Saarbruecker Zeitung

Vor allem in Grenznähe gibt es noch Funklöcher

Kein Netz? In einigen ländlichen Teilen des Saarlands und Regionen in Grenznähe ist das Realität. Die Politik sucht nach Lösungen.

- VON NORA ERNST

Nur 93,3 Prozent der saarländis­chen Haushalte sind mit der aktuell schnellste­n Mobilfunkv­erbindung LTE versorgt. Nach Angaben der Staatskanz­lei gibt es vor allem in Grenznähe und im Hochwald noch Funklöcher.

Anfang des Jahres kam ein pflegebedü­rftiger Mann in Gerlfangen, der plötzlich nicht mehr ansprechba­r war, nur knapp mit dem Leben davon – seine Frau hatte keinen Handyempfa­ng, um den Notarzt zu alarmieren. Das Festnetzte­lefon funktionie­rte nicht, wegen Wartungsar­beiten war der Strom abgestellt worden. Die Frau musste im Dorf umherirren, bis sie jemanden fand, der Empfang hatte. Nach wie vor gibt es im Saarland auf dem Land und in Grenzregio­nen Funklöcher, was – wie in Gerlfangen – zum echten Problem werden kann.

Wie sich die letzten Löcher im deutschen Handynetz schließen lassen, darüber beraten heute Vertreter der Länder und der großen Mobilfunku­nternehmen in Berlin bei einem Gipfeltref­fen. „Die Zeit drängt für konkrete Vorschläge zur Verbesseru­ng der Mobilfunkv­ersorgung“, hatte Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) Anfang der Woche gesagt.

Die letzte Erhebung zur Abdeckung im Saarland durch den TÜV Rheinland stammt von Ende 2017: Demnach verfügten 99,9 Prozent der Haushalte über einen einfachen Mobilfunks­tandard (Sprache). Um im mobilen Internet zu surfen, ist mindestens der Standard der 3. Generation (3G) nötig, UMTS: Hier liegt die Abdeckung bei 90,3 Prozent. Die aktuell schnellste Übertragun­gsrate mit der LTE-Technologi­e (4G) erreichen 93,3 Prozent. Beschwerde­n aus der Bevölkerun­g zeigen laut Staatskanz­lei, dass es vor allem in Gerlfangen, Löstertal, Sitzerath, Ihn und Leidingen Versorgung­sprobleme gibt. Bis Herbst will die Staatskanz­lei mit Messungen des Breitbandb­üros und Meldungen aus der Bevölkerun­g ein aktuelles Bild der Versorgung­slücken zeichnen. Am 26. Juni hatte die Landesregi­erung ein neues Meldeporta­l (www.breitband-saarland.de) eingericht­et, rund 1300 Meldungen sind seitdem eingegange­n.

„Funklöcher in den Mobilfunkn­etzen aller Betreiber haben meist entweder physikalis­che oder ökonomisch­e Gründe“, sagt Florian Streicher, Sprecher von Telefónica. Liegt ein Ort in einer Senke, können die Funkwellen ihn schlichtwe­g nicht gut erreichen. Ein neuer Sendemast in ländlichen Regionen kostet laut Vodafone rund 150 000 Euro, hinzu kommen Betriebsko­sten für Strom, Wartung, Reparature­n und ähnliches. „Es gibt leider Gegenden, in denen sich eine solche Investitio­n angesichts der zu erwartende­n Nutzung niemals rentieren würde“, sagt Volker Petendorf, Sprecher von Vodafone.

Als die Bundesnetz­agentur 2015 für mehrere Milliarden die begehrten Frequenzen für den Mobilfunks­tandard LTE versteiger­te, mussten sich die Unternehme­n im Gegenzug verpflicht­en, 98 Prozent der Fläche in Deutschlan­d zu versorgen. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) würde die Betreiber gerne auf 100 Prozent verpflicht­en – doch das würde die eben einiges kosten. Einem Bericht des „Handelsbla­tts“zufolge, der sich auf Regierungs- und Branchenkr­eise beruft, dürfte der heutige Gipfel deshalb auch ergebnislo­s enden.

Ein Druckmitte­l hat die Politik jedoch: die begehrten Frequenzen für den neuen Mobilfunks­tandard 5G. Die Technologi­e, die zehn Mal so schnell sein soll wie LTE, befindet sich noch im Entwicklun­gsstadium und soll 2020 marktreif sein. Im Koalitions­vertrag haben sich Union und SPD im Bund auf Folgendes geeinigt: „Neue Frequenzen nur gegen flächendec­kende Versorgung.“

Der saarländis­che FDP-Bundestags­abgeordnet­e Oliver Luksic sieht indes auch das Land in der Pflicht im Kampf gegen Funklöcher: „Wieso folgt die Landesregi­erung nicht dem Beispiel von Nordrhein-Westfalen? Auf Initiative der FDP wurde dort ein Mobilfunkp­akt mit Mobilfunkb­etreibern abgeschlos­sen.“Telefónica, Telekom und Vodafone haben unter anderem zugesagt, bis 2020 rund 1350 neue Mobilfunks­tandorte zu errichten und 5500 zu modernisie­ren, um Lücken im Netz zu schließen. Im Gegenzug setzt sich das Land für beschleuni­gte Genehmigun­gsverfahre­n im Netzausbau ein – und drängt bei der Bundesnetz­agentur auf eine frühzeitig­e Vergabe der 5G-Frequenzen.

Luksic fordert, das Saarland müsse Vorreiter bei 5G werden. „Insbesonde­re neue Technologi­en wie autonomes Fahren und Telemedizi­n benötigen das bestmöglic­he Netz.“Tatsächlic­h gibt es bereits Überlegung­en, das Saarland zur Pilotregio­n zu machen (siehe Hintergrun­d).

Zwei der drei großen Mobilfunkb­etreiber

zeigten sich interessie­rt an einem Pakt mit dem Saarland: Man sei selbstvers­tändlich offen für eine engere Kooperatio­n mit der Politik, sagte der Sprecher von Telefónica. Entscheide­nd seien aber die Bedingunge­n: So erwarte man zum Beispiel Unterstütz­ung bei der Vergabe neuer Standorte. Ein Sprecher der Telekom erklärte, konkrete Pläne über einen Pakt gebe es zwar nicht, grundsätzl­ich begrüße man aber Vorschläge zur weiteren Verbesseru­ng der Mobilfunkv­ersorgung.

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FOTO: INGA KJER/DPA Vor allem im Saargau und im Hochwald kann es noch immer vorkommen, dass man keinen Handyempfa­ng hat. Einem Mann aus Gerlfangen wäre das fast zum Verhängnis geworden.

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