„Es wird ganz geschickt ein Bedrohungsszenario aufgebaut“
Psychologin Cathleen Kappes von der Universität Münster rät Angehörigen, das Thema Enkeltrick bei Senioren ganz offen anzusprechen.
Psychologin Dr. Cathleen Kappes arbeitet am Institut für Psychologie der Universität Münster.
Sind Senioren gutgläubiger als Jüngere? Oder warum funktioniert der Enkeltrick nach 20 Jahren noch?
KAPPES Dass sie gutgläubiger sind, ist reine Spekulation. Die Forschungslage ist dazu nicht eindeutig genug. Es gibt nur einige wenige Untersuchungen. Natürlich erhöhen kognitive Einschränkungen und das Alleinleben die Wahrscheinlichkeit, dass Senioren Opfer einer solchen Masche werden. Aber es passiert auch Menschen, die kognitiv völlig fit sind. Die Aufklärung funktioniert ja aber schon gut. Immerhin widersteht ja der größte Teil von Senioren den Versuchen von Trickbetrügern. Wenn es zu vollendeten Taten kommt, liegt das meist an der Dynamik der Situation. Am Anfang des Gesprächs schafft der Anrufer ganz bewusst eine Unsicherheit: das Opfer weiß nicht, worum es geht. Eine persönliche Beziehung wird simuliert und eine Dramatik mit einem schwerwiegenden Zwischenfall aufgebaut, also an die Hilfsbereitschaft des Seniors appelliert. Das Perfide: Die Gesprächssituation spinnt sich immer weiter und auf jede kritische Nachfrage des Opfers scheint es eine
Antwort zu geben, die plausibel ist.
Wenn zum Beispiel Zweifel an der Echtheit der Stimme aufkommen?
KAPPES Richtig. Sagt das Opfer: „Du klingst gar nicht wie sonst?“, wird die Antwort sein: „Ja, ich habe eine Erkältung“oder „Die Telefonverbindung ist so schlecht“oder „Ich kann nicht so laut sprechen“. Die kritischen Fragen der Senioren gibt es laut Polizei in den Gesprächen mit den Betrügern durchaus, aber im Prinzip ist der Senior dann schon in das Gespräch verwickelt und kommt kaum noch heraus, da das Gegenüber sehr professionell vorgeht und Druck aufbaut. Etwa mit Sätzen wie „Du wirst mich doch jetzt nicht im Stich lassen?“. Es wird ganz geschickt ein psychisches Bedrohungsszenario aufgebaut. Der beste Weg, diesem zu entkommen, ist aufzulegen.
Was raten Sie Angehörigen?
KAPPES Sich verantwortlich zu fühlen und die älteren Menschen in ihrem Umfeld zu stärken. Sie sollten sie sensibel auf das Thema ansprechen und nachfragen, ob so etwas womöglich vorgefallen ist, und warnen. Familienstreitigkeiten spielen Betrügern ansonsten leider nur in die Hände.