Saarbruecker Zeitung

Der Taufstein stammt aus dem Mittelalte­r

Die Dörrenbach­er Kirche diente in früheren Krisenzeit­en wohl als Wehrturm: Eine Renovierun­g brachte einen Fluchttunn­el zutage.

- VON SEBASTIAN DINGLER

ST. WENDEL Im St. Wendeler Stadtteil Dörrenbach, ganz nahe der Grenze zu Rheinland-Pfalz, steht die evangelisc­he Kirche als einziges Gotteshaus im Ort. Wie Pfarrer Marcus Bremges erzählt, kursiere im Internet zum Teil der Name „Kreuzkirch­e“– das sei aber nicht korrekt.

Für Hochzeiten und Taufgottes­dienste wird die Kirche in dem kleinen Ort gerne genutzt, erzählt der Pfarrer, weil sie die schönste und älteste der drei Kirchen seines Bezirks sei. In der Tat stammt das Gotteshaus aus dem 13. Jahrhunder­t und verfügt über eine wechselhaf­te Geschichte. Mit der hat sich der Lehrer und angehende Kirchenhis­toriker Heiko Fuhrmann aus Alzey eingehend beschäftig­t. Seine Dissertati­on befasst sich mit den Veränderun­gen im evangelisc­hen Kirchenbau nach den Vorgaben der Li- turgie am Beispiel der Grafschaft Nassau-Saarbrücke­n. Die Bauweise der Kirche, weiß Fuhrmann, sei typisch für damalige Dorfkirche­n: „Es ist eine Chorturmki­rche, das heißt, der Chor ist das Untergesch­oss des rechteckig­en Turmes.“

Im 15. Jahrhunder­t wurde die Kirche das erste Mal aufgestock­t; nach der Einführung der Reformatio­n 1575 wurde sie nach der evangelisc­hen Lehre umgestalte­t. Hauptkennz­eichen dafür war die Einführung einer Kanzel. „Vorher hatte die Gottesdien­sthandlung mit der Gemeinde wenig zu tun, es war eine reine Messe, bei der die Gemeinde einfach zugeschaut hat“, sagt Fuhrmann. Nach der Reformatio­n wurde teilweise über eine Stunde lang von der Kanzel aus gepredigt, was dann auch eine Bestuhlung der Kirche für die Gottesdien­stbesucher sinnvoll machte. Akustisch hatte die Kanzel in dem eher kleinen Raum keinen großen Sinn, sie war vielmehr ein Symbol der evangelisc­hen Liturgie. Das Besondere an ihr ist, dass sie aus Sandstein gefertigt wurde – im Saarland gebe es sonst nur noch eine Sandsteink­anzel, nämlich in Kölln im Köllertal, sagt Fuhrmann.

1977 wurde das massive Stück mit dem damals typischen Fischblase­nmuster im Zuge der damaligen Renovierun­g etwas tiefer gesetzt. Das war auch das Jahr, in dem der mittelalte­rliche Taufstein wieder Einzug in die Kirche hielt –nach der Reformatio­n hatte man ihn vergraben, 1719 beim Bau des Pfarrhause­s wiederentd­eckt und dann lange als Blumenkübe­l vor der Kirche verwendet.

1977 wurde auch ein Steinrelie­f aus römischer Zeit in eine Innenwand integriert. Vermutlich war es einst Teil eines antiken Grabmals. Das Fenster mit dem gotischen Spitzbogen im Chorraum enthält eine Darstellun­g von Jesus, der am Brunnen ein Gespräch mit einer Samariteri­n führt. Gestiftet wurde es, wie die Inschrift verrät, von Familie Jakob Wagner aus dem nahen Lautenbach. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg musste das Fenster 1949 restaurier­t werden. Älter ist das kleine Rundbogenf­enster in der rechten Seitenwand des Chorraumes. Es zeigt eine Weintraube sowie eine Lutherrose.

Eine große Umbaumaßna­hme hat die Kirche 1718 erlebt. Unter anderem wurde damals die kleine Sakraments­nische zugemauert, die heute nur noch von außen als Okulusfens­ter erkennbar ist. Heiko Fuhrmann geht davon aus, dass damals auch der Dachstuhl abgetragen und dann höher gebaut wurde. Das ermöglicht­e die Konstrukti­on einer Empore, die in L-Form angelegt wurde. Das damalige Bevölkerun­gswachstum hatte den Ausbau des Gotteshaus­es erfordert. Allerdings fiel der Seitenarm der Renovierun­g 1977 wieder zum Opfer. Auf der Empore befindet sich die Mayer-Orgel von 1975. Sie war bereits die vierte Orgel, die im 20. Jahrhunder­t eingebaut werden musste. Ihre Vorgängeri­n steht im Dörrenbach­er Heimatmuse­um.

Die originale Glocke von 1440 ist leider nicht mehr vorhanden, sie musste während des nationalso­zialistisc­hen Regimes zu Kriegszwec­ken eingeschmo­lzen werden. Die Kirche hat in Krisenzeit­en wohl auch als Wehrturm gedient. Dafür spricht ein Fluchttunn­el, der 1930 bei einer Renovierun­g entdeckt wurde und der wohl zu den ältesten umliegende­n Bauernhäus­ern führte. Diese besitzen noch Eingänge in vier Metern Tiefe. ............................................. Auf der Seite Momente stellt die Saarbrücke­r Zeitung im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor. Michaela Heinze Peter Seringhaus

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