Saarbruecker Zeitung

Im Talentschu­ppen der Spielwütig­en

Nina Hoss, Jan Josef Liefers und der scheidende Saarbrücke­r „Tatort“Darsteller Devid Striesow: Viele Schauspiel­er haben an der Ernst-Busch-Schule in Berlin ihr Handwerk gelernt. Ein Besuch in der „Busch“, die bald umzieht.

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Die „Busch“, das ist ein Stück OstStolz, der auch an den Theatern von Berlin bis heute mitschwing­t. Die Geschichte der Schule geht bis 1905 zurück, als der Intendant Max Reinhardt die erste deutsche Schauspiel­schule gründete. Sie hat als eine von wenigen Institutio­nen aus der DDR die Wendezeit gut überstande­n und strahlt weit über Berlin hinaus. Lange wurde um einen Neubau gerungen. Der wird, wie so vieles in Berlin, später fertig und mit 44 Millionen Euro deutlich teurer als geplant. Im August ziehen Schauspiel, Regie, Puppenspie­l und Tanz unter ein Dach in Berlin-Mitte, dort, wo früher die Opernwerks­tätten waren. Rektor Holger Zebu Kluth (56) ist neu im Amt, noch kennt er seine 300 Studenten nicht alle persönlich. „Die größte Baustelle ist die Baustelle“, sagt er. Die vier bisher über die Stadt verstreute­n Sparten mit ihrer unterschie­dlichen Geschichte sollen zusammenwa­chsen.

Kluth kommt aus Lübeck. Er war einer der Gründer der Berliner Sophiensäl­e und leitete zuletzt einen Hamburger Theaterbet­rieb. Als er im Oktober 2017 an der Busch-Schule anfing, hatte gerade die MeToo-Debatte um Macht und sexuellen Missbrauch begonnen. Er kommt im Gespräch von alleine auf das Thema, ohne Genervthei­t. „Ich finde das interessan­t.“Das Konzept von Theaterleu­ten, dass man Menschen „brechen“und neu zusammense­tzen muss, damit sie Großes leisten, hält Kluth für 70er Jahre und passé. Er fragt sich auch, was die MeToo-Debatte bei den Stadttheat­ern auslöst, bei „diesem Apparat, den sich alte weiße Männer aufgebaut haben, um Macht auszuüben“.

Zu lernen, wie man sich auf der Bühne verhält, ist eine sehr körperlich­e, manchmal peinliche, manchmal knisternde Sache – so hat es der Schauspiel­er Joachim Meyerhoff mal beschriebe­n. Kluth sagt, die Studierend­en könnten damit gut umgehen. „Problemati­sch wird es erst in dem Moment, wenn all die Formen von Körperlich­keit mit einem Machtgefäl­le verbunden sind.“

Die klassische­n Theatersto­ffe haben Männer geschriebe­n. Es gibt Szenen, in denen Frauen geschlagen und vergewalti­gt werden. Kluth wirft die Frage auf, wie Studentinn­en mit diesen Opferrolle­n umgehen sollten, ohne dass der Text auf Krampf modernisie­rt wird. „Wie spiele ich die als junge Frau von heute, aus einer kritischen Haltung heraus, ohne die Wörter wie in einem Kinderbuch zu ändern?“Eine Aufgabe für die Schule könnte seiner Meinung sein, Texte zu erarbeiten, die ein anderes Frauenbild haben. Kluth leitet die Schule in der Zeit der Generation Instagram. Er hat gehört, dass die Fernsehsen­der die Schauspiel­er auch nach der Zahl der Follower besetzen. Das bringt Quote, wenn jemand im Netz bei seinen Fans für einen Film wirbt. Und es sind die Zeiten von Netflix, Amazon und Serienhype. „Da entwickelt sich ein interessan­tes Feld von Fernsehsch­auspielere­i.“

Bei solchen Rollen hilft das Bühnenhand­werk. Das wird an der „Busch“gelehrt, mit Sprecherzi­ehung und Verssprach­e. Manchmal kommen die Studenten erst um 11 Uhr abends nach Hause. Schauspiel­er wird man nicht ein bisschen. Es ist ein „Alles-Oder-Nichts-Beruf“, wie Alexandros Koutsoulis bei der Fechtstund­e erzählt. Der Sportraum schwingt vor Energie. „Was wir haben, ist wie ein Erwachsene­nkindergar­ten“, sagt Yanina Cerón Klewer über die Schule. Sie trägt ein T-Shirt mit einer Ansage: „Die Revolution sind wir“steht darauf.

Fechten, das klingt altmodisch. Zumal Nacktszene­n heute häufiger sein dürften als Schwertkäm­pfe. Aber es ist ein Weg, ein gutes Körpergefü­hl im Spiel mit dem Partner zu bekommen: Wie setze ich die Füße richtig, wie wehre ich ab. „Ich will, dass sie spielen“, sagt Fechtlehre­r Thilo Mandel (49). „Es ist Schauspiel ohne Worte.“Am Ende der Stunde versammelt er die Gruppe um sich. Mandel ist wehmütig. Es ist die letzte Stunde in diesen alten Räumen. Die neuen werden anders riechen, andere Geschichte­n erzählen. Im nächsten Semester kommt beim Fechten die Kür, sagt Mandel. „Ich freue mich auf euch im neuen Haus – und jetzt raus!“

„Die größe Baustelle ist die Baustelle“

Holger Zebu Kluth

Rektor

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FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA Dozent Thilo Mandel (links) zeigt eine Fecht-Übung mit seinem Azubi und Studenten Ulvi Erkin Teke.
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