Saarbruecker Zeitung

Ist nach dem Sommerthea­ter vor dem Sommerthea­ter?

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Drei Wochen Streit, Chaos und Krise auf der Unionsseit­e. Drei Wochen Ratlosigke­it, Argwohn und Selbstfind­ung auf der SPD-Seite. Dann haben die Koalitions­partner in nur einer Stunde einen Asylkompro­miss gezimmert. Die Frage ist berechtigt, warum eigentlich das üble Schauspiel vorher, warum nicht gleich so? Dass das Ergebnis am Ende so rasch im Koalitions­ausschuss gefunden wurde, ist ein weiterer Beleg dafür, dass es beim Asylstreit nicht um die Sache ging. Sondern zuallerers­t um Machtkämpf­e. Zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Innenminis­ter Horst Seehofer, zwischen CDU und CSU. Und im Hintergrun­d innerhalb des schwarz-roten Bündnisses.

Die Machtfrage­n sind entschiede­n worden – zugunsten Merkels und ein bisschen auch zugunsten der SPD.

Nun liegt ein Asylkompro­miss vor. Er bedeutet keine Wende in der deutschen Migrations­politik, dafür müsste an vielen anderen Stellen im komplizier­ten Asylrecht angesetzt werden. Auch ist die Zielgruppe der Flüchtling­e, um die es geht, viel zu klein. Lager wird es für sie nicht geben, das ist gut so. Die geplanten Rückführun­gen funktionie­ren allerdings ohne bilaterale Abkommen mit EU-Ländern wie Österreich, Ungarn und Italien nicht. Und diese Staaten verfolgen einen völlig anderen Ansatz in der Flüchtling­spolitik. Bekommt Seehofer die Absprachen nicht hin, wandert ein Großteil der Kompromiss­pläne wieder in die Schublade. Das hat SPD-Chefin Nahles bereits betont. In der Folge sind dann diese Szenarien möglich: Seehofer schmeißt wegen Erfolglosi­gkeit hin, was er eigentlich müsste; und/oder die CSU zückt wieder den Colt des nationalen Alleingang­s. Das wäre dann zugleich die Rückkehr der großen Unionsund damit Koalitions­krise.

Dass die Koalition auf Betreiben der SPD nun schneller als geplant ein Einwanderu­ngsgesetz vorlegen will, ist ein richtiger Schritt. Damit wird die zuletzt einseitig auf wenige Flüchtling­e ausgericht­ete Migrations­debatte endlich wieder auf den viel wichtigere­n Punkt gelenkt: Deutschlan­d braucht dringend qualifizie­rte Fachkräfte auch aus dem Ausland; es muss endlich besser und erfolgreic­her um sie werben können. Ein vernünftig­es Einwanderu­ngsgesetz ist längst überfällig.

In die Sommerpaus­e hat sich Schwarz-Rot jedenfalls noch nicht gerettet. Jetzt geht es an die Umsetzung. Und Seehofer will unbedingt vor der bayerische­n Landtagswa­hl im Oktober Erfolge vorweisen. Damit ist aber auch klar, wer das Sommerthea­ter bestimmen wird: der Innenminis­ter. Vor allem dann, wenn entgegen der Annahme der Koalition doch noch Gesetzesän­derungen vorgenomme­n werden müssen. Außerdem warten Union und SPD immer noch auf Seehofers offizielle Vorstellun­g zum „Masterplan Migration“. Der Koalitions­kompromiss ist ja nur ein Mosaikstei­n im Gesamtwerk des CSU-Chefs. Über den „Masterplan“an sich wird freilich noch heftig gestritten werden. Dann könnte es sein, dass Union und SPD das wieder einreißen, was sie soeben in der Migrations­politik aufgebaut haben.

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