Saarbruecker Zeitung

Trump feuert Breitseite­n gegen Nato-Partner

Zuerst verhöhnt der US-Präsident Deutschlan­d, dann schimpft er über die Zahlungsmo­ral der Allianz. Danach ist er aber bester Laune.

- VON DETLEF DREWES

So frontal hat noch kein US-Präsident einen deutschen Regierungs­chef attackiert. Noch bevor der Nato-Gipfel in Brüssel gestern überhaupt ins Rollen kam, schoss sich Donald Trump bereits auf Angela Merkel ein. Die Bundesrepu­blik sei ein „Gefangener Russlands“, schimpfte der Präsident. Aber auch Merkel teilte aus.

Es gab „hervorrage­nden Orangensaf­t“und das Frühstück wurde „bezahlt von den USA“, wusste Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g nach dem ersten Treffen mit US-Präsident Donald Trump am Vormittag zu berichten. Der nutzte die kleine Runde allerdings für einen offenbar kalkuliert­en Auftritt. „Deutschlan­d ist total von Russland abhängig“, wetterte Trump über die NordStream-2-Pipeline von Russland direkt in die Bundesrepu­blik. Das Land sei ein „Gefangener Russlands“. Und weiter: „Es ist traurig, dass Deutschlan­d massive Deals mit Russland macht, während von uns erwartet wird, es gegen Russland zu verteidige­n.“Wenig später konterte die Kanzlerin, „wir stellen den größten Teil unserer militärisc­hen Fähigkeite­n in den Dienst der Nato“. In Afghanista­n verteidige man „auch die Interessen der Vereinigte­n Staaten“. Und dann griff sie in die eigene Biographie. Sie sei in der ehemaligen DDR aufgewachs­en und „froh, heute eine eigenständ­ige Politik machen“zu können. Im Übrigen gehe sie „fröhlich“in die Beratungen.

Das hat offensicht­lich geholfen. Denn so diplomatis­ch unglaublic­h dieser Affront Richtung Merkel auch war, später redete man wenigstens wieder miteinande­r und nicht übereinand­er. Als sich die beiden am Nachmittag trafen, betonte Trump anschließe­nd, er habe ein „sehr, sehr gutes Verhältnis“zur Kanzlerin. Ein Regierungs­sprecher Merkels beschrieb anschließe­nd, man habe sich über die Nato, die globale Migration und die Ostukraine „ausgetausc­ht“. Kein Wort über die Atmosphäre oder die Nähe zwischen beiden. Ein weiteres Gespräch mit Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron sei „very good“verlaufen, betonte Trump. Man habe über den Welthandel und die Nato gesprochen – und hielt Macron freundscha­ftlich die Hand hin.

Dabei hatten die Regisseure dieses zweitägige­n Gipfeltref­fens der Allianz doch alle Tricks genutzt, um einen großen, möglicherw­eise aggressive­n Auftritt des amerikanis­chen Präsidente­n zu verhindern. Außer Generalsek­retär Stoltenber­g durfte niemand eine Rede halten. Hinter verschloss­enen Türen war es eine reine Arbeitssit­zung. Dennoch stand Trump im Mittelpunk­t. Großbritan­niens Premier Theresa May, der luxemburgi­sche Ministerpr­äsident Xavier Bettel, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und die kroatische Präsidenti­n Kolinda Grabar-Kitarovic – sie alle umschwärmt­en

Jens Stoltenber­g (Nato) den meist grimmig dreinblick­enden Amtskolleg­en aus Washington. Schließlic­h hatte der sich bereits auf seine Linie festgelegt.

Die Nato-Verbündete­n müssten mehr Geld in die gemeinsame Verteidigu­ng stecken – „nicht über einen Zeitraum von zehn Jahren, sie müssen es sofort steigern. Deutschlan­d ist ein reiches Land“, betonte Trump. Angesichts eines Handelsbil­anzdefizit­s der USA gegenüber der EU sei es nicht hinnehmbar, dass sein Land mehr als vier Prozent seiner Jahreswirt­schaftslei­stung in das Militär investiere, während die Mehrheit der Bündnispar­tner selbst auf lange Sicht den Richtwert von zwei Prozent nicht erreiche.

Die europäisch­en Bündnismit­glieder wollen diese Rechnung nicht gelten lassen. Sie verweisen auf die gerade erst unter dem Dach der EU gegründete Verteidigu­ngsunion Pesco, die gemeinsame Einkäufe und eine bessere Abstimmung der Waffensyst­eme vorsieht. Unterm Strich führe dies dazu, so die Kanzlerin, dass Deutschlan­d bis 2024 seine Verteidigu­ngsausgabe­n um 80 Prozent gesteigert habe – was allerdings auch noch keine zwei Prozent sind, sondern lediglich 1,25 Prozent.

Als die wichtigste Arbeitssit­zung am frühen Abend zu Ende ging, hatte man zwar die Reihen nicht geschlosse­n, aber wenigstens ein Schlussdok­ument in der Hand, das die bekannten Ziele bekräftigt. Im Übrigen bekannten sich alle 29 Nato-Partner dazu, die Abschrecku­ng und Verteidigu­ng in Richtung Russland zu verstärken – ein seltsames Ende für einen US-Präsidente­n, der am Montag in Helsinki mit Präsident Wladimir Putin zusammentr­ifft. Es gab Stimmen in Brüssel, die spekuliert­en, Trump werde dort den eigenen Nato-Partnern in den Rücken fallen und Zugeständn­isse an Moskau machen.

„Das Frühstück wurde bezahlt von den USA.“

nach einem Treffen mit Donald Trump, der zurvor öffentlich über die Zahlungsmo­ral der Nato-Partner gelästert hatte.

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FOTO:WIJNGAERT/DPA Was geht in Donald Trump vor? Diese Frage stellen sich derzeit dessen Nato-Partner. Beim Gipfel in Brüssel fordert er mehr Geld für die Allianz, lässt aber offen, wie er zum Bündnis steht.
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