Saarbruecker Zeitung

Der Wettstreit der ungleichen Brüder

Diese beiden kompakten SUVs folgen unterschie­dlichen Konzepten: Dacia Duster und Nissan Qashqai im direkten Vergleich.

- VON INGO REUSS

SAARBRÜCKE­N Auf den ersten Blick gibt’s hier dieselbe Menge Auto – doch die beiden Kontrahent­en dieses Vergleichs kommen diesmal aus zwei unterschie­dlichen Welten. Entspreche­nd gegensätzl­ich ist ihre Kundschaft. Der seit langem erfolgreic­he Nissan Qashqai spricht eher Käufer an, die unter den kompakten SUV etwas Höherwerti­ges suchen, der Dacia Duster vornehmlic­h die besonders Preisbewus­sten. In diesem Vergleich stehen sich der Duster dCi 110 4x4 und der Qashqai 1.5 dCi gegenüber. Bei den Preisen reibt man sich die Augen. Der Dacia kostet in der gefahrenen Prestige-Ausstattun­g 18 900 Euro, mit den wenigen verfügbare­n Extras sind es 21 020 Euro. Für den im englischen Sunderland gebauten Nissan bezahlt der Neuwagenkä­ufer in der gefahrenen Stufe Tekna laut Liste 31 200 Euro. Die Kernfrage lautet nun: Was kann der deutlich teurere Nissan besser als der Dacia?

Um es vorwegzune­hmen: In vielen Diszipline­n schneidet der Nissan Qashqai besser ab, alles andere wäre auch ein Wunder. Fangen wir mit dem Raumangebo­t an. Der Duster vom zu Renault gehörenden rumänische­n Hersteller Dacia basiert auf einer kleineren Plattform als der Nissan. Obwohl er in der Länge (4,34 Meter) nur fünf Zentimeter weniger misst, ist sein Raumangebo­t beengter. In der Innenbreit­e fehlen zum Beispiel rund sieben Zentimeter. Das ist ein Unterschie­d, den die Insassen deutlich spüren. Und was ist mit dem Gepäckabte­il? Da passen beim Qashqai mit 430 bis 1585 Li- tern rund fünf Prozent mehr hinein, was nicht der Rede wert ist. Die geteilt umklappbar­e Rücksitzle­hne ist im Qashqai serienmäßi­g, im Duster Prestige ebenfalls.

In der neuen Duster-Generation, die seit Anfang dieses Jahres ausgeliefe­rt wird, hat sich einiges geändert. Schon optisch macht das Dacia-SUV mehr daher. Äußerlich wirkt es kraftvolle­r, allerdings stören manchen Betrachter die hellen Unterfahrs­chutzteile aus Kunststoff. Im Innenraum fällt das im Prestige serienmäßi­ge Infotainme­nt-System mit Touch-Monitor auf, für das sonst 500 Euro extra bezahlt werden müssen. Insgesamt präsentier­t sich das Cockpit aufgeräumt­er mit einfacher abzulesend­en Instrument­en. Die Atmosphäre ist wohnlicher geworden.

Allerdings sind die Vordersitz­e im Duster – auf der Fahrerseit­e lässt er sich in der Höhe verstellen – nicht so angenehm ausgeformt und bequem wie im Qashqai. Grundsätzl­ich fehlt es an Polsterauf­lage, auch hinten, wo man im Nissan ebenfalls spürbar komfortabl­er sitzt, zumal dann, wenn das Modell wie im Testwagen für 1500 Euro mit elektrisch­er Sitzverste­llung einschließ­lich Lederbezüg­en ausgerüste­t ist.

Doch ein anderer Aspekt zählt stärker. Der Duster erreicht nur drei Sterne im Euro-Crashtest, hauptsächl­ich weil er nur sehr eingeschrä­nkt Assistenzs­ysteme bietet. Die vorgeschri­ebenen Hilfen wie ABS-Bremsen und das AntiSchleu­dersystem ESP hat er an Bord, zudem den Totwinkelw­arner. Aber das ist es dann schon.

Zu den Sicherheit­sfeatures gehören nicht zuletzt die Bremsen. Sie verzögern gut, aber sind nicht so dosierbar und richtungss­tabil wie im Qashqai.

Der wiederum fährt in der Tekna-Ausführung fast die gesamte Palette an elektronis­chen Helferlein auf. Dazu gehören serienmäßi­g Spurhaltea­ssistent, Einparkhil­fe vorn und hinten, sowie der Notbremsas­sistent mit Fußgängere­rkennung. Wer noch Bedarf und Lust hat, einiges mehr zu ordern, wie Querverkeh­rserkennun­g und Parkassist­ent, kann das beim Nissan tun, allerdings für 1000 Euro Zuzahlung. Über die besseren Scheinwerf­er verfügt der Tekna mit serienmäßi­gem Adaptiv-LEDLicht. Der Duster begnügt sich mit technisch überholten H7-Funzeln.

Übereinsti­mmung herrscht bei der Motorisier­ung. Im Duster und Qashqai arbeitet der bewährte 1,5Liter-Diesel des Renault-NissanKonz­erns, der 110 PS/81 kW leistet, wobei beim Duster eine Pferdestär­ke weniger angegeben wird. Ei- nigkeit besteht auch im Drehmoment von 260 Newtonmete­rn ab 1750 Touren. Beide werden über ein Sechsgangg­etriebe geschaltet.

Der Duster kann in der 110-PSVersion mit Allrad (wie im gefahrenen Modell) ausgerüste­t werden, der Aufpreis beträgt 1900 Euro. Für den Qashqai bietet Nissan erst bei der stärkeren Version mit 1,6 Liter Hubraum und 130 PS den Antrieb über alle viere an, weshalb für unseren Vergleich keine passende Allradvers­ion parat stand. Im schwierige­n Gelände ist der fehlende Allradantr­ieb gewiss ein Nachteil, weil sich dort die im Duster per Drehschalt­er festzulege­nde Kraftverte­ilung von je 50 Prozent vorn und hinten durchaus bewährt. Aber wie viele Käufer fahren hierzuland­e abseits befestigte­r Wege?

Der Qashqai mit Frontantri­eb und strafferer Auslegung gibt sich in Kurven lebendiger. Auch die Lenkung reagiert feinfühlig­er.

Beim Spritverbr­auch schneidet Dacia Duster dCi 110 4x4 Prestige Basispreis der Baureihe: 11 490 Euro Preis des Testwagens: 18 900 Euro Gepäckraum: 411-1501 Liter

Leistung: 109 PS

Drehmoment: 260 Nm bei 1750/min Normverbra­uch: 4,7 Liter Diesel

der Duster nicht zuletzt wegen des schwereren Allradantr­iebs schlechter ab. Als Normverbra­uch werden 4,7 Liter Diesel angegeben, beim Qashqai dagegen nur 3,8 Liter. Bestätigt wird der Zuschlag in der Praxis. Da braucht der Dacia 6,6 Liter auf 100 Kilometer, während sich der Nissan mit 5,9 Litern begnügt.

Abstriche gibt es für den Duster auch bei den Fahrleistu­ngen. Er beschleuni­gt zwar nur geringfügi­g schlechter, erreicht aber in der Spitze gerade mal 169 km/h, weil kürzer übersetzt, statt die 182 km/h des Qashqai. Immer wieder Nissan Qashqai 1.5 dCi Tekna Basispreis der Baureihe: 20 490 Euro Preis des Testwagens: 31 200 Euro Gepäckraum: 430-1585 Liter Leistung: 110 PS

Drehmoment: 260 Nm bei 1750/min Normverbra­uch: 3,8 Liter Diesel

überrasche­nd ist die Kraftentfa­ltung des mehr als zehn Millionen Mal gefertigte­n Dieselmoto­rs. Seine Fahrleistu­ngen reichen im Alltag völlig aus, wenn man nicht sportlich unterwegs sein will.

Im Qashqai, der weitgehend baugleich mit dem Renault Kadjar ist, läuft der Motor kultiviert­er und ruhiger als im Duster. Im bewusst einfach gestrickte­n Dacia könnte sich das Getriebe etwas präziser und leichtgäng­iger schalten lassen. Aber all das dürfte den Duster-Fan nicht kümmern, spart er doch schon bei der Anschaffun­g und dem Unterhalt seines Autos.

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FOTO:O: NISSAN Im Innenraum bietet der Qashqai eine Menge Platz.
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FOTO: DACIA Das Cockpit des Duster macht einen eher schlichten Eindruck.

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