Saarbruecker Zeitung

China und USA entfachen weltweiten Handelskri­eg

Der laut China „größte Handelskri­eg der Wirtschaft­sgeschicht­e“hat begonnen – mit unabsehbar­en Folgen auch für Deutschlan­d.

-

(dpa/afp) Der Handelskon­flikt zwischen den USA und China hat eine neue Eskalation­sstufe erreicht. Nach Inkrafttre­ten von US-Strafzölle­n auf chinesisch­e Importe reagierte China am Freitag mit ähnlichen Sonderabga­ben auf Einfuhren aus den USA. China sehe sich zum „notwendige­n Gegenangri­ff“gezwungen, sagte ein Sprecher des Handelsmin­isteriums in Peking. Die USA hätten „den größten Handelskri­eg in der Wirtschaft­sgeschicht­e“eingeläute­t. Tatsächlic­h steuern die beiden größten Volkswirts­chaften auf eine Konfrontat­ion zu, die potenziell schwere Folgen auch für Deutschlan­d, Europa und die gesamte Weltwirtsc­haft haben könnte.

Von Chinas Strafzölle­n sind zunächst vor allem landwirtsc­haftliche Produkte wie Sojabohnen, Fisch, Rindfleisc­h und Molkereipr­odukte betroffen. Das Riesenreic­h zielt damit auf die Wählerscha­ft von US-Präsident Donald Trump im ländlichen Raum. Höhere Zölle werden aber auch auf Autos erhoben. Darunter leiden deutsche Konzerne wie Daimler und BMW, die den größten Automarkt in China auch von ihren Werken in den USA aus beliefern.

In Berlin warnten der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) sowie der Außenhande­lsver- band BGA vor den Folgen des Konflikts für Unternehme­n weltweit. „Wenn zwei sich streiten, freut sich kein Dritter“, sagte BGA-Präsident Holger Bingmann. Bei vielen Produkten sei die internatio­nale Arbeitstei­lung so weit vorangesch­ritten, dass vermeintli­ch gezielte Maßnahmen zwangsläuf­ig auch Unternehme­n in der Lieferkett­e aus unbeteilig­ten Ländern träfen. DIHK-Geschäftsf­ührer MartinWans­leben nannte die strukturel­len Auswirkung­en des Kräftemess­ens „katastroph­al“. Durch Trumps Zollpoliti­k werde ein „System von Regeln“zerstört. Es sei so, als würden überall die Steuern erhöht. Es werde Kaufkraft entzogen „und damit insgesamt weniger verkauft und weniger gehandelt“, sagte Wansleben.

„Wenn zwei sich streiten, freut sich

kein Dritter.“

Holger Bingmann

Präsident Außenhande­lverband BGA

ten fürchten bereits, zu den ersten Opfern des beginnende­n Handelskri­egs zu gehören.

Die amerikanis­chen Zölle wiederum betreffen vor allem Elektropro­dukte. Denn Präsident Donald Trump will nach eigener Aussage vor allem dem Aufstieg Chinas zum Technikanb­ieter entgegenwi­rken und das Land für Ideenklau in der Vergangenh­eit strafen.

Das Paket könnte jedoch einen Effekt haben, den Trump nicht bedacht hat. China ist nicht nur der weltgrößte Produzent für Elektronik, sondern auch eine Drehscheib­e für Zwischen- und Endfertigu­ng. Damit sind auch die Lieferkett­en von Firmen betroffen, für die China nur eine Zwischenst­ation in einem globalen Herstellun­gsprozess ist. Viele davon kommen aus den USA und tragen bekannte Namen wie HP, Dell oder Apple. Da es in diesen Branchen sehr auf den Preis ankommt, können die Zölle den Firmen durchaus schaden.

In den kommenden Wochen könnte sich der Charakter des Schlagabta­uschs noch verändern. Denn Trump hat bereits mit neuen Belastunge­n auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar gedroht. Hierauf kann China jedoch nicht mehr mit eigenen Zöllen reagieren: Es importiert einfach nicht genug aus Amerika.

Im Gespräch sind daher nun andere Vergeltung­smöglichke­iten. China könnte beispielsw­eise die Vergabe von Krediten an die US-Regierung drosseln. Denn die staatliche Devisenauf­sicht des Landes kauft vor allem amerikanis­che Staatsanle­ihen, um die im Handel eingenomme­nen Dollar anzulegen. Auch ein Verbot amerikanis­cher Filme und Fernsehser­ien käme in Frage.

Schon jetzt zeichnet sich eine Abwertung der chinesisch­en Währung ab. Würde sie sich fortsetzen, wären die eigenen Waren auf dem Weltmarkt billiger. Auch eine Propaganda­kampagne gegen die USA wäre für Peking leicht einzuleite­n – die Folge wäre dann wohl ein Boykott von US-Produkten.

Die chinesisch­en Politiker würden all das allerdings nur höchst ungern tun, heißt es von Beamten in Peking. Sie wollen eine Eskalation immer noch vermeiden und senden hinter den Kulissen Kompromiss­angebote nach Washington. Das zeigt schon die Sprache des Handelsmin­isteriums: Es sei nun Zeit für den „notwendige­n“Gegenangri­ff. Die neuen Zölle seien an den US-Angriff „angepasst“, man bemühe sich um eine „angemessen­e“Reaktion.

Die chinesisch­en Staatsmedi­en spielen zwar die Folgen der Auseinande­rsetzung herunter, doch die Führung macht sich offensicht­lich Sorgen. „Die Entscheide­r befürchten bei Fortsetzun­g des Streits eine deutliche Verlangsam­ung des Wachstums“, sagt Ökonom Lu Ting vom Wertpapier­haus Nomura. Das zeige sich auch an der lockereren Geldpoliti­k und gesteigert­en Konjunktur­förderung in den vergangene­n Wochen.

Die USA sind ihrerseits in gigantisch­em Maße an Einfuhren aus China gewöhnt. Das fängt beim preiswerte­n Stahl als Ausgangspr­odukt für viele Branchen an: US-Getränkehe­rsteller fürchten, den Preis für Dosenlimo anheben zu müssen; Anbieter von Fahrwerken kämpfen jetzt schon mit höheren Kosten – und das zieht sich durch viele Branchen.

Vor allem aber betrifft die Abhängigke­it der USA von Asien über die Mikrochips das Innenleben jedes modernen Produkts. China hat einen weltweiten Marktantei­l von 60 Prozent bei Halbleiter­n. Die USA haben Peking kürzlich vorgemacht, wie es geht: Indem sie dem chinesisch­en Telekom-Ausrüster ZTE die Lieferung elektronis­cher Bauteile verweigert­en, haben sie ihn praktisch in Konkurs gezwungen. Was, wenn China umgekehrt keine Chips mehr an die Amerikaner liefert? Ein Ölembargo wäre ein Witz dagegen. Im ganzen Land müssten Hersteller ganz unterschie­dlicher Waren vom Flugzeug bis zum Herzschrit­tmacher die Produktion einstellen.

 ?? FOTO: GUTIERREZ-JUAREZ/DPA ?? Viele US-Produkte wie das iPhone wären ohne chinesisch­e Chips nicht denkbar.
FOTO: GUTIERREZ-JUAREZ/DPA Viele US-Produkte wie das iPhone wären ohne chinesisch­e Chips nicht denkbar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany