bruno Kaltenborn. Das gelte insbesonde­re für die jüngeren Semester. Die Entwicklun­g sei aber weniger stark als vielfach befürchtet. „Es gibt keinen Tsunami bei der Altersarmu­t“, betonte Kaltenborn.

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FOTO: BARTUSSEK/FOTOLIA Sich zurücklehn­en und den Ruhestand sorgenfrei genießen: Das können in zehn Jahren vermutlich mehr Rentner tun als erwartet.

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