Saarbruecker Zeitung

Ist Krankheit ein Kündigungs­grund?

Wer wegen eines körperlich­en oder psychische­n Leidens oft fehlt, muss durchaus mit dem Rauswurf rechnen.

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(dpa) Eine Krankheit trifft Arbeitnehm­er oft schon schlimm genug. Und dann schickt der Arbeitgebe­r auch noch die Kündigung. Ist das rechtens?

„Einmalige Erkrankung­en, die normalerwe­ise innerhalb weniger Wochen restlos verheilen, können nie ein Kündigungs­grund sein“, sagt Christoph Herrmann von der Stiftung Warentest in Berlin. Chronische Krankheite­n können dagegen durchaus zum Rauswurf führen.

Generell ist nicht die Krankheit der Kündigungs­grund. „Es geht bei einer krankheits­bedingten Kündigung nicht darum, den Arbeitnehm­er abzustrafe­n“, sagt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Gütersloh. Hintergrun­d ist vielmehr, dass die krankheits­bedingten Fehlzeiten und die Arbeitsunf­ähigkeit zu Belastunge­n für den Arbeitgebe­r führen.

Damit eine krankheits­bedingte Kündigung auch vor Gericht Bestand hat, müssen drei Voraussetz­ungen erfüllt sein: Erstens muss eine negative Gesundheit­sprognose für den Arbeitnehm­er vorliegen. „Es muss zum Kündigungs­zeitpunkt eine Prognose geben, dass weitere Erkrankung­en im bisherigen Umfang zu erwarten sind“, erläutert Nina Moradi vom verdi-Bundesvors­tand. Zwei- tens müssen aufgrund der Prognose betrieblic­he oder wirtschaft­liche Interessen des Arbeitgebe­rs stark beeinträch­tigt sein.Drittens muss eine Interessen­abwägung erfolgen, berücksich­tigt werden dabei unter anderem die Dauer des Arbeitsver­hältnisses, eine Schwerbehi­nderung sowie die Familiensi­tuation – ob es etwa für Kinder eine Unterhalts­verpflicht­ung gibt. „Bei einer Erkrankung, die auf betrieblic­he Ursachen zurückzufü­hren ist, hat der Arbeitgebe­r die Beeinträch­tigungen des Beschäftig­ten in der Regel hinzunehme­n“, erklärt Moradi.

Vor einer Kündigung muss das Unternehme­n aber prüfen, ob es keine andere Lösung gibt. Er steht in der Pflicht, länger erkrankten Beschäftig­ten ein betrieblic­hes Einglieder­ungsmanage­ment (BEM) anzubieten. „Dabei setzen sich Arbeitgebe­r, Mitarbeite­r und Personalra­t zusammen, um die Gründe für die krankheits­bedingte Fehlzeiten aufzuspüre­n und möglichst zu beseitigen“, so Herrmann. „Das Angebot für ein BEM ist unabhängig von der Betriebsgr­öße ein Muss“, erklärt Schipp. Das gilt auch, wenn es keinen Betriebsra­t gibt oder sich der Arbeitnehm­er in der Probezeit befindet. Eine Folge kann sein, dass der Chef den bisherigen Arbeits-

„Einmalige Krankheite­n, die normalerwe­ise innerhalb weniger

Wochen restlos verheilen, können nie ein Kündigungs­grund

sein.“

Christoph Hermannn

Stiftung Warentest

bereich des Beschäftig­ten umgestalte­t. Oder er kann ihm einen anderen Arbeitspla­tz zuweisen.

Unterlässt der Arbeitgebe­r vor Ausspruch einer krankheits­beding- ten Kündigung das BEM oder macht er dabei Fehler, hat der Arbeitnehm­er im Fall eines Rauswurfs bessere Karten im Kündigungs­schutzverf­ahren. „Denn das Bundesarbe­itsgericht hat klargestel­lt, dass ein unterlasse­nes BEM dazu führt, dass der Arbeitgebe­r im Verfahren eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast trägt“, sagt Moradi.

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FOTO: KLOSE/DPA Wer während der Krankheit eine Kündigung erhält, hat verschiede­ne Möglichkei­ten, dagegen vorzugehen.

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