Donald Trump stellt Deutschland an Pranger
Der US-Präsident geht mit einer Kampfansage in den Nato-Gipfel, und die richtet sich frontal gegen Deutschland. Die Kanzlerin kontert kühl.
(dpa) Beim Nato-Gipfel ist der Streit zwischen den USA und Deutschland eskaliert: US-Präsident Donald Trump griff die Bundesregierung gestern in Brüssel frontal wegen zu niedriger Militärausgaben und milliardenschwerer Gasimporte aus Russland an. „Deutschland ist total von Russland kontrolliert“, behauptete Trump. Kanzlerin Angela Merkel wies dies zurück. Nach einem Einzelgespräch betonten die Politiker später das gute Verhältnis beider Staaten.
Trump hatte am Morgen gezielt Deutschland ins Visier genommen und seine Kritik mit dem Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 gekoppelt. Die USA beschützten Deutschland, doch die Bundesrepublik zahle Milliarden für Erdgas an Russland und mache das Land damit stark, sagte der US-Präsident. Deutschland sei ein „Gefangener“Russlands. Die Nato unternimmt derzeit erhebliche Anstrengungen zur militärischen Abschreckung Russlands.
Merkel reagierte bei ihrer Ankunft beim Gipfel auf Trumps Breitseite: Sie betonte mit Blick auf die frühere DDR, sie habe selbst erlebt, dass ein Teil Deutschlands von der Sowjetunion kontrolliert worden sei. „Und ich bin sehr froh, dass wir heute in Freiheit vereint sind als die Bundesrepublik Deutschland und dass wir deshalb auch sagen können, dass wir unsere eigenständige Politik machen können“, sagte die CDU-Chefin. Sie unterstrich auch die Anstrengungen Deutschlands für die Nato. „Wir stellen den größten Teil unserer militärischen Fähigkeiten in den Dienst der Nato“, sagte Merkel.
Hintergrund des scharf geführten Konflikts ist Trumps Forderung, dass alle Nato-Partner spätestens 2024 jährlich mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Deutschland hat die Militärausgaben erhöht, kommt aber derzeit nur auf 1,24 Prozent der Wirtschaftsleistung.
„Deutschland ist ein Gefangener Russlands.“
Donald Trump
US-Präsident
Die „Methode Trump“nutzt sich ab. Spätestens seit dem G7-Gipfel in Kanada, als der US-Präsident auf dem Rückflug das Schlussdokument per Twitter kündigte, wissen die Verbündeten, dass sie sich bei ihm auf alles einstellen und mit allem rechnen müssen. Die Attacken dieses Mannes beim Frühstückstoast in Richtung Deutschland sind nicht nur eine diplomatische Rüpelhaftigkeit, sie sollen auch verdecken, dass die USA verärgert sind, weil Deutschland und die EU ihr Gas in Russland einkaufen, anstatt das umstrittene FrackingGas aus den USA zu importieren. Doch deplatzierte Vorwürfe haben Trump noch nie gestört.
Das war längst nicht das Hauptproblem dieses Nato-Gipfeltreffens. Dem Bündnis macht die Verunsicherung über den Kurs der Vereinigten Staaten zu schaffen. Ein klares Bekenntnis zum gegenseitigen Beistand hat Trump bisher vermissen lassen. Die Hoffnung, er werde in Brüssel seine Richtung für das Treffen mit dem russischen Präsidenten am Montag in Helsinki klar machen, erfüllten sich nicht. So schossen einmal mehr Spekulationen ins Kraut, Trump werde Putin entgegenkommen – in welchen Fragen auch immer. Wie glaubwürdig stünde dann aber eine Allianz da, die sich gerade eben erst für einen engeren Schulterschluss gegen Moskau ausgesprochen hat, während die wichtigste Führungsmacht nur ein paar Tage später einen ganz anderen Kurs einschlägt?