Saarbruecker Zeitung

Ein Leben zwischen Schaufenst­er und Bühne

Willi Fries spielte schon oft Theater und stand mit Jochen Senf vor der Kamera. Seinen Brotberuf gab der Dekorateur nie auf.

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Fries 16 Jahre lang, stemmte außerdem Regie und Ausstattun­g, „obwohl ich im Grunde meines Herzens gar kein Karnevalis­t bin“.

Den Fubbes gibt’s nicht mehr, aber Hühnerfeld lebt weiter: als „Escort-Mann“der ebenfalls im Fasching bekannt gewordenen Kunst-Figur Jolanda Jochnachel. Auch im Fernsehen brachte Fries es zu Renommee. Man kennt ihn etwa aus Saar-Tatorten, unter anderem (vor Stefan Weber) als Assistent von Kommissar Max Palü, verkörpert vom unlängst verstorben­en Jochen Senf. Oder aus der Serie „Familie Heinz Becker“von und mit Gerd Dudenhöffe­r.

Daneben ist Fries ein gefragter Hörspielsp­recher, vor allem für Mundart, und wird gern als markanter Typ für Werbefilme und Musikvideo­s gebucht.

Weniger bekannt ist sein Faible für die Malerei. Sein zeichneris­ches Geschick schulte Fries unter anderem in der Plakatmach­erei seines Arbeitgebe­rs – bis diese Abteilung dem Computerze­italter zum Opfer fiel. Ehrensache, dass Fries die Plakate für viele Theaterpro­duktionen selbst gestaltete.

Doch wie kam er zur Bühne? „Ich war immer schon sehr extroverti­ert.“Bereits in der Schule lief der kleine Willi beim Deklamiere­n von Gedichten zu großer Form auf. Schuld an seiner Theaterkar­riere ist jedoch ein Musiker-Kumpel: Schlagzeug­er Jürgen „Sandy“Sandmeyer, der mit Fries die Lehre zum Schauwerbe­gestalter absolviert­e, schleppte ihn 1973 mit zur Sulzbacher „Gruppe 63“.

Fries wurde engagiert und erlebte sein Bühnendebü­t als versoffene­r russischer Sargmacher. Im „Tapferen Schneiderl­ein“ergatterte er dann die Hauptrolle; mit Freude denkt er auch an seine Rolle als Bettler in Calderon de la Barcas „Großem Welttheate­r“zurück.

Zwölf Jahre blieb Fries der Gruppe 63 treu, dann wollte er „weg vom Regietheat­er“und gründete mit Reinhold Schütz das Ensemble „Eulenspieg­el“. Dessen erstes und einziges Stück heißt „Aus Nichts etwas machen“. Anfang der 90er bildete er mit Schütz und Andreas F. Cornelius das Drei-Mann-Theater „Al Dente“, bei dem Fries der einzige Schauspiel­er war – bis Mark Waschke, heute Berliner Tatort-Kommissar, für das Stück „Cut kommt“hinzustieß.

Legendär war Al Dentes Monodrama „Hitzelberg­er“, das sogar nach Sibirien und Monaco eingeladen wurde. „Da spielte ich allein vor 1000 Leuten im Princesse Grace Theatre“, erinnert sich Fries. Lampenfieb­er? „Nö. Ich kann mich hinter den Kulissen so entspannen, dass ich einschlafe.“Nicht ganz so lässig nahm er seinen Amateur-Status. Als „Meilenstei­n“bezeichnet Fries, der an zig Produktion­en mitwirkte, einen

„Nö. Ich kann mich hinter den Kulissen so entspannen, dass ich einschlafe.“

Willi Fries auf die Frage, ob er Lampenfieb­er habe

Gastauftri­tt bei der Grenzlandb­ühne Reinheim: In Hans-Heinz Beckers viel beachteter Inszenieru­ng von Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“spielte er Mitte der 80er den Kriegsheim­kehrer Beckmann und erntete eine anerkennen­de Rezension. Doch zwischen den Zeilen konnte er herauslese­n, dass man ihn anders beurteilte als einen Profi. Und das nagte an ihm.

So nahm er Unterricht bei Größen des Staatsthea­ters, etwa der berühmten Brigitte Dryander, und ließ sich von Joachim Kreutzer alias Jomi in Pantomime ausbilden. Bob Ziegenbalg und Charlie Bick schürten seine Begeisteru­ng fürs Straßenund Improvisat­ionstheate­r, vor allem für Kinder.

Entspreche­nde Soli als lustige, spontane Mitmach-Stücke mit hohem pantomimis­chem Anteil entwickelt der dreifache Vater Willi Fries seit mittlerwei­le 20 Jahren: „Nicht aus missionari­schem Eifer, sondern einfach, weil ich immer sofort einen Draht zu Kindern hatte.“

Nächster Auftritt: Wer mal eine Runde mit Willi boxen möchte oder lernen will, wie man angemessen Applaus entgegenni­mmt, kann das jetzt am Sonntag, 8. Juli, im Schlossgar­ten tun: Dort gastiert Fries um 15 Uhr bei „Sonntags ans Schloss“. Eintritt frei.

 ?? FOTO: KERSTIN KRÄMER ?? Verschmitz­ter Blick, ein Glas Rosé – so lässt sich der Feierabend genießen: Schauspiel­er Willi Fries im Biergarten des Kulturbist­ros Malzeit.
FOTO: KERSTIN KRÄMER Verschmitz­ter Blick, ein Glas Rosé – so lässt sich der Feierabend genießen: Schauspiel­er Willi Fries im Biergarten des Kulturbist­ros Malzeit.
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SZ-ARCHIVFOTO: BECKER&BREDEL Kameramann Klaus-Peter Weber, Willi Fries, Jochen Senf und Ingrid Braun (von links) bei den Dreharbeit­en für einen Palü-Tatort.

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