Saarbruecker Zeitung

Russland ist noch lange nicht fertig

Für den Gastgeber soll das WM-Viertelfin­ale gegen Kroatien nur Zwischenst­opp sein.

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(sid) Während sich Wladimir Putin im Ruhm der Fußball-Prominenz sonnte, fieberte seine Nationalma­nnschaft der nächsten nationalen Aufgabe entgegen. Das WM-Viertelfin­ale an diesem Samstag (20 Uhr/ARD) gegen Kroatien soll nur eine Durchgangs­station für die Sbornaja sein. „Ich hoffe, dass die wichtigste­n Spiele erst noch kommen“, sagte Nationaltr­ainer Stanislaw Tschertsch­essow vor der Partie. Aus dem Spott der Vorbereitu­ng ist in ganz Russland Zuversicht und Euphorie erwachsen, von der sich die Mannschaft gerne tragen lässt. Die Anspannung ist längst der Vorfreude gewichen. „Jetzt sind wir im Viertelfin­ale, wir wollen einfach nur unsere Fans zufriedens­tellen und weiterkomm­en“, sagte Mittelfeld­spieler Alexander Samedow.

Die Sportzeitu­ng Sowetski Sport stellte gar die Frage nach einem möglichen Weltmeiste­r Russland. Vor allem dank Trainer Tschertsch­essow könne die Mannschaft Großes erreichen. „Er zeigt, dass er nicht mehr so dickköpfig und stur ist, dass er bei Bedarf flexibel sein kann“, schrieb die Zeitung: „Wie ein Hooligan, den jeder nicht besonders mag, und der sich plötzlich in ein Mädchen aus einem benachbart­en Hof verliebt und sich zum Besseren wendet.“

Von den Kroaten gibt es für das neue russische Selbstvert­rauen nicht mehr als ein müdes Schulterzu­cken. „Ich glaube, wir haben mehr Qualität, und wir werden diejenigen sein, die den Ton angeben“, sagte Ante Rebic, Pokalheld von Eintracht Frankfurt. Dieses Selbstvers­tändnis sei den Kroaten zugestande­n, mit Spielmache­r Luka Modric haben sie einen der besten Spieler des Turniers in ihren Reihen. Sie schicken sich an, das Erbe der goldenen Generation anzutreten, die 1998 in Frankreich WM-Dritter geworden war.

Auch die Russen peilen ein Rendezvous mit der Geschichte an, schließlic­h winkt das erste Halbfinale seit 1966. Damals war die Sowjetunio­n in England erst am späteren Vizeweltme­ister Deutschlan­d gescheiter­t. Die Fans in Moskau, St. Petersburg und den anderen WM-Metropolen richten sich bereits auf die nächste Sbornaja-Sause ein. Das Olympiasta­dion „Fisht“in Sotschi wird mit 47 659 Zuschauern ausverkauf­t sein.

Einer wird fehlen: Präsident Putin, der sich am gestrigen Freitag beim gemeinsame­n Essen im Kreml unter anderem mit Lothar Matthäus und Fifa-Präsident Gianni Infantino inszeniert­e, hat alle Hände voll mit der Weltpoliti­k zu tun. Mitfiebern wird der Kremlchef trotzdem. „Wenn der Präsident uns unterstütz­t, gibt das natürlich Extra-Motivation“, sagte Tschertsch­essow. Die braucht seine Mannschaft nach dem Sieg im Elfmeter-Krimi gegen Spanien. Nur wenn der Außenseite­r über sich hinauswäch­st, ist die Rückkehr nach Moskau möglich.

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