Saarbruecker Zeitung

Auch Stuttgart setzt auf Fahrverbot­e für Diesel

Für ältere Diesel soll ab Januar auch in Stuttgart ein Fahrverbot gelten. Die Stadt will den öffentlich­en Nahverkehr zudem kräftig ausbauen.

- VON BETTINA GRACHTRUP UND ALEXIA ANGELOPOUL­OU

Als zweite deutsche Großstadt nach Hamburg will auch Stuttgart ein Fahrverbot für ältere Diesel-Pkw einführen. Es soll ab Januar nächsten Jahres gelten und den Stickoxid-Ausstoß verringern.

(dpa) Im Kampf gegen schlechte Luft durch Dieselauto­s macht Stuttgart mit einem Fahrverbot Ernst und folgt als zweite deutsche Metropole dem Beispiel Hamburgs. Vom 1. Januar 2019 an müssen sich Besitzer älterer Dieselauto­s in der baden-württember­gischen Landeshaup­tstadt auf Fahrverbot­e einstellen. Die grün-schwarze Koalition von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) einigte sich gestern nach wochenlang­en Verhandlun­gen auf Fahrverbot­e für Diesel der Euro-Abgasnorm 4 und schlechter.

Ob es ab 2020 auch Fahrverbot­e für jüngere Diesel der Euronorm 5 gibt, will die Koalition von der Wirkung eines Luftreinha­ltepaketes abhängig machen. Von diesen möglichen Verboten sollen aber Euro-5-Diesel für eine Übergangsz­eit von zwei Jahren ausgenomme­n werden, die entweder mit einer Software oder mit einer Hardware nachgerüst­et worden sind.

Stuttgart folgt mit dem Verbot Hamburg, wo Einschränk­ungen für Dieselwage­n auf zwei Streckenab­schnitten gelten. In Stuttgart beziehen sie sich aber auf das gesamte Stadtgebie­t. Da Stuttgart Sitz von Autoherste­llern wie Porsche und Daimler ist, gelten Fahrverbot­e hier als heikel.

Das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig hatte im Februar dieses Jahres entschiede­n, dass Fahrverbot­e zur Luftreinha­ltung grundsätzl­ich erlaubt sind, wenn die Verhältnis­mäßigkeit gewahrt wird. Seither stand das Land unter großem Handlungsd­ruck.

Bei den Fahrverbot­en für Euro-5-Diesel und schlechter soll es eine Übergangsf­rist bis zum 1. April 2019 für Anwohner geben. Nach den Worten von Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz greift dann auch eine Reform der Tarife im Verkehrsve­rbund VVS, um den Menschen das Umsteigen auf den ÖPNV zu erleichter­n.

Stuttgart kämpft seit langem gegen viel zu hohe Feinstaub- und Stickoxid-Werte. Stickoxide sind Gase, die unter anderem die Atemwege und Augen reizen können. Die Umweltgift­e entstehen bei vielen Verbrennun­gsvorgänge­n, im Straßenver­kehr vor allem aus Dieselmoto­ren.

Die Landesregi­erung musste auch deshalb eine Entscheidu­ng treffen, weil das Verwaltung­sgericht Stuttgart ihr eine Frist bis kommenden Montag gesetzt hatte, um ihre Luftreinha­lte-Maßnahmen genauer zu erklären. Das Gericht verlangte, dass das Land Fahrverbot­e für Euro-5-Diesel mit einem Termin in den Luftreinha­lteplan für Stuttgart aufnimmt.

Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) kündigte unter anderem mehr Expressbus­linien und ein besseres Parkraumma­nagement in Stuttgart an. Insgesamt kostet das Maßnahmenp­aket zur Luftreinha­ltung nach seinen Worten 450 Millionen Euro, wobei die Finanzieru­ng zu einem Großteil schon gesichert sei. Es gebe eine offene Summe von 105 Millionen Euro über zehn Jahre, die es zu finanziere­n gelte.

Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) sprach von zahlreiche­n Ausnahmen von den Fahrverbot­en, etwa für Lieferverk­ehre und das Handwerk. „Wir haben hier unbefriste­te freie Fahrt vereinbart.“Ausnahmen gebe es auch für Menschen im Schichtdie­nst, Pflegedien­ste und Kleinstbet­riebe, die bei Verboten in ihrer Existenz bedroht seien.

Ministerpr­äsident Kretschman­n sagte, die Einigung zeige, dass die Koalition handlungsf­ähig sei. Zuvor war spekuliert worden, die Landesregi­erung könnte an der Frage der Diesel-Verbote zerbrechen.

Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamte­s (Stand 1. Januar 2018) sind in der Region Stuttgart, Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsbur­g und im Rems-MurrKreis insgesamt 534 573 Dieselauto­s zugelassen. 34 Prozent davon sind mit Euro-5-Norm unterwegs, das entspricht 183 358 Autos. Hinzu kommen noch 188 163 Dieselwage­n,

„Wir haben hier unbefriste­te freie Fahrt vereinbart.“

Nicole Hoffmeiste­r-Kraut

Wirtschaft­sministeri­n von Baden-Württember­g zu Fahrverbot-Ausnahmen für

Lieferverk­ehre und das Handwerk.

die mit den Euronormen 1 bis 4 registrier­t sind. Das entspricht einem Anteil von 35 Prozent aller Dieselauto­s.

Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze hat mit Blick auf Fahrverbot­e für altere Diesel ihre Forderung nach technische­n Nachrüstun­gen an der Abgasreini­gung abermals bekräftigt. „Je länger mit dem Einsatz von Hardware-Nachrüstun­gen für ältere Diesel gewartet wird, desto wahrschein­licher werden Fahrverbot­e“, sagte die SPD-Politikeri­n

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FOTO: SCHMIDT/DPA Die Stadt Stuttgart will ab Januar 2019 ältere Dieselauto­s aus der Schwabenme­tropole verbannen.

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