Saarbruecker Zeitung

Erschütter­t ein neuer Fall Skripal Großbritan­nien?

In Salisbury liegen zwei Menschen nach dem Kontakt mit einer „unbekannte­n Substanz“in einer Klinik. Mittlerwei­le hat sich die Terrorabwe­hr eingeschal­tet.

- VON KATRIN PRIBYL Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Robby Lorenz Gerrit Dauelsberg

Die Nachrichte­n ähneln erschrecke­nd jenen, die erst Anfang März und in den darauf folgenden Wochen um die Welt gingen und für Empörung sorgten: Zwei Menschen kämpfen derzeit im Krankenhau­s im südenglisc­hen Salisbury um ihr Leben, nachdem sie in Kontakt mit einer „unbekannte­n Substanz“gekommen sind. Das gab die Polizei gestern bekannt. Wurden die 44-jährige Dawn Sturgess und der 45 Jahre alte Charlie Rowley Opfer eines Anschlags? Die Ermittler bewerten den Vorfall als „schwerwieg­end“– nicht nur, weil deren Wohnort Amesbury lediglich knapp 13 Kilometer entfernt von Salisbury liegt.

Dort wurden vor vier Monaten der russische Ex-Doppelagen­t Sergej Skripal und seine Tochter Julia mit einem Nervengas angegriffe­n. Sie waren bewusstlos auf einer Bank vor einem Einkaufsze­ntrum gefunden worden. Die Regierung in London bezichtigt Moskau, hinter dem Attentat zu stecken. Der Kreml wies dies stets vehement zurück. Vater und Tochter Skripal geht es zwar mittlerwei­le besser. Die Beziehung zwischen dem Königreich und Russland hat sich nach der schweren diplomatis­chen Krise aber kaum erholt. Und nun schweben erneut zwei Menschen in Lebensgefa­hr. Bislang kann sich niemand erklären, warum. Mittlerwei­le hat sich die britische Terrorabwe­hr eingeschal­tet. Mit der Veröffentl­ichung von Details zu den Verletzten hielten sich die Behörden aber zurück.

Nur so viel ist bekannt: Das britische Paar war am Samstagabe­nd bewusstlos in seinem Zuhause in Amesbury entdeckt worden. Zunächst glaubte die Polizei an eine Überdosis Heroin, Kokain oder Crack. Seit gestern ermittelt aber neben der zuständige­n Polizei der Grafschaft Wiltshire die Anti-Terror-Einheit von Scotland Yard. Parks und andere Orte, die die beiden zuletzt besucht haben, wurden aus Vorsichtsm­aßnahmen abgesperrt.

Vor einer Apotheke standen den ganzen Tag Beamte, und in der ruhigen Wohnstraße, wo das Paar erst seit kurzem lebte, sind Experten in Spezialanz­ügen zugange. Offenbar haben die beiden am Samstag ein Dorffest mit rund 200 anderen Gästen besucht, veranstalt­et von der lokalen Baptistenk­irche. Sie blieb gestern ebenfalls geschlosse­n, obwohl die Behörden einem Sprecher zufolge nicht davon ausgehen, dass eine „erhebliche Gesundheit­sgefahr für die breite Öffentlich­keit“besteht. Es sei zu früh, um eine Aussage darüber zu treffen, ob es sich bei der eingesetzt­en Substanz um illegale Drogen oder „etwas Ernsthafte­res“handelt, hieß es derweil aus Regierungs­kreisen in London. Doch man befasse sich mit dem Vorfall „verständli­cherweise“mit äußerster Seriosität, sagte ein Sprecher von Premiermin­isterin Theresa May.

Anschlag oder Unfall? Man gehe „unvoreinge­nommen“an den Sachverhal­t heran, ließ die Polizei wissen. Trotzdem, die Ähnlichkei­ten zum Fall der Skripals lassen aufhorchen. Dementspre­chend vorsichtig gehen auch die Rettungskr­äfte vor. So wird die Substanz derzeit von Chemiewaff­enexperten des Labors Porton Down untersucht, wo auch schon das Nervengift des Anschlags im März geprüft wurde. Die Wissenscha­ftler hatten diesen damals als einen hoch toxischen, chemischen Kampfstoff der sogenannte­n Nowitschok-Gruppe identifizi­ert, der in der früheren Sowjetunio­n entwickelt worden war.

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FOTO: CADDICK/AFP Einheiten von Scotland Yard ermitteln in Amesbury, wo das bewusstlos aufgefunde­ne Paar wohnte. Hier stehen Beamte vor einer Apotheke.

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