Saarbruecker Zeitung

Der Plan des Sozialmini­sters ist gut, aber nicht gerecht

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In der steuerpoli­tischen Debatte wird oft Zweierlei übersehen: Erstens, dass die Menschen höchst unterschie­dliche Einkommens­quellen und -bedingunge­n haben, sodass es keine einfachen Lösungen für alle geben kann. Auch nicht die Steuererkl­ärung, die auf den berühmten einen Bierdeckel passt. Eine allgemeine Senkung des Einkommens­steuertari­fs zum Beispiel hat für die unteren Einkommen null Wirkung – weil diese keine oder kaum Steuern zahlen.

Ebenso oft wird übersehen, dass für den Einzelnen nur eine Größe wirklich zählt: Wie viel Geld am Ende netto in der Tasche ist. Und mehr noch: Über wie viel man frei verfügen kann. Das hängt nicht allein von der Steuer ab. Die beschlosse­ne Abschaffun­g von Kita-Gebühren ist zum Beispiel für Familien viel wirksamer. Und so ist auch die geplante Anhebung der Schwelle, ab der volle Sozialabga­ben zu zahlen sind, für Geringverd­iener womöglich entscheide­nder als zum Beispiel die Erhöhung des Mindestloh­ns, die ja auch noch kommt. Sozialabga­ben sind die Steuer der Armen.

Der Plan von Bundessozi­alminister Hubertus Heil (SPD) ist gut und lange überfällig. Und wenn man ihn in Kombinatio­n mit anderen schon beschlosse­nen Maßnahmen sieht – der Wiederhers­tellung der Parität in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung, den Rentenerhö­hungen, der Senkung des Beitrages zur Arbeitslos­enversiche­rung und der Anhebung der steuerlich­en Freibeträg­e und des Kindergeld­es –, dann ist das ein Riesenpake­t für untere Einkommens­klassen und Familien. Es ist bedauerlic­h, dass diese Leistungen politisch geradezu untergehen im Schatten des Streites um die Flüchtling­e. Auch die so genannten „kleinen Leute“, von denen viele einen harten Kurs gegen Flüchtling­e befürworte­n, sollten mehr darüber nachdenken, wo ihre wirklichen Interessen liegen. Dann würde so mancher den auch dafür zuständige­n Minister Horst Seehofer jetzt an der Zahl neuer Sozialwohn­ungen messen. Und nicht an der Zahl der Abschiebez­entren.

Bezahlt werden die sozialen Wohltaten zum großen Teil aus Steuermitt­eln. Das ist zwar richtig so, aber wer diese Steuermitt­el aufbringt, das ist nicht richtig. Der Faktor Arbeit trägt einen immer größer werdenden Anteil der Last. Der Faktor Vermögen und Kapitalein­künfte einen immer kleineren. Weder traut sich die Regierung an eine Abflachung des Steuertari­fs mit einer Erhöhung des Spitzenste­uersatzes, noch gar an eine Reform der Erbschafts­steuer für reiche Erben. Nun, das stand auch nicht im Koalitions­programm. Aber die Abschaffun­g der ungerechte­n Abgeltungs­steuer auf Zinserträg­e steht da sehr wohl. Selbst das ist aber noch nicht umgesetzt. So richtig es ist, die Menschen mit niedrigen Einkommen zu entlasten, so falsch ist es, die mit sehr hohen Einkommen und Vermögen nicht gleichzeit­ig stärker zu belasten. Denn so zahlt allein die Mittelschi­cht, der normale Angestellt­e und Facharbeit­er, die Zeche. Das ist nicht gerecht und für die gesellscha­ftliche Stabilität auf Dauer nicht gut.

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