Saarbruecker Zeitung

„Die Schweizer werfen die Flinte nicht so schnell ins Korn“

Nadja von Känel kam der Liebe wegen ins Saarland. Sie beobachtet von hier aus das Kicker-Gipfeltref­fen. Und vermisst die WM-Euphorie.

- VON JANA BOHLMANN

Schweizer sind reich, fahren Ski und sprechen mindestens drei Sprachen. „Das stimmt alles nicht“, sagt Nadja von Känel lachend. Solche Vorurteile amüsieren die 43-Jährige aus dem Kanton Freiburg. Seit knapp 16 Jahren lebt Nadja von Känel im Saarland – und das gern. Der Liebe wegen ist sie ins kleinste Bundesland der Republik gezogen. Die Entscheidu­ng, Deutschlan­d zu ihrem Zuhause zu machen, fiel ihr und ihrem deutschen Mann nicht schwer. „Die Schweiz ist viel zu teuer“, sagt Nadja von Känel. Außerdem ist ihr Mann Saarländer, und die ziehe es ja immer wieder zurück in die Heimat, sagt die Schweizeri­n.

Nadja von Känel lebt gern hier. Sie mag die offene Mentalität, das Essen und das Savoir-vivre. „Im Saarland geht es nicht immer nur um ‚schaffe, schaffe Häusle bauen’, sondern um viel mehr, nämlich darum, das Leben zu genießen“, schildert die 43-Jährige ihre Eindrücke. Auch schätzt sie die Nähe zu Frankreich. Das erinnert sie an ihren Heimatort Murten, der direkt an der Grenze zur französisc­hsprachige­n Schweiz liegt.

Bei der Fußball-WM machte es sich die Industriek­auffrau leicht: Mal war sie für Deutschlan­d, mal für die Schweiz. „Ich war schon traurig, dass Deutschlan­d rausgeflog­en ist und habe mich kaum noch getraut, für die Schweiz zu jubeln, weil alle so traurig um mich herum waren“, sagt Nadja von Känel. Es sei schon verrückt, sagt sie, dass die Schweizer zum ersten Mal besser Fußball gespielt haben als die Deutschen. Erstaunt hat sie aber auch, dass nach dem Ausscheide­n Deutschlan­ds die WM-Euphorie mit einem Mal verschwund­en ist, berichtet Nadja von Känel. „Das würde es in der Schweiz nicht geben. Die Schweizer werfen die Flinte nicht so schnell ins Korn“, sagt die 43-Jährige. Die Schweizer sind immer stolz auf ihr Land, egal ob sie in der Vorrunde ausscheide­n oder gewinnen, erzählt sie weiter. Nadja von Känel hatte aber schon eine gewisse Ahnung, dass der Traum vom WM-Titel auch für die Schweizer bald zu Ende sein könnte. Und am Dienstag ist es tatsächlic­h passiert: Die Schweiz ist ausgeschie­den. Vorerst wird es also keinen ersten Stern für das kleine europäisch­e Land geben.

Die WM-Spiele hat Nadja von Känel trotzdem gern in ihrer Stammkneip­e geschaut – auch allein. „Als Deutschlan­d ausgeschie­den ist, hat danach noch die Schweiz gespielt. Mein Mann und ich waren die einzigen Gäste im Lokal, die zum Public Viewing gekommen waren. Das war schon komisch, aber irgendwie auch witzig.“

Dass sie nicht nur der Schweiz, sondern auch Deutschlan­d die Daumen gedrückt hat, zeigt, dass sich Nadja von Känel hier wohlfühlt. „Es gibt wenige Orte in Deutschlan­d, wo mir die Mentalität so gut gefällt wie hier“, sagt sie. Zwei Dinge stören sie in Saarbrücke­n: die unzuverläs­sigen Busverbind­ungen und die hohen Parkkosten in der Innenstadt. „Das Parken ist fast so teuer wie in der Schweiz, und das will schon etwas heißen“, sagt Nadja von Känel. In diesen beiden Punkten, findet sie, hätten die Schweizer Städte Saarbrücke­n definitiv etwas voraus. In die Schweiz zurückkehr­en möchte Nadja von Känel dennoch nicht mehr. Sie vermisst zwar Käse, Schokolade und die Schweizer Natur mit ihren Bergen und Seen. Das Saarland könne da trotz seiner wunderschö­nen Landschaft nicht so ganz mithalten, sagt Nadja von Känel. Aber das sei ja Jammern auf hohem Niveau. Vom Tholeyer Schaumberg zeigte sich die Schweizeri­n bei einem Ausflug wenig beeindruck­t. Nadja von Känel ist ja ganz andere Höhen gewöhnt. Doch für sie machen Staden und Schwenker das alles wieder wett.

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FOTO: JANA BOHLMANN Nadja von Känel ist gern an der Saar.
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